New York City – Wahlstation im Ausland, Erfahrungsbericht

Nach 21 Monaten befand ich mich in der wohl spannendsten Phase des Referendariats – der Wahlstation. Ich hatte nach den schriftlichen Prüfungen die fantastische Möglichkeit, diese bei der Kanzlei Arnold & Porter Kaye Scholer LLP in New York zu absolvieren. – Ein Erfahrungsbericht

Wahlstation bei Arnold & Porter Kaye Scholer LLP in New York City

Nach 21 Monaten befand ich mich in der wohl spannendsten Phase des Referendariats – der Wahlstation. Ich hatte nach den schriftlichen Prüfungen die fantastische Möglichkeit, diese bei der Kanzlei Arnold & Porter Kaye Scholer LLP in New York zu absolvieren. Zuvor war ich bei der Kanzlei ca. 2,5 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referendar in der Anwaltsstation tätig. – Ein Erfahrungsbericht

Wahlstation in New York — Planung

Am Anfang eines jeden Unterfangens steht die Planung. Wie sich schnell herausstellte, war der Planungsaufwand für die Wahlstation in New York City erheblich.

Beantragung und Kosten des Visums

Um die Wahlstation in den USA absolvieren zu können, benötigt man das sogenannte J1- Visum. Dabei handelt es sich um ein Student Visum, das bei einer US-Botschaft online beantragt werden muss. Allerdings benötigt man hierzu das DS- 2019 Formular, welches von einer sogenannten Visa-Sponsor-Organisation vergeben wird. Ohne einen solchen Sponsor ist es nicht möglich das J1-Visa zu erhalten.

In meinem Fall wurde der Visaprozess weitestgehend von der Kanzlei übernommen. Dazu gehörte glücklicherweise auch die Vermittlung an einen solchen Sponsor. Das sehr zeitintensive Ausfüllen unzähliger Dokumente blieb mir allerdings trotzdem nicht erspart.

Damit sich der Sponsor sicher ist, dass es sich bei dem Antragsteller tatsächlich um einen Studenten handelt, findet vor Ausstellung des Formulars ein Videointerview statt. Dort werden der Sinn und Zweck der Reise erfragt. Zweifel an seinem Rückkehrwillen sollte man aber nicht lassen.

Im Anschluss an die erfolgreiche Ausstellung des DS-2019 Formulars muss man einen Visatermin bei einer US-Botschaft beantragen. Die Wartezeit ist vom Standort abhängig und beträgt i.d.R. zwei Wochen. Dem großen bürokratischen Aufwand kann man nicht entgehen! Daher solltet ihr rechtzeitig mit dem Prozess starten.

Die Kosten für das J1-Visum betragen insgesamt rund 1300 Euro. In meinem Fall wurden diese Kosten von der Kanzlei übernommen.

Auslandskrankenversicherung und Auslandshaftpflichtversicherung

Unbedingt notwendig ist außerdem der Nachweis einer Auslandskrankenversicherung. Aufgrund der hohen Haftungssummen in den USA habe ich mich zudem dazu entschieden, eine Auslandshaftpflichtversicherung abzuschließen, die u.a. die Buchung eines günstigen Mietwagens erleichtert hat. 

Unterkunft in New York

New York City ist eine der weltweit teuersten Städte. Da die Mieten hoch sind, leben viele New Yorker in WGs. Da für mich von Anfang an feststand, dass ich so viel wie möglich von der Stadt und von den Menschen mitbekommen wollte, entschied ich mich über Airbnb in eine WG in Brooklyn zu ziehen.

Ich kann Brooklyn wahrhaftig jedem empfehlen! Es ist mit seinen rund drei Millionen Einwohnern der wohl vielseitigste der fünf New Yorker Stadtbezirke.

Downtown bietet Brooklyn einen traumhaften Strand, Uptown die Docks und unzählige Brauereien. Relativ zentral befindet sich der Prospectpark mit zahlreichen Bars, Restaurants, Bibliotheken, Museen sowie einem Zoo.

Brooklyn ist aber auch hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr nach Manhattan angebunden. Mein Arbeitsweg von Brooklyn zur 55th Street (nähe Times Square) betrug ca. 30 Minuten. Da die Subways 24/7 fahren, war es zu keiner Zeit ein Problem, nach Hause zu kommen.

First things first: Die Bürokratie in den USA

Ich wollte vor dem Stationsstart sämtliche organisatorische Dinge erledigen und bin daher bereits eine Woche vor Start eingereist. Wichtig ist, dass Ihr eure Ankunft der Sponsororganisation mitteilt. Ihr müsst hierzu euren Reisepass mit dem Einreisestempel einscannen und an die Organisation senden. Dafür habt ihr sieben Tage Zeit. Nach „fruchtlosen“ Ablauf dieser Frist gilt man als illegaler Einwanderer.

Falls ihr direkt aus den USA „vergütet“ werden solltet, seid ihr ggf. lohnsteuerpflichtig. Damit eure Ausbildungsstation die entsprechenden Abgaben leisten kann, wird die sogenannte Social Security Number (SSN) benötigt. Ohne SSN kann keine Zahlung erfolgen. Die SSN muss beim für den jeweiligen Wohnort zuständigen Social Secruity Administrations Office beantragt werden und wird euch per Post nach ca. zehn Tagen zugestellt.

Die Wahlstation in New York City

Am ersten Arbeitstag war ich wahnsinnig aufgeregt, wobei der Einstieg leicht war, denn mein erster Arbeitstag sollte der erste von einer zweiwöchigen Orientierungswoche sein. Zusammen mit einem neuen 5th Year Associate bekam ich die üblichen System- und Sicherheitsanweisungen. Die kommenden zwei Wochen bestanden aus unzähligen Vorstellungen von Personen und den unterschiedlichsten Komitees und Praxisgruppen. Ich wurde herzlich aufgenommen und habe mich sofort willkommen gefühlt.

Etwa 330 Anwälte und 240 Angestellte arbeiten am New Yorker Standort, den die Kanzlei erst 2014 bezogen hat. Entsprechend neu und modern waren die Räumlichkeiten, in denen es u.a. ein Fitnessstudio, eine exzellente Kantine mit Blick über die Stadt und mehrere Entspannungs- und Networkingbereiche gibt. 

Alle Kollegen waren sehr nett, hilfsbereit und sehr interessiert an der deutschen Juristenausbildung, da sie nur wissen „that you guys study like 20 years“ und keinen Schimmer davon haben, was ein deutscher Referendar eigentlich ist. Ich wurde schnell in die tägliche Arbeit integriert, so dass ich mich auch gleich zu Beginn mit dem US-Amerikanischen Rechtssystem auseinandersetzen konnte.

Betreut wurde ich von einem Chairholder Partner aus dem Bereich Litigation. Die Arbeit mit und für meinen Mentor war sehr spannend und angenehm. Er hat mich oft zu Gerichtsverhandlungen und Vergleichsverhandlungen mitgenommen und mir so unvergessliche Erfahrungen und Eindrücke geboten. Da wir beide wirklich große Sportfans sind, hat er mich zu einigen Eishockeyspielen der New York Rangers mitgenommen – Danke für Alles lieber Jim!

Daneben durfte ich auch an Projekten mit kartellrechtlichem Bezug mitarbeiten. Auffällig war, wie selbstständig die Arbeitszeit gestaltet werden konnte. Eine starre Arbeitszeit gab es entgegen dem „Facetime“–Vorurteil nicht. Ich arbeitete fünf Tage die Woche durchschnittlich zwischen 10:00 und 19:00 Uhr.

Networking in der Großkanzlei

Wöchentliche Abendveranstaltungen verstärkten die harmonische Arbeitsatmosphäre und das Gemeinschaftsgefühl deutlich. Ich wurde auch dabei sofort integriert und durfte oft bei diesen Treffen dabei sein. Durch diese privaten Unternehmungen lernte ich viele interessante Kollegen kennen und baute schnell Vertrauen auf. 

Der Annahme, dass in Großkanzleien nur forsche Töne und Konkurrenzdenken herrscht, kann ich jedenfalls für Arnold & Porter nicht bestätigen!

Highlight der Wahlstation: First-Year-Associate-Retreat

Ein Highlight meiner Wahlstation war die Teilnahme an dem jährlichen „First-Year-Associate-Retreat“ der Kanzlei. Bei diesem Retreat kommen alle Berufseinsteiger aus sämtlichen Büros weltweit nach New York, um ein zweiwöchiges Training zu absolvieren. Trainiert werden zum Beispiel „Writing “ und „Negotiation“ Skills, aber auch Zeugenvernehmungsstrategien.

Täglich haben Partner aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten und Büros Vorträge gehalten und zahlreiche Tipps sowie ihre beruflichen Erfahrungen mit uns geteilt. Ich bin mir sicher, dass ich hiervon noch lange profitieren werde.

Am Ende eines jeden Tages hat die Kanzlei für alle der etwa 100 Teilnehmer unterschiedlichste Abendprogramme organisiert.

Besonders begeisterte mich das Kennenlernen von Kollegen aus der ganzen Welt mit denen ich während des Retreats auch zusammenarbeiten konnte. Äußerst interessant war der internationale Rechtsvergleich aus den unterschiedlichsten „jurisdictions“.

Wahlstation in New York — Fazit

Jederzeit würde ich mich wieder für die Wahlstation in New York entscheiden. Es war eine hervorragende Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln und tolle Menschen kennen zu lernen.

New York ist eine atemberaubende und aufregende Stadt. Es ist immer was los und es gibt überall etwas zu entdecken. „The City that never sleeps“ ist nirgendswo sonst so zutreffend. Besonders beeindruckend an New York ist die Vielseitigkeit. Es gibt nichts, was es dort nicht gibt! Das fängt bei den Menschen an und hört bei den Erlebnismöglichkeiten auf. Auffallend ist auch, dass unzählige Kulturen in New York zusammenleben und arbeiten. Hautfarbe, Religion, Herkunft oder sexuelle Orientierung spielen zumindest in diesem Teil der USA keine Rolle. Und darauf sind die New Yorker stolz: „New York is New York, not America.

Es ist schier unmöglich, all meine Erfahrungen und Eindrücke mit euch hier zu teilen. Ich kann nur jeden ermutigen, die Wahlstation im Ausland zu machen. Der Mehrwert ist in jeder Hinsicht unbeschreiblich. Allen, die sich so etwas nicht zutrauen, will ich an dieser Stelle Mut machen. Es lohnt sich und ist halb so schlimm wie ihr euch das vielleicht vorstellt.

Ich war erstaunt, wie sehr mir meine bereits erlernten juristischen Fähigkeiten weitergeholfen haben. Ich hatte den Eindruck, dass man gerade im Vergleich zu US-amerikanischen First-Year Associates als deutscher Referendar sehr gut ausgebildet ist.

Dieser Artikel erschien zuerst im mylawguide 2020, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Sven Leyendecker, Rechtsanwalt, Autor mylawguide, IQB Career Services
Autor
Sven Leyendecker

Sven Leyendecker ist Rechtsanwalt bei ARNECKE SIBETH DABELSTEIN in Frankfurt am Main.

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