
Transparenzanforderungen an das Kreditscoring -Interview mit Baker-McKenzie-Preisträger Dr. Philipp Tilk
Interview mit Baker-McKenzie-Preisträger Dr. Philipp Tilk. Der Baker McKenzie-Preis 2023 ging an eine Arbeit aus dem Bereich Finanzrecht, Thema: “Die Quantifizierung des Vertrauens – Eine Untersuchung der Transparenzanforderungen an das Kreditscoring vor dem Abschluss von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen am Maßstab des Bankaufsichts- und Datenschutzrechts.“ Wir sprachen mit ihm.

„Die Quantifizierung des Vertrauens…“
Dr. Philipp Sebastian Tilk erhält den Baker McKenzie-Preis für seine herausragende Dissertation in der Rechtswissenschaft „Die Quantifizierung des Vertrauens – Eine Untersuchung der Transparenzanforderungen an das Kreditscoring vor dem Abschluss von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen am Maßstab des Bankaufsichts- und Datenschutzrechts“. Wir haben den Preisträger interviewt.

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Wollten Sie schon immer promovieren?
Nein, gar nicht. Die Idee kam erst im Rahmen der wissenschaftlichen Hausarbeit, die in Frankfurt den universitären Schwerpunktbereich abschließt. Da ich zu der Zeit bereits am Lehrstuhl meiner späteren Doktormutter arbeitete und mir das Forschen Spaß machte, habe ich dieser Idee einen Versuch gegeben.
Welche Fragen oder Probleme haben Sie in Ihrer Dissertation untersucht – wie kamen Sie auf das Thema?
Auf das Thema wurde ich aufmerksam, weil es bereits ein Forschungsgegenstand des Lehrstuhls war. Ich habe mir u.a. vergangene Recherchen angesehen, die Frau Prof. Langenbucher in Auftrag gegeben hatte, und dabei großes Interesse am Kreditscoring gefunden. Bei der rechtlichen Ausarbeitung bin ich dann immer wieder auf wichtige Grundfragen „zurückgefallen“.
So habe ich mir immer die Frage gestellt, wie das Kreditscoring funktioniert und warum es einen so hervorgehobenen Stellenwert einnimmt. Zur Beantwortung der Frage, wie verständlich das Kreditscoring sein muss, habe ich mich daher mit ökonomischen Interessenlagen, Patentanträgen von Fintechs und der Erstellung statistischer Modelle beschäftigt.
Welchen Einfluss hatte Ihre Betreuerin Prof. Dr. Katja Langenbucher bei der Wahl des Themas?
Bezüglich Themenwahl und wissenschaftlicher Herangehensweise war sie mir eine Inspiration. Sie hat mir große Forschungsfreiheit eingeräumt und in den richtigen Momenten wertvolle Hinweise und Denkanstöße gegeben.
Mit welchen Erwartungen sind Sie an die Dissertation herangegangen?
Mein Anspruch war es, die Arbeit zu meiner Zufriedenheit fertigzustellen, den Themenkomplex ganzheitlich zu bearbeiten und die aufkommenden Fragen verständlich zu beantworten.
War es leicht, sich in die Arbeit an der Dissertation einzufinden?
Als ich meinen Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter unterschrieb, wurde ich als „Wissenschaftler“ an der Uni begrüßt. Das war gewöhnungsbedürftig. Ansonsten beginnt die Recherche wie bei jeder Seminararbeit, nur dass man immer tiefer bohrt. Dabei sammelt sich sehr viel Wissen an, was einen auch überwältigen kann. Schwierig war es daher, das Thema genau zuzuschneiden und eine gründliche Struktur zu finden. Das hat Zeit benötigt.
Doppelte Funktion der Kreditprüfung
Die Betreuerin des Werks, Prof. Dr. Katja Langenbucher, weist darauf hin, dass es um die doppelte Funktion der Kreditwürdigkeitsprüfung geht. Diese hat einerseits mit dem Geschäftsmodell der Bank und deren Eigenkapitalunterlegung zu tun, andererseits mit der verbraucherzentrierten Prüfung, ob eine Überschuldung droht: „Die Problemstellung ist v.a. im Kontext der KI-gesteuerten und auf sog. alternativen Daten beruhenden Kreditwürdigkeitsbeurteilung in den Fokus einer hochaktuellen global geführten Debatte geraten. Der EuGH hat gerade zur SchuFa geurteilt und der europäische Gesetzgeber griff das Problem im Kontext des Verordnungsentwurfs für ein KI-Gesetz wie auch bei der Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie auf. Philipp Sebastian Tilk bearbeitet in seinem Werk den Komplex Scoring und Transparenz auf breiter interdisziplinärer Grundlage und lieferte durchweg sorgfältig begründete Vorschläge ab.“
Wie muss man sich die Arbeit an einer Doktorarbeit vorstellen? Gibt es Phasen oder ist das ein kontinuierlicher Prozess?
Es gibt immer Höhen und Tiefen. Es gibt Wochen, in denen man jeden Tag eine oder mehrere Seiten füllen kann. Dann gibt es wiederum Abschnitte, die scheinbar nicht so produktiv sind oder in denen man anders eingespannt ist. Aber auch solche Tage sind wichtig und bringen einen im Großen und Ganzen voran. Gedanken müssen auch reifen können.
Was waren Ihre „Highlights“ bei der Arbeit an der Dissertation?
Definitiv der Gang zum Copy Shop am Tag der Abgabe, der Urlaub danach und der Tag der Disputation, als ich mit Familie und Freunden feiern durfte. Aber auch die vielen kleinen und großen Lichtblicke bei der Erstellung der Arbeit waren anspornend und der fachliche Austausch am Lehrstuhl sowie Konferenzen in Paris und Athen waren überaus bereichernd. Es ist interessant, wie aus einer Idee und einer Frage durch stetige Arbeit ein Buch mit mehreren hundert Seiten heranwächst.

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Was war besonders schwierig?
Der Start war anders als geplant, da mein erster offizieller Tag an der Uni in die letzte „normale“ Woche von den darauffolgenden vielen ungewöhnlichen Wochen fiel. Am. 22. März 2020 fand der erste Corona-Lockdown statt. Gerade am Anfang war das Angebot an Literatur dadurch stark eingeschränkt und niemand wusste, wie lange dieser Zustand andauern wird.
Wie haben Sie den Komplex Scoring und Transparenz in Ihrer Dissertation interdisziplinär behandelt?
Ökonomisch und datenwissenschaftlich. Nachdem ich die ökonomischen Interessenlagen der Vertragsparteien herausarbeitete, hat sich mir das Kreditscoring als Methode zur Überwindung von Informationsasymmetrien zugunsten des Kreditgebers eröffnet.
Es zeigte sich, dass möglichst geeignete Daten und eine trennscharfe Methode zur Kreditwürdigkeitsprüfung nötig waren. So waren diese oft mit den Schlagwörtern „KI“ und „Big Data“ bezeichneten Themen meine weiteren interdisziplinären Forschungsgebiete.
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Können Sie uns etwas über die Rolle des Bankaufsichts- und Datenschutzrechts im Hinblick auf Kreditscoring und Kreditwürdigkeitsprüfung erzählen?
Die Rechtsgebiete erscheinen erstmal konträr, lassen sich aber bei genauerer Betrachtung gut zusammenführen. Während sich das Bankaufsichtsrecht auf die Stabilität der Finanzmärkte konzentriert und daher alle wichtigen Informationen für eine Kreditwürdigkeitsprüfung einfordert, nimmt das Datenschutzrecht das Recht des Betroffenen auf seine informationelle Selbstbestimmung in den Blick.
Da die Kreditwürdigkeitsprüfung auch den Verbraucher vor einer möglichen Verschuldung schützen soll, richtet sich die Frage nach den relevanten Daten vor allem auch nach dem Risikogehalt des Kredits für die Kreditvertragsparteien. Insofern lässt sich an der Schnittstelle der „Erforderlichkeit der Datenverarbeitung“ ein angemessener Interessenausgleich herstellen.
Welche Auswirkungen haben die jüngsten Urteile des EuGH, insbesondere in Bezug auf Institutionen wie die Schufa, auf Ihre Forschung und Ihre Vorschläge?
Sie rücken das Thema auf jeden Fall in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten. Das Spannende an meinem Promotionsthema ist, dass ich mit jedem darüber reden konnte, da Auskunfteien wie die Schufa jedem ein Begriff sind. Meine Sorge war natürlich, dass meine Arbeit im Erscheinungszeitpunkt durch die anstehende EuGH-Entscheidung Rechtsgeschichte sein könnte. Aber so war es dann nicht. Vielmehr wirft z.B. auch die kürzlich verabschiedete KI-Verordnung neue Fragen auf.

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Wie sehen Sie die Zukunft des Kreditscorings im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der KI und alternativer Daten?
Computer-Algorithmen werden einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Deshalb müssen wir als Gesellschaft darüber reden, wie und in welchen Bereichen wir diesen Einfluss zulassen möchten. Gerade aufgrund einfacher Kostenplanung ist es für Kreditgeber günstiger, automatisierte Kreditentscheidungen besonders bei geringen Kreditvolumina zu treffen. Je besser das funktioniert, desto mehr wird dies auch für größere Darlehnssummen in Betracht kommen. Insofern ist vor allem die Frage der Transparenz, also warum und wie die Kreditentscheidung getroffen wird, auch für die Zukunft von besonderer Bedeutung.
Wie sieht Ihre weitere Karriereplanung nach Abschluss der Dissertation aus? Streben Sie eine akademische Laufbahn an oder zieht es Sie in die Anwaltschaft?
Momentan durchlaufe ich noch die verschiedenen Stationen des Referendariats und freue mich, hierbei Einblicke in die praktische Arbeit im Bankaufsichtsrecht erlangen zu dürfen. Im Sommer 2025 werde ich das Zweite Staatsexamen hoffentlich erfolgreich absolviert haben. Danach möchte ich mich auf den Jakobsweg begeben – vielleicht kommen hier Inspirationen für Weiteres.
Und zuletzt: Welchen Rat würden Sie angehenden Doktorand:innen geben?
Nur Mut!

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Als eine der führenden deutschen Anwaltskanzleien berät Baker McKenzie nationale und internationale Unternehmen und Institutionen auf allen Gebieten des Wirtschaftsrechts. In Deutschland vertreten rund 200 Anwält:innen mit ausgewiesener fachlicher Expertise und internationaler Erfahrung die Interessen ihrer Mandant:innen an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München. Baker McKenzie ist regelmäßig auf den Karrieremessen von IQB und Myjobfair vertreten.
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