Insights rund um das Referendariat – meine Tipps als Referendarbeauftragter

Unser Autor gibt Tipps rund um das Referendariat im juristischen Vorbereitungsdienst, inklusive Praxiserfahrungen und Vorbereitung auf das Zweite Examen.

Insights und Tipps für das Referendariat im juristischen Vorbereitungsdienst

„Nach dem Examen ist vor dem Examen“ – solche Sprüche bekommt man oft zu hören, wenn das Erste Examen endlich gemeistert ist und der juristische Vorbereitungsdienst beginnt. Der Spruch mag zwar in der Theorie richtig sein, die Zeit bis zum Zweiten Staatsexamen ist jedoch eine völlig andere als die vor dem Ersten Staatsexamen.

Praxiseindrücke statt Lernplan

Statt einem festen Lernplan und dem mitunter eher monotonem Selbststudium bringen die Monate im Referendariat viele Praxiseindrücke mit sich. Darauf kannst Du dich wirklich freuen, kommt dieser Aspekt meiner Meinung nach doch im Studium eher zu kurz. Zwar hat man auch im Referendariat die Arbeitsgemeinschaften, welche mit Theorieblöcken Stoff vermitteln. Diese sind jedoch von Praktikern geleitet, und das merkt man.

In kleineren Kursen, die ein wenig an die Schulzeit erinnern, werden die nunmehr deutlich relevanteren Prozessordnungen sowie Gerichtsbarkeiten wiederholt und vertieft. Das alles wird von Anfang durch einen deutlich stärkeren Bezug zur gelebten Rechtswissenschaft erklärt und anhand lebhafter Beispiele aus der Praxis gefüttert. Denn die Ausbilder:innen – meist durch die Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Ämter abgeordnet – spicken die Veranstaltungen mit einem Best-of ihrer bisherigen Erlebnisse, was das ganze wirklich sehr anschaulich und unterhaltsam gestaltet.

Einblicke in meine Zivilstation: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand

Ein Verhandlungstag hier, ein Urteil schreiben da und schon durfte ich eine eigene Verhandlung vor Gericht leiten. In meinem Fall war dies ein baurechtlicher Streit um einen Baumangel an einem Neubau, den ich in Ruhe vorbereiten konnte und mit meinem Ausbilder im Vorfeld durchsprechen durfte. So vorbereitet ging ich zwar zunächst mit breiten Schultern und Robe in den Sitzungssaal, war dennoch schnell überrumpelt, als mein Ausbilder nicht mit mir nach vorne ging, sondern sich nach hinten zu den Zuschauern setzte und mir kurz zuflüsterte „Du schaffst das!“

Ein Verhandlungstag hier, ein Urteil schreiben da und schon
durfte ich eine eigene Verhandlung vor Gericht leiten.

„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, das fühlte sich in diesem Moment wirklich so für
mich an. Auf solche ungewohnten Situationen muss man sich im Referendariat ebenso einstellen, wie dass
dann eine Partei zunächst nicht erschienen ist, und ich schon dachte, ich darf nun gar nicht verhandeln. Aber auch das löste sich nach 15 Minuten und ich konnte dieses Verfahren zügig durch die obligatorische Güteverhandlung bis zu einem Punkt führen, an dem die Beteiligten sich auf einen Prozessvergleich einigen konnten.

Diesen formulierte ich dann in einer Unterbrechung mit meinem Ausbilder aus und er verkündete diesen,
diesmal wieder mit mir vorne am Richterpult. Eine wahnsinnig bereichernde Erfahrung. An diesem Tag bin
ich sehr stolz eingeschlafen.

Einblicke in meine Anwaltsstation: Wie M&A in mein Leben kam – und blieb

In der Strafstation brachten die Sitzungsdienste bei der Staatsanwaltschaft weitere eigenverantwortliche Gerichtserfahrung in mein Leben und machten die am Anfang noch sehr ungewohnte schwarze Robe zum steten Begleiter. Diese endete mit der traditionellen AG-Fahrt, bei der man Sonderurlaub bekommt und mit seiner AG meist eine großartige Stadt unsicher macht, in unserem Fall Lissabon.

Ehe man sich jedoch versieht, ist da dann schon die Anwaltsstation. Sich hierfür eine geeignete Ausbildungsstelle zu suchen, ist mehr als nur zu empfehlen. Die meisten Jurist:innen wählen auch heute noch den klassischen Beruf des Anwalts. Daher wird diese Station viele von euch stärker beeinflussen als der Rest des Referendariats.

Ich konnte während der Anwaltsstation ein erstklassiges Team kennenlernen, das mir die Praxis im Bereich „Mergers and Acquisitions“ (M&A) sehr gut näher brachte.

Nicht umsonst nimmt diese je nach Bundesland 8-10 Monate und damit einen Großteil der Referendarzeit ein. Die Möglichkeiten, wo man diese absolviert, sind sehr groß und es gilt zusätzlich, die richtige Balance zwischen Arbeit und Vorbereitung auf das Zweite Examen zu finden. Ich konnte während der Anwaltsstation ein erstklassiges Team kennenlernen, das mir die Praxis im Bereich „Mergers and Acquisitions“ (M&A) sehr gut näher brachte.

Ich hatte zwar schon vieles über dieses Fachgebiet gehört, jedoch noch keine eigenen Erfahrungen gesammelt. Daher wollte ich mir selbst einen Einblick verschaffen. Ein Vorgehen, das ich generell empfehlen kann. Denn kaum einer schafft es, in der schier unermesslich großen Masse an beruflichen Möglichkeiten nach dem Zweiten Examen eine direkte Entscheidung zu treffen.

Das liegt auch an der verständlichen Fokussierung auf die zunächst natürlich sehr wichtigen Examina. Jedoch kann ich aus meiner eigenen Erfahrung berichten, dass die „Studiums-Blase“ nach dem Ersten Examen sehr schnell aufhört, einen zu behüten und diese Entscheidung in Siebenmeilenstiefeln näher rückt. Daher ist es sehr zu empfehlen, über das Ausschlussverfahren (ein wenig „trial and error“) ein eigenes Profil zu entwickeln. Das Referendariat bietet dafür viele Gelegenheiten, die es zu nutzen gilt.

„Mergers and Acquisitions“ in der Praxis

Die Arbeitspraxis im Fachbereich M&A ist enorm vielfältig, führt sie doch nahezu alle Rechtsbereiche in dieser Materie zusammen. Denn je nach Mandat und Transaktion, sind auch andere Themen im Fokus. Neben dem Gesellschaftsrecht, das stets eine zentrale Rolle spielt, bekommt man auch tiefe Einblicke in das Steuer-, Finanzierungs-, Kartell- und allgemeine Zivil- sowie Handelsrecht.

Man wächst viel schneller in diese anfänglich noch sehr neue Welt der Praxis hinein, als man zunächst glauben mag.

Konnte man während des Studiums erlernen, bekannte rechtliche Strukturen auf fremde Sachverhalte anzuwenden, durfte ich diese Fähigkeiten dann „on the Job“ ausbauen und vertiefen. So konnte ich mithilfe meiner Mentorin bei dem Erwerb einer Vorratsgesellschaft mitwirken, was das Aufsetzen des Kaufvertrags, der Notariats- und Handelsregisterdokumente sowie der wirtschaftlichen Neugründung beinhaltete.

Die Themen Interessenkonflikte, Verschwiegenheitspflichten und Haftung entwickelten sich zu inhaltsvollen Begriffen für mich, die plötzlich mehr als nur juristische Schlagwörter waren und das Wort Mandant fand Einzug in meinen Sprachgebrauch. Ein „Red Flag Check“ von Verträgen im Kontext eines Verkaufs eines Unternehmensteils begeisterte mich, während ich dabei insbesondere lernte, dass während des Studiums einen die Abtretung gemäß §§ 398 ff. BGB beschäftigt, die Praxis indes eine Ebene höher beim Thema „Change of Control“ besonders hellhörig wird.

Die Anwaltsstation – eine intensive Erfahrung

Wie Du sehen kannst, war die Anwaltsstation eine sehr intensive und prägende Zeit in meiner Ausbildung, die auch meine Berufswahl wesentlich beeinflusst hat. Denn heute bin ich Teil dieses M&A Teams und sehr glücklich darüber.

Ich empfehle sehr, Dir bereits im Vorfeld des Referendariats in Ruhe eine geeignete Ausbildungsstelle für die Anwaltsstation zu suchen, um nicht während des Referendariats in Stress zu geraten oder die gewünschte Stelle schon anderweitig besetzt zu sehen. Ich hatte das Glück, meine Anwaltsstation über ein Recruiting Event bereits vor dem Referendariat gefunden zu haben, obwohl diese noch über ein Jahr entfernt war. Sei mutig und bewirb Dich frühzeitig!

Referendarbeauftragter bei Shearman: Lernen ist nicht alles, schreib Klausuren und tauch in die Praxis ein!

Richtung Ende des Referendariats kommen dann nach der Verwaltungsstation die Klausuren, auf die es sich ordentlich vorzubereiten gilt und die Wahlstation, welche ich im Ausland absolviert habe.

Bei den Klausuren empfehle ich Dir, möglichst früh im Studium anzufangen, möglichst viele zu schreiben. Denn nur die Klausurpraxis kann Dir tatsächlich zeigen, ob man mit den erlernten juristischen Handwerkszeugen die regelmäßig vorgelegten fremden Sachverhalte einer sauberen Lösung zuführen kann. Viel Schreiben schult die Technik und so schaffst du es, Dein Wissen auf Papier zu bringen.

Viel Schreiben schult die Technik und so schaffst du es, dein Wissen auf Papier zu bringen.

Im Zweiten Examen liegt der Fokus zwar auf praxisgerechten Formalien und einem größeren prozessualen Aufhänger. Es gilt jedoch auch hier: Am Ende zählt nur das, was auf dem Papier steht. Also schreibe möglichst viele Probeklausuren! Solltest Du bereits zu den Jahrgängen gehören, die das elektronische Examen schreiben, gebe ich nochmals einen etwas anderen Tipp: Absolviere möglichst früh einen „10 Finger System“ Schreibkurs, um das Tastaturtippen früh zu verinnerlichen – das lohnt sich für die Klausuren, aber auch Hausarbeiten und natürlich das spätere Berufsleben! Und damit meisterst Du die Klausuren dann sicherlich sehr gut!

Wahlstation im Ausland ist empfehlenswert

Eine Wahlstation im Ausland ist sehr zu empfehlen und eine schöne Belohnung nach den Klausuren, wenn man die Anwaltsstation in einer Großkanzlei absolviert. Mein Weg führte mich nach der mündlichen Prüfung zurück zu meinem geschätzten Team aus der Anwaltsstation im Referendariat. Ich bin nun Rechtsanwalt bei Shearman im Fachbereich M&A. Hierhin haben mich viele kleine Entscheidungen geführt, die ich so in der Summe nie auf einmal hätte treffen können. Am Ende kann man sich seinen Werdegang meist verplausibilisieren, aber um ehrlich zu sein, traue Dich, mutig zu sein und viele Fachbereiche und Teams sowie Ausbildungsstellen anzuschauen, dann wird Dich sicher auch bald Dein Weg in den richtigen Beruf führen.

Schnell bin ich zudem in die Rolle des Referendarbeauftragten hineingewachsen. Eine Verantwortung, die meinen Berufsalltag sehr bereichert.

Schnell bin ich zudem in die Rolle des Referendarbeauftragten hineingewachsen. Eine Verantwortung, die meinen Berufsalltag sehr bereichert. Die jungen Talente profitieren sehr davon, wenn ein enger Bezug zu denjenigen besteht, die selbst vor kurzem noch dieselben Themen beschäftigt haben.

Neben einer engen Anknüpfung an die jeweiligen Mentoren und Partner des Fachbereichs, bieten wir ein abwechslungsreiches Programm. Dies umfasst fachliche Weiterbildungsmöglichkeiten sowie interdisziplinären Austausch.

Zudem finden regelmäßige Events wie der Referendarstammtisch statt und unsere Referendare nehmen auch am abwechslungsreichen Praktikantenprogramm teil, welches einmal im Jahr im Frühjahr eine sehr spannende Erfahrung bietet. Ohne mich wiederholen zu wollen, aber es ist ein sehr ernst gemeinter Tipp: Bewirb Dich früh für diese spannenden Stationen, wir bei Shearman freuen uns sehr auf Dich!

Tobias Lämmle
Autor
Tobias Lämmle

Tobias Lämmle ist Associate und Rechtsanwalt M&A am Standort München.