Der Eilantrag gegen das "Heizungsgesetz" (GEG) vor dem Bundesverfassungsgericht

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll die Energieeffizienz von Gebäuden verbessern. Es sollte im Schnelldurchlauf verabschiedet werden, wurde aber vor dem Bundesverfassungsgericht gekippt. Der Fall könnte im Jurastudium zum Examensklassiker werden.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor dem Bundesverfassungsgericht – ein potenzieller Examensklassiker

Es ist das bisher wohl am kontroversesten diskutierte Gesetz der bisherigen Legislaturperiode: Das als Heizungsgesetz bekannte Gebäudeenergiegesetz (GEG), das maßgeblich vom Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz entworfen wurde.

Es sollte noch vor der Sommerpause des Bundestages ins Parlament eingebracht und im Schnelldurchlauf beschlossen werden. Damit zeigte sich ein Parlamentarier nicht einverstanden und klagte erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 05. Juli 2023 – 2 BvE 4/23).

Der Fall bietet sich im Jurastudium als Teil einer Hausarbeit, einer Examensklausur oder im mündlichen Examen geradezu an und hat in jedem Fall schon jetzt das Potenzial zum Klassiker.

Der Sachverhalt

Bundestag berät über umstrittenes „Heizungsgesetz“

Am 19. April 2023 wurde vom Bundeskabinett beschlossen, den Entwurf zur Änderung des sog. Heizungsgesetz in den Bundestag einzubringen. Der Bundesfinanzminister stimmte unter der Prämisse zu, dass dies im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten wird und weitere Änderungen vorgenommen werden.

Am 17. Mai wurde der Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. Wer nur ein wenig die Medien verfolgt hat, hat mitbekommen, dass im Bundeskabinett und in der Ampelkoalition auch aufgrund des Gesetzes zu dieser Zeit erheblicher Streit herrschte. Um die Situation in der Koalition zu befrieden, wurden sog. „Leitplanken“ des Gesetzes veröffentlicht, die Grundlage der weiteren Beratungen sein sollten. Dies geschah am 13. Juni. Am 15. Juni kam es zur ersten Lesung im Bundestag, obwohl die Leitplanken laut der SPD-Regierungsfraktion als „Paradigmenwechsel“ angesehen wurden.

Gebäudeenergiegesetz: Änderungsantrag, zweite und dritte Lesung

Sechs Tage später fand die Sachverständigenanhörung im zuständigen Ausschuss unter Berücksichtigung der Leitplanken statt. Der Ausschuss beschloss, dass, sofern die Änderungen bis zum 30. Juni 2023 vorliegen würden, die zweite Anhörung im Ausschuss am 3. Juli stattfinden könne. Am 30. Juni wurde dem Ausschuss eine 94-seitige Synopse des Gesetzentwurfs und der Änderungsvorschläge sowie ein 14-seitiger Begründungsteil durch die Bundesregierung vorgelegt.

Bei der Anhörung am 3. Juli rügten die Sachverständigen, dass die Vorbereitungszeit viel zu kurz gewesen sei. Am 4. Juli wurde der Änderungsantrag für das Gesetz vorgelegt. Der Plan der Regierungsfraktionen war es, das Gesetz am 7. Juli zu verabschieden, nachdem kurz zuvor die zweite und dritte Lesung im Bundestag geplant waren.

Auch handwerklich „gute“ Gesetze können verfassungswidrig sein, genau wie „handwerklich schlechte“ verfassungsgemäß sein können.

Organstreitverfahren gegen Ampelkoalition

Mit diesem Tempo und den relativ kurzen Beratungsfristen war ein Abgeordneter der CDU-Bundestagsfraktion nicht einverstanden. In der Hauptsache leitete der Abgeordnete ein Organstreitverfahren ein, weil er durch das Gesetzgebungsverfahren seine Rechte als Abgeordneter des Deutschen Bundestags verletzt sah, insbesondere durch den „veralteten“ Gesetzesentwurf am 15. Juni und die Terminierung der zweiten und dritten Lesung im Bundestag. Er beantragte zugleich eine einstweilige Anordnung, die darauf abzielte

dem Deutschen Bundestag die zweite und dritte Lesung des vorgenannten Gesetzentwurfs vorläufig zu untersagen, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegangen sind.“

Die Entscheidungsgründe erläutert anhand möglicher relevanter Prüfungsfragen

Betrachtet man diesen Sachverhalt, bieten sich eine Vielzahl von Prüfungsfragen an. Hier nun die für eine Prüfung wichtigsten Punkte der Entscheidungsgründe, erläutert anhand einiger möglicher Fragen:

Einstweiliger Rechtsschutz

Als Erstes bietet sich die Prüfungsfrage an, welche Verfahren in Betracht kommen, insbesondere weil im Sachverhalt die Verfahrensart häufig nicht genannt wird. Auch wenn man das Organstreitverfahren nennt, wird aber i. d. R. sofort die Nachfrage erfolgen – „aber es soll ja schnell gehen?“ Ich selbst habe genau diese Situation in einer mündlichen Prüfung erlebt. Meine Sitznachbarin hat diese Frage bekommen und hat sie souverän mit der Nennung der einstweiligen Anordnung beantwortet. Ganz wichtig: Auf die Nachfrage nach der Norm sollte man nicht in Panik geraten.

Dies geschah beinahe bei meiner Prüfung, als der Prüfer nachfrage, wo man denn dazu etwas im Gesetz finde. § 32 BVerfGG ist die richtige Antwort – aber ich habe in noch keiner Prüfung erlebt, in der man nicht kurz im Gesetz blättern durfte, um die Norm zu finden. Meine leicht panisch blätternde Sitznachbarin wurde dann auch mit den Worten beruhigt: „Ich will die Norm von Ihnen nicht auswendig wissen, ich will nur sehen, dass Sie sich im Gesetz zurechtfinden können“.

Prüfungsschema und Zulässigkeit

In der Folge sollte man aber das Prüfungsschema richtig wiedergeben können. Dies findet man in allen Lehrbüchern oder Skripten. Man kann sich aber sicher sein, dass danach gefragt wird, wieso ein einzelner Abgeordneter tätig werden konnte? Antragsberechtigt im Rahmen des § 32 Abs.1 BVerfGG sind diejenigen, die in der Hauptsache antragsberechtigt sind.

Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung. Hier muss man wissen, dass Bundestagsabgeordnete nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG mit eigenen Rechten ausgestattet sind und daher antragsberechtigt sind. Dies gehört zwar zum Standardwissen, ist aber nicht belanglos. Gerade der souveräne Umgang diesem Standardwissen kann einen positiven ersten Eindruck erzeugen – sowohl im mündlichen, als auch im schriftlichen Examen.

Keine Vorwegnahme der Hauptsache

Es ist zu beachten, dass die Hauptsache vorweg genommen werden darf. So leitet das BVerfG auch ein: „Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden (…), denn sie soll lediglich einen Zustand vorläufig regeln, nicht aber die Hauptsache präjudizieren.“

Nun könnte man meinen, dass der Antragssteller in diesem Fall hätte scheitern müssen, da es den Anschein hat, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt sei. An dieser Stelle werden allerdings die Anträge wichtig:

  • Der Eilantrag zielt auf die vorläufige Sicherung der geltend gemachten Mitwirkungsrechte beim Gesetzgebungsprozess. In diesem Zusammenhang soll die begehrte Regelungsanordnung mit dem Ziel der Anordnung einer angemessenen Vorbereitungszeit erfolgen.
  • In der Hauptsache zielt der Antrag, darauf, dass die gewählte Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere die Einbringung eines veralteten Gesetzentwurfs sowie die Terminierung der zweiten und dritten Lesung der Novelle, die verfassungsrechtlichen Anforderungen der sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden organschaftlichen Rechte nicht wahrte.

Dies sind zwei unterschiedliche Anträge und Ziele und das ist in der Prüfung wichtig. Nur durch eine vorläufige Regelung kann ein (möglicher) verfassungswidriger Zustand verhindert werden, wohingegen in der Hauptsache nur eine Feststellung der Verletzung der Rechte erfolgen kann.

Beschleunigung des Verfahrens – ein Verstoß gegen Abgeordnetenrechte?

Nun kann man fragen, ob die zweite und dritte Lesung notwendig sind. Für die Prüfung sicherlich eine spannende Frage. Eine Notwendigkeit der zweiten und dritten Lesung ist verfassungsrechtlich nicht gegeben. Allerdings sieht Art. 42 GG vor, dass die Abgeordneten nicht nur abstimmen, sondern auch verhandeln. Zu einer Verhandlung gehört aber auch die hinreichende Information.

Nur dann können Abgeordnete sich vollumfänglich in die jeweilige Debatte und damit den Gesetzgebungsprozess einbringen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob eine Änderung am Gesetz erzielt werden kann oder ausgeschlossen ist, da sich die Regierungsfraktionen einig sind. Das Grundgesetz (GG) kennt keinen Fraktionszwang.

Ob es zu einer Verletzung der Abgeordnetenrechte gekommen ist, kann aber nur im Einzelfall entschieden werden. Generelle Fristenregelungen kennt das Gesetz nicht.

Ob es zu einer Verletzung der Abgeordnetenrechte gekommen ist, kann aber nur im Einzelfall entschieden werden. Generelle Fristenregelungen kennt das Gesetz nicht. Das BVerfG hat daher auch in diesem Fall abgewogen und zugunsten des Abgeordneten entschieden. Damit konnte die zweite und dritte Lesung nicht in der dafür vorgesehenen, kurzen Zeitspanne erfolgen. Die Punkte die hierfür sprachen waren:

  • Die Aktennotiz des Bundesfinanzministers, die ausführliche Beratungen im Bundestag vorsah. Dies sprach dafür, dass dem Bundestag hinreichend und ausführlich Zeit für Beratungen gegeben werden sollte.
  • Die Darstellung eines Paradigmenwechsels durch die Leitplanken und die späte Einbringung der Änderungen. Die Leitplanken waren zwar vorher bekannt, Leitplanken sind Formulierungshilfen der Ministerien und gerade nicht mit Änderungsanträgen gleichzusetzen.
  • Die Rüge der Sachverständigen, dass für die Vorbereitung des Ausschusses nicht genug Zeit gewesen sei.
  • Achtung: Auf die Fristen der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) kommt es nicht – hier kann man auch erwähnen, dass die GOBT nur eine Satzung darstellt und daher im Rang unter dem GG steht.
  • Es bestand kein Grund für die Verdichtung des Verfahrens, da das Gesetz erst zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll.
  • Der Hinweis des Antragsgegners, der Bundesrat könne dann erst nach der Sommerpause tätig werden übersieht, dass Art. 52 Abs. 2 GG die Einberufung auch im vorliegenden Verfahren erlauben würde.
  • Es wurde weiter angeführt, dass die Koalition Handlungsfähigkeit zeigen müsse und die Verabschiedung für diesen Nachweis der Handlungsfähigkeit notwendig sei. Dies wird vom BVerfG nicht mal inhaltlich erläutert, sondern gleich in einem Satz verworfen. Hier bleibt festzuhalten: Die „Handlungsfähigkeit“ einer Koalition ist kein verfassungsrechtlich geschütztes Gut.
  •  Auch, dass „bei einer entsprechenden Verzögerung der Verabschiedung des Gesetzes die von seinen Auswirkungen Betroffenen nicht in der Lage seien, sich in ihrem Verhalten auf dessen Inkrafttreten einzustellen“, wird vom BVerfG kommentarlos abgelehnt. Dies erscheint auch zutreffend, da dass Gesetz erst zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt

Achtung: Ganz wichtig ist es insbesondere darzustellen, dass ein Verstoß gegen die Abgeordnetenrechte dennoch nicht vorliegen muss. Das BVerfG hat in diesem ersten Schritt zunächst nur festgestellt, dass ein Erfolg in der Hauptsache aufgrund der genannten Punkte nicht ausgeschlossen ist. Das bedeutet aber nicht, dass der Antrag in der Hauptsache zwangsweise erfolgreich wäre.

Es ist nur so, dass aktuell der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Sodann erfolgt in der Prüfung die Abwägung, wie sich die Folgen bei einer Ablehnung des Antrags und einem Stattgeben darstellen würden.

Die Abwägung – Irreversible, substantielle Verletzung des Rechts aus Art. 38 Abs. 2 GG?

Das BVerG führt in seiner Abwägung aus:

„Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte der Antrag in der Hauptsache (jedenfalls) hinsichtlich des geltend gemachten Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe des Antragstellers an der parlamentarischen Willensbildung Erfolg, käme es zu einer irreversiblen, substantiellen Verletzung [des Abgeordnetenrechts].“

Der Antragsteller wäre also in seinem Recht verletzt, wohingegen die Folgen bei einer einstweiligen Anordnung auch aufgrund des zeitlichen Rahmens deutlich überschaubarer wären. Diese Folgen müssen in einer Prüfung erläutert und dargestellt werden.

Daher wurde dem Antrag im Ergebnis im Rahmen der Abwägung stattgegeben. Nochmal: Dies bedeutet nicht, dass ein Verstoß vorliegt – die Folgen wären nur gravierender, wenn eine Verletzung der Abgeordnetenrechte festgestellt werden würde. Der Antragssteller hätte nämlich nur die Genugtuung Recht zu haben. Das Gesetz wäre aber verabschiedet.

Was bedeutet dies für den Inhalt des Gesetzes?

Die nächste Frage wäre nun, was diese Entscheidung für den Inhalt des Gesetzes bedeutet. Platt gesagt: Gar nichts. Über den Inhalt des Gesetzes hat das BVerfG kein Wort verloren. Daher waren Meldungen, wie „Heizungsgesetz gescheitert“ oder „Heizungsgesetz verfassungswidrig“ zumindest irreführend, wenn nicht falsch. Der Inhalt des Gesetzes ist nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Ob das BVerfG mit dem Gesetz nochmal konfrontiert wird oder nicht, steht nicht fest. Erst dann können inhaltliche Aussagen zum Gesetz erfolgen. Und auch hier gilt: Das BVerfG überprüft nur, ob das Gesetz mit dem GG vereinbar ist – nicht, ob das Gesetz „gut oder schlecht“ ist. Auch handwerklich „gute“ Gesetze können verfassungswidrig sein, genau wie „handwerklich schlechte“ verfassungsgemäß sein können.

Wichtig: Im Rahmen des Organstreitverfahrens wird ein Gesetz nicht nichtig oder mit dem GG vereinbar erklärt! Es wird nur geklärt, ob eine Verletzung von Rechten eines oder mehrere Antragssteller vorlag. Um die Nichtigkeit des Gesetzes geht es gerade nicht.

Dies kann vom BVerfG nur in den jeweiligen Verfahren wie z.B. der abstrakten Normenkontrolle festgestellt werden.

Weitergehende Prüfungsfragen

Ausgehend von dieser Prämisse, sind natürlich weitere Fragen gerade im mündlichen Examen denkbar. Was ist z.B. bei besonders eilbedürftigen Gesetzen, die in einer Notlage schnelle Entscheidungen erfordern? Hier muss man ganz klar darstellen, dass vorliegend eine Einzelfallentscheidung gegeben ist. Bei eiligen Aufgaben können Beratungsfristen daher kürzer sein. Dennoch: Aufgehoben ist die Hoheit des Parlaments an dieser Stelle natürlich auch nicht. Dies zeigte sich auch z.B. während der Corona-Pandemie, als im Rahmen der Verordnungen dem Gesetzgeber auch Grenzen durch das BVerfG gesetzt wurden.

Fazit

Man sollte die Entscheidung einmal gelesen und durchdacht haben – dann klappt es auch in der Prüfung. Für die nächsten zwei bis drei Examenskampagnen halte ich den Fall für hochaktuell und spannend – insbesondere, da in den Medien vieles verkürzt bzw. nur einige Schlagworte der Entscheidung, nicht aber die Details wiedergegeben wurden. Wer an dieser Stelle das Wissen hat, kann ordentlich punkten. Ich wünsche viel Erfolg!

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.