Jura Pflichtpraktikum in der größten Kanzlei Südkoreas

Vom Auslandsemester in Südkorea zum Praktikum in der größten Kanzlei des Landes. Der Reiz des Auslandspraktikums besteht in der Vielzahl der unterschiedlichen kulturellen und beruflichen Erfahrungen. Wie man sich in der Millionenstadt Seoul, auch ohne die Landessprache zu sprechen, zurecht- finden, lernen und viel erleben kann, zeigt dieser Praktikumsbericht.

Arbeitsalltag in der Großkanzlei in Südkorea

Den Arbeitsalltag in einer Großkanzlei stellten meine Kommiliton:innen und ich uns zu Beginn unseres Studiums immer ein bisschen vor wie bei Suits. Diesen Schleier wollte ich gerne lüften. Selbst habe ich mich zwei Mal während meines Studiums in diese sagenumwoben Welt gestürzt und dabei unter anderem einen Monat in Seoul bei der Kanzlei Kim & Chang gearbeitet. Bei dem Praktikum handelte es sich um ein Pflichtpraktikum in Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen in Hamburg. Mit dem folgenden Erfahrungsbericht will ich Einblicke geben und andere Studierende ermutigen, selbst ein solches Praktikum zu absolvieren. Also gleich vorweg: Meine Erfahrungen waren durchweg positiv und ich hatte sehr viel Spaß. Die Großkanzlei sollte man also trotz der vielen Vorurteile nicht rigoros ausschließen.

Den Arbeitsalltag in einer Großkanzlei stellten meine Kommiliton:innen und ich uns zu Beginn unseres Studiums immer ein bisschen vor wie bei Suits.

Die Kanzlei Kim & Chang beschäftigt laut dem Auswärtigen Amt rund 1.300 Berufsträger:innen, welche laut der Kanzleiwebseite in sechs Wolkenkratzern untergebracht sind. Die Kanzlei befindet sich im Herzen der Hauptstadt Seoul inmitten vieler staatlicher Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten.

Für meine Arbeit in Südkorea habe ich eine Entschädigung durch die Kanzlei bekommen (circa 900 Euro). Diese Aufwandsentschädigung reichte, um die Kosten des Fluges (circa 800 Euro) zu stemmen. Die weiteren Kosten für eine Unterkunft (circa 700 Euro), konnte ich dann aber nicht mehr vollständig abdecken. Persönlich war mir eine sehr zentrale Unterkunft wichtig, weshalb der Preis nicht ganz repräsentativ ist. Um solche Kosten zu decken, gibt es allerdings viele Möglichkeiten, sich um Stipendien zu bemühen.

Auslandssememester an der Seoul National University

Die Möglichkeit des Praktikums eröffnete sich mir über mein Auslandssemester an der Seoul National University. Einer meiner Professoren war selbst Praktiker und hat bei mehreren Kanzleien in Südkorea gearbeitet. Ich habe ihn um Rat gebeten, da ich Lust hatte, ein Praktikum nach meinem Semester zu absolvieren. Über ihn wurden meine Unterlagen an die Kanzlei bzw. einen Anwalt weitergereicht. Nicht auf Anhieb erhielt ich eine Rückmeldung, aber nach ein wenig höflichem Insistieren wurde mir für das Folgejahr ein Praktikum angeboten. Mit der Vermittlung war ich aber nicht allein – auch andere Studierende erhielten ihre Praktikumsplätze bei unterschiedlichen Kanzleien durch Unterstützung an der Universität. Allerdings ist auch eine Bewerbung auch ohne „Vitamin B“ möglich und nicht unüblich. Mir wurde vor Ort gesagt, dass sich die Kanzlei als eine Station im Referendariat auch perfekt eignen würde.

Kanzleileben in Seoul

Nun zum eigentlichen Praktikum: Die Südkoreaner:innen sind dafür bekannt, dass sie hart und viel arbeiten. Mir wurde aber nichts Unmenschliches abverlangt. Mein Praktikum hatte einen gewöhnlichen Zeitrahmen, wie man es von einer 40-Stunden-Woche erwarten würde. Ich möchte aber ebenso kein Geheimnis daraus machen, dass ich schlussendlich mehr als 40 Stunden in der Kanzlei saß (das liegt aber auch daran, dass ich während meines Praktikums teilweise noch an einer Hausarbeit mehr oder wenig intensiv gearbeitet habe). Wenn es einmal Leerlauf gab, konnte man jederzeit Jurist:innen aus der Kanzlei kontaktieren und nach Aufgaben fragen. Das Ausmaß der Arbeit hatte daher auch viel mit der Eigeninitiative zu tun.

Die Kombination zwischen spannenden juristischen Fragestellungen und kulturellem Austausch hat für mich einen besonderen Reiz ausgemacht.

Zu meinen Aufgaben: Kaffee kochen musste ich nicht, auch wenn dieser in Südkorea sehr beliebt ist. Die Aufgaben waren sehr unterschiedlich: Beispielsweise habe ich bei einem Unternehmenskauf unterstützt, welcher sich um ein deutsches mittelständisches Unternehmen gedreht hat. Ebenfalls waren Haftungsfragen nach dem deutschen Produkthaftungsrecht mit dabei. Diese deutschlandbezogenen Tätigkeiten stellten aber eher eine Seltenheit dar, auch wenn es eine kleine Anzahl deutscher Jurist:innen in der Kanzlei gab. Meine Hauptaufgaben befassten sich mit internationalen und nationalen Schiedsverfahren. Meine Angliederung an das Team, welches für Schiedsverfahren verantwortlich ist, hat mir tiefe und diverse Einblicke in das Verfahrensrecht gegeben. Dabei wurde ein breites Spektrum an Verfahrensarten abgedeckt: Ad hoc, institutionell, national, international – es war einiges dabei.

Ein Praktikum lebt neben den Aufgaben auch von den Menschen, mit denen man sich umgibt. Allein war ich während meines Praktikums nie. Mit mir haben andere Studierende gleichzeitig Praktikum gemacht. Vorwiegend handelte es sich um aus Südkorea stammende Student:innen, welche im Ausland studierten u. a. USA, UK Frankreich. Mit einigen teilte ich das Büro, was den Alltag insbesondere in den Mittagspausen versüßte.

Seoul: Leben in einer (fast) zehn Millionen-Einwohner-Stadt

Ich habe über die Plattform Airbnb ein Zimmer nicht weit von der Kanzlei in unmittelbarer Nähe der Residenz des Staatspräsidenten und des größten Palast Seouls (Gyeongbokgung) gefunden. Ich konnte ein privates Einzelzimmer in einer Wohngemeinschaft ergattern. Seoul ist keine günstige Stadt und meine Unterkunft war durch die ausgezeichnete Lage nochmal etwas teurer. Entschieden habe ich mich aber dafür, da man in Seoul schnell eine Stunde im Nahverkehr verbringen kann. So effizient dieser auch ist, wollte ich meine Abende lieber mit anderen Aktivitäten ausklingen lassen. Aus meiner Zeit während des Auslandssemesters kann ich mich noch gut erinnern, wie lange eine Pendlerreise in der Stadt dauern kann (auch wenn das immer eine Reise wert war).

Während des Jurastudiums ins Ausland zu gehen ist nicht nur wegen der zumeist unterschiedlichen Arbeitsumgebung interessant, sondern auch weil man vor und nach der Arbeit viel erleben kann. Bedingt durch mein Auslandssemester in Seoul hatte ich schon viel in Korea gesehen. Ich habe mich deshalb sehr an typisch „einheimischen“ Aktivitäten versucht. Freunde treffen, Wandern, Essen gehen, Museen besuchen und Ähnliches haben meinen Feierabend und die Wochenenden bestimmt. Trotz der Hitze im Sommer wollte ich so viel wie möglich draußen sein. Wenn es zeitlich und finanziell möglich ist, ist es eine tolle Idee, im Anschluss an das Praktikum noch ein bisschen zu reisen.

Praktikum in Großkanzlei in Seoul — Fazit

Das Kanzleipraktikum kann ich nur wärmstens empfehlen. Die Kombination zwischen spannenden juristischen Fragestellungen und kulturellem Austausch hat für mich einen besonderen Reiz ausgemacht. Wer sich nicht vor etwas fremden Welten scheut, wird sich hier sehr schnell zu Hause fühlen. Obgleich man die Sprache nicht spricht, ist das nicht sofort ein Ausschlusskriterium. Wer die Ohren und Augen offenhält, erlebt auch so viel Austausch. Manchmal klappt es aber auch nicht auf Anhieb – dann einfach dranbleiben. Einziger Wermutstropfen: Seoul ist kein günstiges Pflaster.

Maurus Wollensak Porträt
Autor
Maurus Wollensak

Maurus Wollensak ist Student der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg

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