BGH: "Kleiner Höcke" Jens Maier darf nicht mehr Recht sprechen – ein Sieg für Rechtsstaat und Demokratie

Nach einer Serie von extremistischen Aussagen bestätigen Gerichte die Versetzung des ehemaligen AfD-Abgeordneten Jens Maier in den richterlichen Ruhestand. Dr. Michael Hördt beleuchtet die Urteile.

Kontroverse um Jens Maier: BGH bestätigt Entscheidung des Dienstgerichts Leipzig

„Kleiner Höcke“ Jens Maier darf nicht mehr Recht sprechen

Folgendes Zitat vom ehemaligen Bundestagsmitglied Jens Maier fand sich bei Twitter (nunmehr „X“): „Wenn Angeklagte ´AfD-Richter` fürchten, haben wir alles richtig gemacht. #AfD“.“

Diese den Rechtsstaat ablehnende Bemerkung wurde neben weiteren extremistischen Aussagen, die Maier außerparlamentarisch getätigt hatte, zum Verhängnis. Sie sorgten dafür, dass er in den Ruhestand versetzt wurde. Das ist die höchstmögliche Sanktion, die gegenüber einem Richter verhängt werden kann. Richter können nicht entlassen werden und daher kann eine weitere Tätigkeit nur über die Versetzung in den Ruhestand verhindert werden. Diese Entscheidung des Dienstgerichts in Leipzig wurden nunmehr vom BGH bestätigt und Jens Maier wird (aus Sicht des Autors zum Glück) nie wieder Recht sprechen. Doch wollen wir von vorne beginnen: Was ist überhaupt passiert und wer ist Jens Maier?

Die Hintergründe des Falles

Die politische Entwicklung von Jens Maier: Von der SPD zum rechtsextremen ‚Flügel‘ der AfD

Jens Maier trat am 1. April 1992 in den Justizdienst in Sachsen ein und wurde mit Wirkung vom 1. April 1995 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt berufen. Politisch war er bereits in den 1980ern aktiv, damals noch in der SPD. 2013 trat er in die AfD ein. Wie, wo oder aus welchen Gründen sich dieser Bruch der politischen Überzeugung ereignete, ist aus den öffentlichen Quellen nicht ersichtlich.

Was allerdings nachzuverfolgen ist, ist dass er sich in der AfD immer mehr radikalisierte und immer häufiger durch extreme und m.E. menschenverachtende Aussagen auffiel. Er äußerte u.a. Verständnis für den rechtsextremen Massenmörder Breivik und lobte die verfassungsfeindliche NPD. Ein Parteiausschlussverfahren der AfD wurde aber aufgrund der breiten Zustimmung zu Maier im Landesverband und im Landesvorstand gestoppt.

Dieser Umstand sagt viel über die politische Orientierung des sächsischen Landesverbandes aus. In der AfD gehört Maier dem „Flügel“, der Gruppierung um den Faschisten Björn Höcke an und war Obmann in Sachsen für diese Gruppierung. Vom sächsischen Verfassungsschutz wird Jens Maier, der sich selbst auch als „Kleiner Höcke“ bezeichnete, als rechtsextrem eingestuft. Jens Maier klagt aktuell gegen diese Einstufung.

Zwischen Bundestag und Amtsgericht Dippoldiswalde

Im Jahr 2017 wurde er über den zweiten Platz der AfD-Landesliste in Sachsen in den Bundestag gewählt. In dieser Zeit gab er bekannt, dass er „den Schuldkult“ im Hinblick auf Ausschwitz und die deutsche Geschichte beenden wolle. Im Jahr 2021 kam er (aus Sicht des Autors zum Glück) weder als Direktkandidat noch über die Landesliste der AfD erneut in den Bundestag.

Er beantragte daraufhin die Rückkehr in den Richterdienst und wurde mit Wirkung vom 14. März 2022 in den Richterdienst als Amtsrichter am Amtsgericht Dippoldiswalde zurückgeführt. Hierbei ist festzuhalten, dass dies weder von der Landesregierung noch von den demokratischen Parteien im sächsischen Landtag gewünscht war. Allerdings besteht ein Rechtsanspruch auf Rückkehr, gleichzeitig wurde jedoch ein Antrag nach § 31 Deutsches Richtergesetz (DRiG) auf Versetzung in den Ruhestand gestellt.

Versetzung in den Ruhestand: die Verfahren vor Landgericht und BGH

1. Verfahren vor dem Dienstgericht für Richter beim Landgericht Leipzig

Zunächst hatte das Dienstgericht für Richter beim Landgericht Leipzig mit Urteil vom 01.12.2022 (66 DG 2/22) entschieden, dass der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zulässig und begründet ist. Die Entscheidung ist sehr lang, daher gehe ich an dieser Stelle nur auf einige Kernaspekte ein.

§ 31 Nr. 3 DRiG lautet:

„Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.“

Versetzung von Richtern in den Ruhestand: Strenger Maßstab gemäß § 31 Nr. 3 DRiG

Das Dienstgericht hielt zutreffend fest, dass hieran strenge Maßstäbe zu setzen sind. Dies ergibt sich bereits aus Art. 97 GG. Von einer schweren Beeinträchtigung kann nach dem LG Leipzig „u. a. dann ausgegangen werden, wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person des Richters oder in seine Amtsführung in so hohem Maße Schaden genommen hat, dass seine Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheint und durch sein Verbleiben in dem ihm anvertrauten Amt zugleich das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Rechtspflege beseitigt oder gemindert würde“.

Wichtig ist hier, dass es nicht auf das Verschulden ankommt, sondern einzig auf das geschützte Ansehen der Justiz. Jens Maier versuchte sich damit zu rechtfertigen, dass Tweets teilweise von Mitarbeitern mit seinem Account abgesetzt worden seien, doch das ging ins Leere. Denn selbst wenn er die Tweets nicht selbst getippt hat, so kamen sie doch von seinem Account und nach außen ist er damit der Urheber und müsse sich diese Aussagen zurechnen lassen.

Auch könne sich Jens Maier nicht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit berufen und darauf, dass er Amt und seine Meinung voneinander trennen könne. Das Gericht verwies zutreffend darauf, dass Richtern im Rahmen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit Grenzen durch § 39 DRiG gesetzt sind. Es sei notwendig, dass das Verhalten nicht das Vertrauen in die richterliche Integrität und Unabhängigkeit gefährde.

Jens Maiers Äußerungen außerhalb des Parlaments: Indemnität als Schutzschild fällt weg

Auf Basis der Aussagen von Jens Maier zog das Gericht seine Unabhängigkeit und seine richterliche Integrität in Zweifel. Dies lässt sich m.E. ganz deutlich bereits durch das eingangs erwähnte Zitat belegen, dass es gutheißt, dass Angeklagte sich vor AfD-Richtern fürchteten. Schließlich zeige diese Äußerung, wie das Gericht zutreffend ausführt, dass die Befürchtung bestehen müsse, dass nicht wie vom Gesetz verlangt ohne Ansehung der Person entschieden würde, sondern gerade in Ansehung der Person.

Sofern eine Person dann nicht dem „Bild der AfD“ entspräche, müsse befürchtet werden, dass Jens Maier nicht vorurteilsfrei urteile. Jens Maier hatte selbst festgehalten, dass, auch wenn der Flügel „offiziell“ nicht mehr bestehe, dessen Grundhaltung in die Partei „eingesickert“ sei. Jens Maier hat also selbst nochmal deutlich gemacht, dass die erhebliche Gefahr besteht, dass er nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach AfD-Kriterien entscheiden wird.

Zahlreiche weitere menschenverachtende Aussagen und das für den rechtsextremen Massenmörder Breivik geäußerte Verständnis lassen das Dienstgericht schließlich zum dem Ergebnis kommen, dass, selbst wenn die Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes, der Jens Maier als Rechtsextremisten einstuft, vor Gericht nicht standhalten sollte (m.E. ist das unwahrscheinlich, die Aussagen sind eindeutig), in der Öffentlichkeit doch mindestens der Eindruck entstehen könne, dass Jens Maier ein rechtsextremistischer Richter sei.

Das Gesetz stellt aber gerade nur auf den öffentlichen Eindruck, nicht auf die tatsächliche Grundhaltung ab. Die öffentlichen Äußerungen von Jens Maier lassen ganz klar das Bild eines Richters, der nicht auf dem Boden des Grundgesetzes agiert, entstehen.

Ein wichtiger Punkt ist außerdem, dass die Berufung auf die Indemnität keinen Erfolg hatte. Die fraglichen Aussagen von Jens Maier wurden nicht im geschützten Raum des Parlaments oder im Zusammenhang mit seiner parlamentarischen Arbeit gemacht, sondern sind allesamt außerhalb des Parlaments ohne Mandatsbezug erfolgt. So kann sich Jens Maier auch nicht in die Opferecke stellen und behaupten, die Gerichte würden Art. 46 GG nicht achten.

2. Verfahren im Fall Jens Maier vor dem BGH

Bzgl. der Entscheidung des BGH (Urteil vom 5. Oktober 2023 – RiZ(R) 1/23: Bundesgerichtshof – Dienstgericht des Bundes – bestätigt die Zulässigkeit der Versetzung eines Richters in den Ruhestand) ist darauf hinzuweisen, dass bisher nur die Pressemitteilung veröffentlicht ist. Doch auch die Pressemitteilung ist eindeutig: Die Abwägung des LG Leipzig war auch aus Sicht des BGH rechtsfehlerfrei.

Der BGH betonte insbesondere, dass sich Jens Maier nicht auf die Indemnität als Abgeordneter berufen könne. Dies zeigt nochmal auch vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf: Die Indemnität kann sich nur auf die Aussagen im Bundestag und im Rahmen der Mandatsarbeit beziehen, nicht aber auf Vorfälle außerhalb. Ob es denkbar wäre, auch Aussagen aus parlamentarischen Diskussionen heranzuziehen und falls ja, welche Grenzen bestehen, hat der BGH nicht entscheiden, musste er aber auch nicht.

Jens Maier konnte sich auch nicht damit verteidigen, dass er in Bezug auf seine Tätigkeit am Amtsgericht behauptete: „Da vertrete ich Volkes Meinung. Das mag Sie vielleicht erschüttern hier in Karlsruhe, aber in Sachsen ist das anders als hier.“ Ein Richter spricht Recht, nicht nach seiner Vorstellung von der vermuteten, angeblichen oder auch tatsächlichen Meinung des Volkes, sondern nach dem Gesetz, das im demokratischen Verfahren in den Parlamenten beschlossen wurde.

Der BGH hat die Entscheidung des LG Leipzig zu Recht daher vollumfänglich aufrechterhalten. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Jens Maier nie wieder Recht sprechen wird.

Fazit – ein Sieg für Rechtsstaat und Demokratie

Der Rechtsstaat und die Demokratie haben sich in diesem Verfahren als wehrhaft gezeigt. Das Dienstgericht für Richter am LG Leipzig sowie der BGH haben eine richtige und umsichtige Entscheidung getroffen und dafür gesorgt, dass ein Richter, der erkennbar nicht (mehr) auf dem Boden des Grundgesetzes steht, auch nicht mehr Recht sprechen darf.

Wichtig ist aber auch mitzunehmen, dass die Gerichte jeden einzelnen Fall separat prüfen. Es besteht kein pauschales „Dienstrückkehrverbot“ bzw. eine automatische Versetzung in den Ruhestand für ehemalige Abgeordnete der AfD. Diese Opferrolle kann die AfD nicht für sich vereinnahmen. Vielmehr wird auch in Zukunft jeder Fall für sich geprüft werden und für jeden Fall werden die gleichen strengen Maßstäbe angelegt werden müssen.

Das ist es, was den Rechtsstaat ausmacht – es wird mit dem Gesetz gearbeitet und eine Beurteilung unabhängig von der Person und unabhängig von einer Parteizugehörigkeit vorgenommen. Dies ist gerade das Gegenteil von dem, was in Jens Maiers Tweet stand und das Gegenteil von dem, was er in seiner Verteidigung sagte, als er auf die hohen Wahlergebnisse der AfD im Bereich des AG Dippoldiswalde anspielte und sich herausnehmen wollte, dass er nur den „Volkswillen“ umsetze.

Es zeigt sich: Mit rechtsstaatlichen Mitteln kann Menschen wie Jens Maier begegnet werden. Das Grundgesetz, insbesondere der Rechtsstaat und die Demokratie, zeigen in solch schwierigen Situationen, dass sie sich bewähren und wehren können.

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.