Referendariat Jura: Wann und wo? Und wie sinnvoll ist eine parallele Promotion?

Wann sollte man das Referendariat in Jura machen? Was ist bei der Ortswahl zu beachten? Und kann man parallel die Promotion schaffen? Unser Autor hat Tipps.

Das erste Examen ist geschafft und nach dem (wohlverdienten) Feiern stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Die meisten Studierenden entscheiden sich wohl für ein Referendariat. Das wirft wiederum eine Vielzahl an Fragen auf, für die es nicht immer gleich Antworten gibt. Im Folgenden teile ich meine Erfahrungen, um euch den Einstieg in den Vorbereitungsdienst zu erleichtern, und verrate, wie sich das Referendariat am besten mit weiteren Studienabschlüssen wie Master und Promotion vereinbaren lässt.

Wann ist der optimale Zeitpunkt für den Einstieg?

Wann ist der optimale Zeitpunkt für den Einstieg ins Referendariat? Sollte man sich erst vorher ein halbes Jahr auf das zweite Examen vorbereiten? Soll man vor dem Referendariat promovieren oder erst danach? Und wann ist ein Master sinnvoll? Um es gleich vorwegzunehmen – eine allgemeingültige Antwort auf diese Fragen gibt es leider nicht. Aber mit ein paar Tipps kann sich jeder individuell die Entscheidung ein wenig leichter machen. 

Die meisten Studierenden entscheiden sich nach dem Examen für ein Referendariat.

Was mich persönlich betrifft, so bin ich nach dem zweiten Examen direkt in den Master eingestiegen. Nach dem Master habe ich ein halbes Jahr gearbeitet und habe parallel das Thema und Konzept meiner Doktorarbeit entworfen. Ins Referendariat bin ich circa 3 ¾ Jahre nach dem ersten Examen gegangen.

Jura-Referendariat: Sofort nach dem ersten Examen oder besser später?

Selbstverständlich kann man sich bereits unmittelbar nach dem ersten Examen schon gezielt auf das zweite Examen vorbereiten. Allerdings finde ich es nicht sinnvoll, den Start des Referendariats deshalb beispielsweise um ein halbes Jahr nach hinten zu verschieben. Denn das Handwerkszeug und den Umgang mit dem praktischen Fall lernt man meiner Meinung nach am besten im Referendariat. Sollte man allerdings auf den Referendariatsplatz warten müssen, spricht natürlich nichts dagegen, sich schon einmal theoretisch vorzubereiten. Aber hier gilt, wie in einem anderen Blogbeitrag auf dieser Seite beschrieben – nichts überstürzen, sonst lernt man noch das Falsche!

Master geplant? Warum es sinnvoll sein kann, diesen vor dem Referendariat zu machen

Ich selbst habe nach dem Examen sofort mit dem Master of Comparative Law der Universitäten Mannheim und Adelaide begonnen. Für mich persönlich war das die richtige Entscheidung. Warum? Man bleibt einerseits im juristischen Denken, erlebt aber andererseits auch eine neue Perspektive. Zudem kann man im Ausland seine Sprachkenntnisse vertiefen und lernt eine neue Kultur kennen. Für mich war das nach den harten Monaten der Examensvorbereitung ideal. Ich kenne viele Juristen, die dies genauso sehen. Denn nach dem zweiten Examen überwiegt häufig die Lust auf die Arbeitswelt und der Master wird dann trotz entsprechender vorheriger Planung doch nicht absolviert.

Natürlich kenne ich auch Juristen, die den Master erst nach dem zweiten Examen absolviert haben und für die dieser Weg richtig war. Dennoch halte ich persönlich den Zeitpunkt zwischen erstem Examen und Referendariat aus den genannten Gründen für ideal.

Wie sich das Jura-Referendariat und eine Promotion vereinbaren lassen 

Bei mir folgte die Promotion direkt nach dem Master, sodass ich das Manuskript meiner Arbeit vor dem Start ins Referendariat abgeben konnte. Ich habe während der Promotion in einer Kanzlei gearbeitet und an der Universität Heidelberg Arbeitsgemeinschaften geleitet, um mir diese zu finanzieren. Gleichzeitig hatten diese Nebentätigkeiten den Effekt, dass ich im materiellen Recht immer noch „drin“ war, obwohl das erste Examen schon längere Zeit zurücklag. Für mich war dies die richtige Entscheidung. Mir war bewusst, dass ich nach dem zweiten Examen nicht mehr in der Ausbildung, sondern Vollzeit als Anwalt tätig sein wollte. 

Ich vermute, dies wird für die meisten angehenden Juristen der richtige Weg sein. Die Vorfreude darauf, endlich richtig arbeiten und Geld verdienen zu können ist nach dem zweiten Examen schließlich bei vielen sehr groß und das Interesse an einer Promotion im allgemeinen doch eher gering. Eine Promotion ist noch einmal ein ganz anderes, umfangreicheres Projekt als ein Master.

Für die Recherche sitzt man doch wieder vermehrt in der „Bib“, obwohl man diesen Lebensabschnitt nach dem Lernen für die beiden Examina doch eigentlich hinter sich lassen wollte. Im Master findet man sich zwar auch häufig in der „Bib“ wieder z.B. um die Masterarbeit zu schreiben, man ist aber gleichzeitig in einem komplett neuen Umfeld und nimmt noch zusätzlich eine neue Kultur mit. Ein weiterer Unterschied im Vergleich zur Promotion: Der Master hat von Beginn an einen festen Zeitrahmen.

Alternativen zum Referendariat

Ich persönlich kenne einige Leute, die nach dem ersten Examen einen MBA gemacht haben und dann in die Unternehmensberatung oder in ein Unternehmen oder eine Bank gegangen sind. Wer mit Jura aufhören will, hat also auch diese Optionen. Dass sei aber nur am Rande erwähnt.

Wann ins Referendariat einsteigen? Eine individuelle Entscheidung 

Last but not least sollte man nicht vergessen, dass auch der direkte Einstieg ins Referendariat möglich ist. Der Vorteil hierbei ist, dass man noch vom ersten Examen „fit“ ist und mit dem gesamten Wissen in das Referendariat geht. Außerdem ist man schneller in der Arbeitswelt, ein nicht zu unterschätzender Reiz. Der Nachteil ist natürlich, dass man gleich wieder das Gefühl hat, in der Examenstretmühle zu sein.

Den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg ins Referendariat kann leider niemand nennen. Es ist sehr stark von den eigenen Umständen geprägt, aber man sollte die oben genannten Punkte in seiner Abwägung beachten und dann für sich die Entscheidung treffen. Alle Wege haben ihr Für und Wider und die Entscheidung für den richtigen Zeitpunkt, das Referendariat zu starten, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Pläne man hat.

Wo sollte man das Referendariat absolvieren?

Die nächste Frage, die sich stellt, ist: Wo sollte man sein Referendariat in Jura absolvieren? Bleibt man, wo man ist, sucht man sich eine neue Herausforderung oder kehrt man in die Heimat zurück? Welches Bundesland passt am besten zu einem? Ich habe zwar in Heidelberg, Baden-Württemberg, studiert, bin aber für das Referendariat an das LG Darmstadt nach Hessen gegangen. Meine Beweggründe waren der dortige Aufbau des Referendariats mit der einheitlichen Anwaltsstation, die Möglichkeit während der Verwaltungsstation ins Ausland gehen zu können und mein Nebenjob in Frankfurt am Main.

Aufbau und Inhalte sind in den Bundesländern unterschiedlich

Der Aufbau des Referendariats weist in den einzelnen Bundesländern deutliche Unterschiede auf. In Baden-Württemberg hat man zum Beispiel zwei Anwaltsstationen, in Hessen hingegen eine große. Das hessische System hat mir zumindest von außen betrachtet besser gefallen, als das in Baden-Württemberg, am Ende ist dies aber auch eine persönliche Präferenz. Man sollte sich im Klaren sein, wie der grundsätzliche Aufbau des Referendariats ist und wie man vielleicht auch seine Vorlieben oder Vorstellungen erfüllt sehen kann. Insbesondere die Möglichkeit von Auslandsstationen sollte man im Blick haben, wenn man eine oder mehrere Stationen im Ausland absolvieren möchte.

Ebenfalls unterscheidet sich der Stoffplan. Meines Wissens spielt das FamFG in Rheinland-Pfalz zum Beispiel keine Rolle, allerdings kann es in Hessen drankommen. Die Betonung liegt dabei auf „kann“. Im Zweifel werden maximal die Basics abgefragt. Mehr kann das Prüfungsamt nicht verlangen. Für mich selbst spielte der Stoffplan keine Rolle. Natürlich ist zu beachten, dass wenn plötzlich das zuvor noch nie gesehene Steuerrecht auf dem Plan steht, man ganz anders an das Referendariat herangehen muss, aber man kann sich darauf vorbereiten. Dennoch können große Gebiete abschrecken und man sollte sich im Klaren sein, ob man ein neues Rechtsgebiet lernen will. Unterschiede in Randgebieten sollten aber nicht ausschlaggebend für die Wahl des Ortes für das Referendariat sein.

Wechsel des Bundeslandes bringt neues Verwaltungsrecht mit sich

Ein Punkt, über den man sich ganz klar sein muss, ist, dass man beim Wechsel des Bundeslandes mit einem „neuen“ Verwaltungsrecht konfrontiert ist. Zwar sind die Probleme meist die gleichen, aber an anderen Normen festgemacht. Man denke nur an die polizeiliche Generalklausel, die in Baden-Württemberg in §§ 1, 3 PolG verankert ist, in Hessen aber in § 11 HSOG. Man kann dies lernen und es ist auch ein zu bewältigendes Hindernis.

Der Aufbau einer gerichtlichen Entscheidung ist auch in der Struktur weitestgehend gleich und muss für das Referendariat sowieso erstmal erlernt werden. Wer aber glücklich an seinem Studienort ist, keinen ungewöhnlichen Auslandsaufenthalt plant und kein neues Recht lernen will, sollte diesen Punkt zur weiteren Erleichterung der Entscheidung durchaus berücksichtigen. Dennoch kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Das „Umlernen“ geht leichter als gedacht.

Wahl des Ortes kann Auswirkung auf den Schwerpunkt im zweiten Staatsexamen haben 

Der Schwerpunkt im ersten Examen kann schnell gewählt sein. Sei es aus Interesse, sei es weil der Dozent so toll ist. Im zweiten Examen ist dies nicht mehr so einfach. Manche Bundesländer lassen einem die Wahl des Schwerpunktes, andere wie z.B. Hessen machen es von der Wahlstation abhängig. Die Wahlstation ermöglicht es jedoch, seinen Interessen nachzugehen und dadurch den richtigen Schwerpunkt zu finden.

Vor allem sollte man den Schwerpunkt nicht nach dem möglichst „einfachsten“ Fach wählen, sondern nach den persönlichen Vorlieben, genau wie die Wahlstation. Wenn man etwas gerne macht, ist man automatisch besser! Wer z.B. das Strafrecht nicht mag, wird trotz vermeintlich einfacherem Fach nicht besser sein. Daher sollte man auch im Rahmen des Schwerpunktes im zweiten Examen, der in der Regel den Aktenvortrag betrifft, nach Interesse gehen und danach seinen Referendariatsort wählen.

Auslandserfahrung im Referendariat erwünscht? Chancen sind nicht überall gleich gut

Es gibt noch einen weiteren Grund, aus dem ich mich für ein Referendariat in Hessen entschieden habe: Dort war es in vielen Punkten leichter, ins Ausland zu gehe, als es von Baden-Württemberg aus gewesen wäre. Denn Hessen ist in der Verwaltungsstation deutlich flexibler als Baden-Württemberg. Wer also gerne im Referendariat Auslandserfahrung sammeln möchte, sollte sich im Vorfeld über die Möglichkeiten erkundigen – dies ist dann ein weiteres wichtiges Kriterium für die Wahl!

Von der Stadt in die Provinz  oder vom Süden in den Norden oder von West nach Ost oder jeweils umgekehrt – etwas Neues kennen zu lernen, ist immer eine tolle Erfahrung. Wer Fernweh hat, sollte auf sein Gefühl hören und diesen Weg gehen. Nichts bereut man später mehr als sagen zu müssen „Ich hätte gerne, habe aber nie…“.

Lebenshaltungskosten vor Ort berücksichtigen

Ohne Moos, nichts los. Jeder kennt dieses Sprichwort. Leider gibt es im Referendariat nirgends Moos. In Hamburg, Frankfurt und München sind die Lebenshaltungskosten besonders hoch, woanders sieht es auch nicht viel besser aus. Die Unterhaltsbeihilfe ist überall sehr gering und zum Leben praktisch nicht ausreichend. Man kann in jedem Bundesland hinzuverdienen, wobei die Grenzen sehr unterschiedlich sind. Wer darauf angewiesen ist, sollte sich hier genau erkundigen!

Ein Referendariat überschattet von Existenzangst bringt einem nichts! Dann mag es vielleicht nicht München werden, sondern eine schöne Alternative. Natürlich beißt sich dies ein wenig mit der obigen Aussage, seinem Fernweh nachzugeben. Doch wenn es der Geldbeutel im Referendariat nicht zulässt, kann man die Arbeitserfahrung am Wunschort vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. 

Juristisches Handwerk zählt

Wie sieht das perfekte Referendariat aus? Den einen richtigen Weg gibt es leider nicht. Man kann spät oder gleich einsteigen, in der Heimat bleiben oder in die Ferne ziehen. Jeder hat einen individuellen Lebenslauf und muss für sich den richtigen Weg finden. Die obigen Überlegungen können jedoch eine Hilfestellung sein. Wichtig ist: Die beruflichen Chancen hängen nicht davon ab, ob man sein Referendariat in München, Tokio und New York absolviert hat, sondern eher davon, ob man das juristische Handwerk beherrscht. Deswegen: Nehmt die genannten Punkte als Orientierung und überlegt, welcher Weg zu euch passt!

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.