
Interview mit Baker-McKenzie-Preisträgerin Dr. Julia Hoffmann
Interview mit Baker-McKenzie-Preisträgerin Dr. Julia Hoffmann. Den Baker McKenzie-Preis 2023 erhält sie für ihre Arbeit „Die Standardsetzung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts – Zulässigkeit, Grenzen und Folgen informeller Gesetzeskonkretisierung“.

„Die Standardsetzung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts“
Dr. Julia Hoffmann erhält den Baker McKenzie-Preis für ihre herausragende Dissertation in der Rechtswissenschaft mit dem Thema „Die Standardsetzung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts – Zulässigkeit, Grenzen und Folgen informeller Gesetzeskonkretisierung.“ Wir sprachen mit ihr.
Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Dissertation gekommen und was hat Ihr Interesse an diesem Bereich des Umweltrechts geweckt?
Für einen Vortrag meiner Doktormutter recherchierte ich Literatur und Rechtsprechung zum Thema der Umweltstandards. Es gab viel Lesestoff, aber keine zufriedenstellende Dogmatik – das hat mich umgetrieben. Und so habe ich mich kurzerhand entschlossen, mein ursprüngliches Thema zur Luftreinhalteplanung fallen zu lassen und mich der untergesetzlichen Standardisierung im Umweltrecht zu widmen.

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Wollten Sie schon immer promovieren?
Nein, ich wollte ursprünglich nicht einmal Jura studieren. Alles hat sich auf dem Weg entwickelt. Was mich recht früh im Studium begeistert hat, war das Staatsorganisationsrecht und im Schwerpunkt dann die rechtliche Einordnung großer und komplexer Infrastrukturvorhaben. Fragen rund um das Umweltrecht und die Funktion des Rechtsstaates hatten es mir also angetan. Die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit begleitender Promotion war dann eine gute Möglichkeit, meine Kenntnisse in diesen Bereichen weiter zu vertiefen.
Mit welchen Erwartungen sind Sie an die Dissertation herangegangen?
Mir ging es tatsächlich primär darum, mich in einen Rechtsbereich, der mir Freude macht, noch tiefer eingraben zu können und mal endlich Zeit für ein Thema zu haben. Die Vorstellung von dem friedlichen Elfenbeinturm, in dem es gemütlich zugeht, hat sich aber (glücklicherweise) schnell als falsch herausgestellt. Nicht nur am Lehrstuhl gab es extrem viel zu tun. Ich habe nebenher an der Polizeihochschule unterrichtet, an Fachtagungen teilgenommen und mit Kolleg*innen Veranstaltungen organisiert und sogar einen Verein gegründet, das Junge Forum Umweltrecht e.V. (JFU). Das Highlight meiner wissenschaftlichen Karriere war dann ein Vortrag über die Ergebnisse meiner Arbeit auf der sehr renommierten Tagung der Gesellschaft für Umweltrecht sowie die Verleihung des Baker McKenzie-Preises. Somit wurden meine Erwartungen weit übertroffen.
War es leicht, sich in die Arbeit an der Dissertation einzufinden?
Ich habe nach dem Referendariat promoviert. Daher war wohl die erste größere Herausforderung, mich wieder in den universitären Betrieb einzufinden. Im Referendariat geht es mehr darum, praxistaugliche Lösungen zu finden und das heißt, im Zweifel der Rechtsprechung zu folgen. „Mindermeinungen“ der Kommentarliteratur, die für das Erste Examen gepaukt wurden, sind nicht mehr gefragt.
Auch das Prozessrecht gibt strenge Regeln vor, die es sich im Referendariat anzueignen gilt. In der Wissenschaft wiederum herrscht große Freiheit. Hier gilt es – natürlich unter Beachtung des juristischen Handwerkzeugs – Themen neu zu denken. Hinzukommt der Anspruch, etwas Neues zu schaffen und Althergebrachtes zu hinterfragen. Im Großen und Ganzen war ein Mindset-Wechsel gefragt.
Wie muss man sich die Arbeit an einer Doktorarbeit vorstellen? Gibt es Phasen oder ist das ein kontinuierlicher Prozess?
Es gibt drei bis vier grobe Phasen, die wohl für alle Promotionen gelten:
Am Anfang steht die Themensuche. Dann wird zu dem Thema recherchiert und die Dissertation verfasst. Gegen Ende schließt eine Korrekturphase an, die dann mit der Veröffentlichung ihren Abschluss findet.
Als ich mein Thema gefunden hatte, habe ich zunächst eine Gliederung erarbeitet und ein Exposé erstellt. Das war meiner Doktormutter sehr wichtig. Die Vorgehensweise hat sich auch bewährt. Das Exposé hat mir über die gesamte Promotionszeit als Stütze und roter Faden gedient. Im Rückblick gab es auch einen Moment, in dem der berühmte „Knoten geplatzt“ ist und eine intensive Schreibphase folgte.
Was hat Ihnen bei der Arbeit an der Dissertation besonders viel Freude gemacht?
Es gab gute und schlechte Phasen und gefreut habe ich mich wohl am meisten über Etappensiege – wie bspw. das Fertigstellen der ersten 50 Seiten – oder über (wenn auch nur vermeintliche) Durchbrüche und Erkenntnisse. Dankbarkeit empfinde ich vor allem dafür, dass ich durch die Promotion dem Umweltrecht treu bleiben durfte und heute als Rechtsanwältin für Umwelt- und Planungsrecht in einem sehr spezialisierten Team arbeite. Insofern war die Dissertation eine Brücke von der sehr breit ausgerichteten Ausbildung im Referendariat zur anwaltlichen Beratungstätigkeit im Bereich Klimawende und Infrastrukturausbau.
Dr. Julia Hoffmann wird ausgezeichnet für ihre Dissertation „Die Standardsetzung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts – Zulässigkeit, Grenzen und Folgen informeller Gesetzeskonkretisierung“. „Behörden stehen, v.a. im Umweltrecht, immer wieder vor folgendem Problem: Sie müssen konkrete technische Anforderungen ihren Entscheidungen zugrunde legen, die sie jedoch nicht selbst ermitteln können. Der Blick in die Vorstellungen anderer Behörden erfolgt in der Verfassung z.B. der Papiere der umweltrechtlichen Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften“, so die Betreuerin der Arbeit, Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann. „Julia Hoffmann zeigt, wie wenig die Versuche, unbestimmte Rechtsbegriffe kontrollierbar zu machen, den Anforderungen an moderne Normbildungspraktiken genügen können. Die Dissertation bringt die Wissenschaft und Praxis gerade im sensiblen Umweltregulierungsbereich erheblich weiter.“
Gab es während Ihrer Forschung besondere Herausforderungen oder überraschende Erkenntnisse, die Sie gerne teilen würden?
Die größte Herausforderung ist wohl, etwas Neues zur Wissenschaft beitragen und den wissenschaftlichen Diskurs voranbringen zu wollen. Daran verzweifelt so manch Promovierende*r und bricht die Dissertation im Zweifel ab. Es ist aber ein sehr befriedigendes Gefühl, zu merken, in einem Thema – mag es auch noch so speziell sein – zur Expertin zu werden. Und die neuen Ideen kommen dann von ganz allein.
Eine Erkenntnis, die sicher viele Promovierte teilen, ist außerdem die, dass es keine Dissertation zweimal gibt. Auch wenn es den Anschein haben mag, dass jemand anderes zu einem ähnlichen Thema promoviert und der eigenen Arbeit vermeintlich vorgreift. Das wird selten bis nie vorkommen, da jeder wissenschaftliche Weg sehr individuell ist.
Können Sie uns einige Ihrer wichtigsten Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen aus Ihrer Arbeit zusammenfassen?
Technische Standards bzw. Umweltstandards sind unerlässlich für die Rechtsanwendung. Bislang dauert der Prozess der rechtlichen Anerkennung fachlicher Standards aber noch zu lang. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass eine Rechtsdogmatik fehlt, sofern es sich nicht um die klassischen untergesetzlichen Regelungen wie z.B. Rechtsverordnungen oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften handelt. Eine solche würde aber Rechtssicherheit schaffen und Vorhabenzulassungen beschleunigen.
Ich habe versucht eine solche zu entwickeln. Letztlich bleibt zu hoffen, dass die Gerichte dem ein Stück weit folgen. Denn es gilt: Werden bei der Verfassung technischer Normen gewisse verfahrenstechnische und rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten, können sie als informelle Normen – seien sie privater oder staatlicher Herkunft – in die formelle Konzeption des Rechts integriert werden.

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Welche Bedeutung haben die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts für die Gesetzgebung und die Praxis der Behörden?
Eine Große, denn die Musik spielt im Umweltrecht häufig im untergesetzlichen Recht. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften des Umweltrechts entwickeln Leitfäden zu verschiedensten Fachthemen, die auf aktuelle Entwicklungen und technische Erkenntnisfortschritte zurückgehen. Dies kommt den Behörden im Vollzug entgegen, da das einfach-gesetzliche Recht in der Regel keine konkreten Handlungsanweisungen bereithält und durch Leitfäden handhabbarer wird, z.B. durch die Festlegung von Richtwerten oder Irrelevanzschwellen. Problematisch ist, dass diesen Leitfäden und Hinweisen regelmäßig Wertentscheidungen zugrunde liegen, die eigentlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorbehalten sind.
Im Falle des DIN e.V. wurde diskutiert, ob durch die Anwendung von DIN-Normen durch Behörden nicht „Private“ zum Regelgeber würden. Dass die Standardsetzung durch einen Zusammenschluss von Ministerien, der letztlich ohne rechtliche Ermächtigung handelt, ebenfalls problematisch sein könnte, wurde dabei lange übersehen.
Bei aller Kritik ist die umweltfachliche und -rechtliche Praxis aber ohne die Arbeitsgemeinschaften nicht denkbar. Insofern leisten sie einen sehr wichtigen Beitrag an der Schnittstelle zwischen Technik und Recht.
Welche weiteren Forschungsbereiche oder Fragen ergeben sich Ihrer Meinung nach aus Ihrer Dissertation?
Wie bei jeder Dissertation musste auch ich das zu beackernde Themenfeld eingrenzen. Ich habe mich in meiner Arbeit auf die Umweltstandards der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften konzentriert und eine neue Normkategorie vorgeschlagen: die der verwaltungskooperativen Normen.
Es sind sicher noch weitere Kategorien im Feld der informellen Standards denkbar, die es zu entdecken und benennen gilt. Auch wäre eine Fortentwicklung der Rechtsprechung in Bezug auf die Figuren des antizipierten Sachverständigengutachtens und der Fachkonvention wünschenswert.
Im größeren Kontext geht es um die Verknüpfung von Wissen und Recht und wie der Staat in der heutigen Wissensgesellschaft handlungsfähig bleibt. In diesem Forschungsfeld sehe ich noch viel Potenzial.
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Welchen Rat würden Sie angehenden Doktorand:innen geben?
Die Themensuche ist sicher eine der schwierigsten Phasen. Es kann helfen, einschlägige Fachtagungen zu besuchen oder sich jedenfalls die Programme aktueller Fachtagungen anzuschauen. Hier werden immer aktuelle Themen diskutiert, die noch unbeantwortete Rechtsfragen betreffen.
Zu Beginn ist das Verfassen eines Exposés hilfreich. Letztlich geht es darum, den Kenntnisstand zu einem Thema anhand einiger ausgewählter Quellen zu skizzieren, eine konkrete Rechtsfrage herauszuarbeiten und eine vorläufige Gliederung zu entwickeln.
In der Schreibphase kann ich nur jeder*m ans Herz legen, sich mit anderen zusammenzutun und Textpassagen auszutauschen. Ich habe mich mit zwei guten Kolleginnen monatlich ausgetauscht und in der intensiven Schreibphase bis zu 20 Seiten vorgelegt. Freitagsnachmittags wurden die Texte dann diskutiert. Dieses Feedback und der feste Termin waren eine gute extrinsische Motivation.
Zu guter Letzt gilt es, in der Promotionszeit aus den Vollen zu schöpfen. Universitäten bieten so viele Möglichkeiten. An der Goethe-Universität gibt es beispielsweise ein Fortbildungszentrum (Graduiertenakademie GRADE), in dem Promovierende diverse Kurse besuchen können – von Sprachkursen bis zu Motivationstrainings und Schreibwerkstätten etc.
Und ganz wichtig, den Kontakt zu Praktiker*innen suchen und das Netzwerken nicht vergessen. Ich habe aus der Promotionszeit viele wertvolle Kontakte mitgenommen, die die weitere Fachspezialisierung möglich gemacht haben, die mich heute beruflich trägt.

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Abschließend, welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie persönlich und für Ihre weitere akademische oder berufliche Laufbahn?
Der renommierte Baker McKenzie-Preis geht an Dissertationen und Habilitationen mit wirtschaftsrechtlichen Themen, die Relevanz über die Wissenschaft hinaus haben. Die Auszeichnung ist damit zuallererst die Bestätigung, gute Arbeit und einen Beitrag nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Rechtspraxis geleistet zu haben. Dies erfüllt mich mit großer Freude und Stolz.
Gleichzeitig ist die Auszeichnung Motivation und Ansporn, das Thema und die gefundenen Erkenntnisse durch weitere Veröffentlichungen und Vorträge in die Praxis zu tragen. Es haben sich bereits Beratungsanfragen in Bezug auf die Erstellung informeller Umweltstandards durch Behörden ergeben. Daraus ist kürzlich ein Aufsatz für das Deutsche Verwaltungsblatt entstanden, in dem ich die Quintessenz meiner Arbeit zusammentragen und konkrete Anforderungen an eine „gute“ Standardsetzung formulieren konnte. Die harte Arbeit hat sich also in jedweder Hinsicht gelohnt.
Über Baker McKenzie
Als eine der führenden deutschen Anwaltskanzleien berät Baker McKenzie nationale und internationale Unternehmen und Institutionen auf allen Gebieten des Wirtschaftsrechts. In Deutschland vertreten rund 200 Anwält:innen mit ausgewiesener fachlicher Expertise und internationaler Erfahrung die Interessen ihrer Mandant:innen an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München. Baker McKenzie ist regelmäßig auf den Karrieremessen von IQB und Myjobfair vertreten.
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