Examensvorbereitung während der Auslandsstation – ein Erfahrungsbericht

Fernweh ist ein Gefühl, dass viele kennen. Ein anderes Land, eine andere Kultur und viele neue Eindrücke locken und der „Alltagstrott“ soll zumindest für eine Weile hinter sich gelassen werden. Für den angehenden Volljuristen ist dabei das Referendariat häufig die letzte Möglichkeit, diese Erfahrung vor dem Berufsstart zu machen. Viele Referendare und Referendarinnen möchten daher zumindest während ihrer Wahlstation ins Ausland.

In der Wahlstation hat man die schriftlichen Prüfungen gerade hinter sich und muss sich „nur“ noch auf das mündliche Examen vorbereiten. Zu diesem Zeitpunkt bietet es sich an, ins Ausland zu gehen, um vor dem Berufsstart nochmal eine neue Erfahrung mitzunehmen.

Einige Referendare und Referendarinnen gehen auch – sofern im jeweiligen Bundesland möglich – in der Verwaltungs- oder Anwaltsstation ins Ausland, um schon hier nochmal neue Erlebnisse zu haben.

Ich habe als Referendar in Hessen die Möglichkeit wahrgenommen, sowohl in der Verwaltungs-, als auch in der Wahlstation ins Ausland zu gehen. Oft wurde mir die Frage gestellt, wie ich mich mit dem Lernen organisiert habe.

Viele Examensanwärter schrecken genau aus diesem Grund vor einer Auslandsstation zurück. Dieser Beitrag schildert daher meine Erfahrungen.

Eher abschreckend: Erfahrungsberichte bei Google

Ein Punkt, der vor einer Auslandsstation abschrecken mag, ist, dass man bei einer Recherche bei Google Suche auf eine Vielzahl Erfahrungsberichte findet, die von einer sehr anstrengenden Zeit berichten, bei der man von Land und Leuten während der Station nicht viel gesehen hat.

Viele dieser Berichte erzählen von Aufenthalten in London oder den USA, während derer man sich nachts und am Wochenende auf die schriftlichen Prüfungen vorbereitete und ansonsten bis spät abends oder meist bis in die Nacht gearbeitet hat. Ich selbst habe andere Erfahrungen gemacht und würde dazu raten, unter solchen Umständen lieber auf die Auslandstation zu verzichten.

Es geht bei einem Auslandsaufenthalt darum, dass man neben der Sprache auch das Leben einer anderen Kultur kennenlernt und so neue Blickwinkel gewinnt. Wer nach der täglichen Arbeit nur in seinem Studierzimmer sitzt, verpasst gerade diesen essentiellen Teil einer Auslandserfahrung.

Das Lernen im Referendariat vor dem Auslandsaufenthalt

Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie man die Zeit im Ausland und das Lernen unter einen Hut bringt. Man sollte sich im Klaren sein, dass viele Grundlagen bereits vor dem Auslandsaufenthalt gelegt werden müssen. Das bedeutete in meinem Fall, dass viele Grundlagen während der Zivil- und Straf- sowie der ersten Hälfte der Verwaltungsstation erworben und am Ende sicher beherrscht werden mussten.

Die Lernarbeit beginnt somit deutlich vor der Auslandsstation und die Ruhe, die ersten Stationen etwas „lockerer“ angehen zu können, hatte ich nicht. Hinzukam bei mir noch, dass ich die erlaubten Stunden für eine Nebentätigkeit voll ausreizen musste, um die Finanzierung meiner Auslandsaufenthalte sicher zu stellen. Dennoch war es mir wichtig, dass ich immer einen Tag in der Woche frei nahm, um Sport zu treiben, die Wohnung zu putzen und Einkäufe zu erledigen. Nun mag sich der ein oder andere Leser fragen, wie dies angesichts des Stoffumfangs überhaupt möglich gewesen sein mag?

Die Lösung ist einfach: Man konzentriert sich auf das für das Examen Wesentliche. Und dies sind die Grundlagen oder wie man mittlerweile sagt: Basics.

Wie wird ein Urteil im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht aufgebaut? Wie schreibt man eine Anklageschrift? Dies sind die Punkte, die im Examen sitzen müssen.

Fehler im Aufbau sind es am Ende, die zu massiven Punktabzügen führen. Dies sind aber Dinge, die man üben und vermeiden kann. Das Gliedern von Klausuren hilft dabei auch stark. Man muss nicht mindestens alle zwei Tage eine Klausur schreiben, wenn man es schafft viele zu gliedern, um die Struktur zu verinnerlichen.

Ich selbst habe regelmäßig ein bis zwei Klausuren pro Woche komplett ausformuliert, in manchen Wochen aber nur Klausuren gegliedert. Durch meine Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei und meine Promotion war ich auch im materiellen Recht noch ziemlich fit und auch im Umgang mit dem Kommentar geschult. Gleichzeitig muss man sich bewusst sein – wer eine Klausur gliedert, wiederholt automatisch das materielle Recht.

Das Lernen im Ausland vor dem schriftlichen Examen

Diese Grundlagen habe ich eingeübt und sicher beherrscht, bevor es für mich zum ersten Mal während des Referendariats ins Ausland, und zwar nach Irland, ging. Ich habe insgesamt drei Monate bei Außenhandelskammer (AHK) in Dublin verbracht. Meine Arbeitszeiten waren Montag bis Freitag 9 – 17 Uhr. Ich selbst wollte vor allem fachlich viel von der Station mitnehmen, sodass mir dies ganz recht war. Nach den oben genannten Berichten hätte dies also für mich Lernen von 18 – 22 Uhr unter der Woche und am Wochenende jeweils von 8 Stunden bedeutet. Soweit kam es aber bei mir nicht.

Mit Praktikanten aus anderen Abteilungen der AHK bin ich regelmäßig unter der Woche nach der Arbeit Abendessen, ins Kino oder zu sonstigen Unternehmungen gegangen. Auch in meiner Wohngemeinschaft saßen wir häufiger in der Küche zusammen und haben mitunter die Zeit vergessen, oder wir sind für ein Pint noch in den Pub am anderen Ende der Straße gegangen. Am Wochenende habe ich häufig für Sightseeing genutzt und so viele Orte der irischen Insel, die ich bei vorherigen Besuchen nicht geschafft hatte, besucht. Ich habe sowohl viel von der praktischen Arbeit in einer Außenhandelskammer, als auch von der irischen Kultur mitgenommen. Alles Punkte, die mir in meiner heutigen Berufstätigkeit weiterhelfen.

Wie sah es aber nun mit dem Lernen aus? Nun, ich hatte vorher Grundlagen gelegt und musste nur wiederholen. Eine halbe Stunde ließ sich immer mal finden, um sich den Aufbau eines Urteils wieder ins Gedächtnis zu rufen oder einen Aktenvortrag durchzudenken. Die eigentliche Lernarbeit war ja bereits in der Heimat erfolgt.

Das Lernen nach der Rückkehr

Nach meiner Rückkehr aus Irland stellte sich dann natürlich die Frage, wie man wieder in den normalen „Lerntrott“ kommt. Auf jeden Fall war es für mich wichtig, dass ich gleich die Klausuren am Gericht besucht habe. Im zweiten Examen ist die Klausurenpraxis genauso wichtig wie im ersten Examen. Nur durch regelmäßiges Schreiben kann man sich daran gewöhnen und so hatte ich auch wieder feste Zeiten, die den Wiedereinstieg in einen normalen Lernrhythmus doch deutlich erleichtert haben.

Im Übrigen sei gesagt, dass ich während meiner Anwaltsstation nicht „getaucht“ bin. Ich habe bis eine Woche vor meinem schriftlichen Examen ganz normal die Station absolviert und gearbeitet, dann Weihnachten und Silvester ruhig und entspannt verbracht, bevor es im neuen Jahr gleich ins Examen ging.

Es war also in erster Linie wieder die Frage des Zeitmanagements. Die Zeit zum Lernen war beschränkter als die Zeit, die jemand hatte, der „tauchte“ und seine Station vielleicht nur sehr kurz besucht hat und dazu nicht im Ausland war. Daher galt für mich, diese umso intensiver zu nutzen. Im Repetitorium war ich für das zweite Examen nicht, sondern habe mich selbst organisiert und dabei Qualität vor Quantität gesetzt. Auch hier kann ich nur wieder den Rat geben, die Basics zu beherrschen, den Umgang mit den Kommentaren zu üben, anhand von Fällen zu lernen und ein Verständnis für das Recht selbst zu entwickeln.

Man muss verstehen, wie das Recht strukturiert ist, um auch den unbekannten Fall lösen zu können. Gerade dies ist es auch, was die spätere Arbeit zumindest in der anwaltlichen Praxis ausmacht. Mit dem gleichen Problem wird man selten konfrontiert und jeder Mandant hat seine eigenen Fragestellungen. Ein one-size-fits-all Prinzip gibt es nicht. Auch der Anwalt muss daher mit seinem Wissen und den juristischen Grundlagen eine Lösung für die Fragestellung des Mandanten finden. Und dieses Prinzip hat sich in meiner Vorbereitung auf das zweite Examen bewährt.

Das Lernen in der Wahlstation in den USA

In der Wahlstation habe ich mich beim Lernen in erster Linie auf das Wiederholen in einem lockeren, aber regelmäßigen Rhythmus beschränkt. Die Grundlagen wurden ja noch von der Vorbereitung auf das schriftliche Examen sicher beherrscht. Ich war auch fünf Tage die Woche in der Kanzlei und habe dort meine Aufgaben erledigt und natürlich auch Washington, D.C. und andere Teile der USA erkundet. Ich habe auch fast nur im amerikanischen Recht gearbeitet, was mir nach dem irischen Recht nochmal eine ganz neue Perspektive verschafft hat und auch meine juristische Denkweise positiv beeinflusst hat.

Gerade der Punkt, dass gleiche Lebenssachverhalte unterschiedlich angegangen werden, aber man häufig zum gleichen Ergebnis kommt, lässt einen das eigene Recht neu betrachten. Vor allem für das mündliche Examen ist dies hilfreich, da die Prüfer gerne Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet haben wollen und – zumindest bei aktuellen noch nicht entschiedenen Fragen – auch eine gewisse Kreativität und ein kritisches Hinterfragen verlangen. Unbewusst nimmt man so doch einiges für das mündliche Examen mit. Darüber hinaus  lassen sich auch Aktenvorträge während der Station sehr gut gliedern, wobei da auch der Schwerpunkt der Wochen zwischen Rückkehr und dem eigentlichen mündlichen Examen lag.

Wahlstation im Ausland und Examensvorbereitung: Fazit

Wie schon im ersten Examen, ist der Schlüssel nicht die Menge des Lernens und das Auswendiglernen von Streitständen, sondern die Intensität des Lernens und das Verständnis der Grundlagen und der Struktur des Rechts. Bei Auslandsaufenthalten im Referendariat liegt im Zeitmanagement der Schlüssel zum Erfolg. Es geht nicht darum, die Zeit im Ausland mit Lernen zu füllen, sondern die Grundlagen davor zu legen und danach wiederaufzunehmen. Die Zeit im Ausland dient vielmehr dazu, eine neue Perspektive auf das Recht zu erlangen (die aber in der Klausur auch hilft unbekannte Probleme anzugehen!) und sowohl eine fremde Rechtssprache zumindest in Teilen zu erlernen, als auch eine neue Kultur kennenzulernen. Gerade diese Punkte sind es dann auch, die einem in der späteren Praxis weiterhelfen.

Für mich war die Entscheidung zweimal ins Ausland zu gehen, vollkommen richtig. Es war durchaus eine anstrengende Zeit, da ich neben dem Referendariat und dem Lernen immer auch gearbeitet habe. Das Pensum ist bei guter Planung zu bewältigen, ohne dass man sich Nächte um die Ohren schlagen muss. Wichtig ist, dass man den richtigen Fokus beim Lernen setzt, ein Punkt der aber auch später in der Praxis hilfreich ist, um ein effektives Arbeiten zu garantieren und nicht nur in der Theorie des Examens gute Ergebnisse zu erzielen, sondern dann am Ende auch dort, wo es darauf ankommt – in der juristischen Praxis.

Ich wünsche allen, die während dem Referendariats ins Ausland gehen eine tolle Zeit dort, die es erlaubt, nochmal vor dem Ende der Ausbildung in eine andere Kultur einzutauchen und viel Erfolg im Examen!

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.

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