
Anwalt werden ohne Plan – Ein Plädoyer für Leidenschaft im Beruf
Zwischen Ideal und Realität tut sich in juristischen Biografien ein Raum für Zufälle, Irrwege und überraschende Glücksfälle auf. Ein langjähriger Anwalt erzählt, wie Vielseitigkeit und Leidenschaft weit mehr wiegen als jede Planung.
Lehren aus einem Anwaltsleben, Inspiration für Studium und Rechtsreferendariat
Warnhinweis
Manche Aufgaben erscheinen unmöglich – und dennoch nimmt man sie an. Tipps für den juristischen Karriereweg zu geben, gehört dazu.
Als hätte ich meine späteren Stationen von Anfang an geplant oder planen können. Als wenn irgendwer von denen, die behaupten, ihnen sei schon immer, seit Kindheitstagen, im Grunde schon seit der Wiege der steile, unverbrüchlicher Karriereweg klar gewesen, den sie beschritten, nein: durcheilt haben, das wirklich vorausgesehen hätte.
Doch wenn der Verlauf weder zu planen noch vorherzusehen ist, was taugen dann Rezepte für Planung?
Das wichtigste Buch für das Studium, nein für Lebenssituationen aller Art, ist Nassim Nicholas Talebs „Der schwarze Schwan“. Kurz zusammengefasst, geht es um Folgendes: Wenn man gefragt wird, was ein Schwan ist, wird man sagen, es sei ein weißes Tier mit einem langen Hals, das auf dem See schwimmt. Bis man einem schwarzen Schwan begegnet.
Es gibt ihn, aber nicht so oft. Den hätte man also nicht vorgesehen bei der Antwort. Die Quintessenz daraus: Wer eine Prognose anstellt, schaut in die Vergangenheit, nimmt seine eigenen Erfahrungen und rechnet sie linear hoch in die Zukunft. Einziger Schönheitsfehler: Das Leben verläuft nicht linear und das Unvorhersehbare ist eben das, was der Name sagt. Wer das beherzigt, sollte jetzt innehalten und überlegen, ob er seine Zeit in einen Text investieren möchte, der Erfahrungen aus mehreren Jahrzehnten Juristerei, davon drei als Rechtsanwalt, teilen und hochrechnen wird.

Erfahrungsberichte
Authentische Eindrücke aus Studium & Beruf
Studierende und Absolventen erzählen von ihren ersten Eindrücken aus dem Berufsleben: internationale Erfahrungsberichte, die ausführlich, authentisch und kurzweilig sind.
Jura als Priorität: Warum Konzentration und klare Entscheidungen juristische Karrieren stärken
Mein Entschluss, Rechtsanwalt zu werden, stand fest, seit ich meinen Vater in diesem Beruf erleben und bei ihm als Schüler Praktika und Hilfstätigkeiten absolvieren durfte. Daran habe ich mich auch ein wenig orientiert, als ich die Wahlstation wählte.
Meine Eingangsfrage vor Studienbeginn, ob man neben Recht auch noch Geschichte studieren könne, wurde von den Erfahrenen milde lächelnd oder amüsiert verneint. Später studierte ich parallel Jura, Geschichte, Politik und Wirtschaftswissenschaften, allerdings schloss ich nur Jura förmlich ab. Die anderen Gebiete finde ich nach wie vor spannend – und noch einige mehr – und je erfolgreicher man im Hauptberuf wird, desto eher kann man sich Freiräume schaffen für eine Beschäftigung mit anderen Themen. Aber man muss sich irgendwann für eine Materie entscheiden und dort die Priorität setzen. Das war und ist bei mir Jura.
Merke: Verzettele Dich nicht, auch nicht nach dem Studium! Immer wieder höre ich von Lebensläufen, die sprunghafte Wechsel dokumentieren. Das kann mal funktionieren, aber selten richtig gut.

Jura im Ausland
Als Jurist:in im Ausland studieren oder arbeiten
Die große, weite Welt sehen und gleichzeitig etwas für den Lebenslauf tun? Das ist für Juristi:nnen gut möglich. Ob während des Studiums, in der Ausbildung oder im Beruf: Hier liest du spannende Berichte von und über Jurist:innen, die im Ausland arbeiten oder Auslandserfahrungen während des Studiums gesammelt haben.
Von Bayreuth nach Tunis: Warum Diversifikation in der Juristerei entscheidend ist
Während ich den Gang an der Universitätsbibliothek in Bayreuth so entlangschlenderte, blieb ich immer wieder an angeschlagenen Zetteln hängen. Ich fürchte und weiß, das gibt es so heute noch, aber eben nicht nur, jetzt kann man im Internet ein breiteres, umfassenderes, tieferes Informationsangebot finden. Studium in Paris, hieß es da, oder in Genf. Ich nahm beides wahr und landete schließlich noch in Tunis. Als ich in Paris studierte und der Konflikt in Algerien losbrach, hörte ich Vorlesungen am Institut der Arabischen Welt und das faszinierte mich. Also folgte ich dem Veranstalter an dessen Internationale Akademie für Verfassungsrecht nach Tunis und erwarb ein Diplom. War das vorhersehbar? Keinesfalls. War es richtig? Unbedingt.
Aufenthalte in solchen Institutionen erlauben es, intensiv, effektiv und umfassend neue Ideen zu sammeln. Das trainiert die Synapsen. Und man glaubt gar nicht, wie viele Eindrücke man in allen möglichen Situationen später wieder aufrufen kann. Trägt das zur Konzentration auf einen klaren, glatten Karriereweg bei? Keineswegs. Es ist das Gegenteil. Ist das schlecht? Nein, das Leben bietet Raum für beides.
Hochschulporträts
Hochschulporträts Juristische Fakultäten
Hier findest du einen Überblick über alle Jura-Fakultäten an deutschen Unis. Egal, ob du nach speziellen Studienschwerpunkten, einem lebendigen Campusleben oder besonderen Universitätsmerkmalen suchst, unsere Hochschulporträts helfen dir, die ideale Hochschule für dein Jurastudium zu finden.
In meinem Referendariat durfte ich Stationen in Brüssel bei der EU-Kommission (Verwaltung) absolvieren, bei einer Anwaltskanzlei in Abidjan (Elfenbeinküste) und in Hildesheim. In Brüssel ging es um Kartellrecht. Ich habe in der Zeit ein paar Aufsätze für das Anwaltsblatt geschrieben, unter anderem über das Kartellrecht der freien Berufe – Berufsrecht ist nach wie vor eine extrem wichtige Materie in meinem Alltag. In der Generaldirektion Wettbewerb der EU habe ich eine Menge über Marktregulierung gelernt und warum man sie am besten zerschlägt, um heilsame Kräfte zu entfesseln (heilsam indes nicht für Inhaber und Verteidiger von Pfründen, deswegen ist der Kampf um Freiheit stets mit vehementem Widerstand der etablierten Marktteilnehmer verbunden).
Zwischen Studium und Rechtsreferendariat habe ich ein halbes Jahr lang in Caracas gelebt und dort ein Praktikum bei der Deutsch-Venezolanischen Außenhandelskammer absolviert – das hätte man auch als Station im Referendariat machen können. Wer Caracas überlebt, hat eine Menge zu erzählen und lässt sich im späteren Leben von keinem Ort der Erde mehr ins Boxhorn jagen. Seitdem ist mir Lateinamerika ans Herz gewachsen und ich bin heute Mitglied mehrerer Juristenvereinigungen mit Bezug auf diese Region.
Merke: Diversifikation tut gut und befruchtet. Das kann fachlich sein oder örtlich, kulturell, sprachlich. Im besten Fall alles zusammen. Synapsen trainiert man nicht nur dadurch, dass dieselben Gedankenstränge mehrfach bewegt werden, sondern es gilt, neue auszubilden. Bis ans Lebensende.

Themenschwerpunkt
Das Juristische Referendatiat
Das Referendariat ist eine anspruchsvolle Zeit. In unserer Themensammlung findest du Berichte aus der Praxis, Tipps für Bewerbungsverfahren und die mögliche Promotion im Referendariat sowie Erfahrungsberichte aus den unterschiedlichen Stationen in In- und Ausland.
Juristische Leidenschaft statt Stundenzählung: Über Lebenszeit und Berufung
Womit wir beim Thema Lebenszeit wären. Erst in den letzten Jahren begannen Juristen, Arbeitsstunden zu addieren und der Freizeit gegenüberzustellen. Zu meiner Zeit war das kein Thema oder ich habe es ausgeblendet.
Mein Doktorvater Prof. Dr. Lutz Michalski hat mir schon zu Zeiten, als er noch nicht mein Doktorvater war und ich untergeordnete Hilfstätigkeiten für ihn verrichtete, Türen geöffnet. Ich kam mit ein paar Seiten als Vorbereitung für seine anstehende Vorlesung, er korrigierte. Die Seite hatte mehr Rot als Schwarz, dann sorgte er für die Publikation in einer angesehenen Fachzeitschrift wie etwa NJW. ZIP oder Anwaltsblatt – unter unser beider Namen!
Das setzte sich im ersten Kommentar zum neuen Partnerschaftsgesellschaftsgesetz fort, offiziell gemeinsam von uns verfasst, eigentlich natürlich von mir mit Korrekturen von ihm. Als der Kommentar erschien, war ich 26 Jahre alt und Referendar, bei der 6. und jüngsten Auflage 56 und Anwalt.
Habe ich die Stunden gezählt, die ich darauf verwandt habe? Nie. War es sinnvoll, das zu tun? Ja, es war das erste Buch, dem sollten viele folgen. Ohne diesen Kraftakt neben Referendariat, Mitarbeit in einer Anwaltskanzlei und Promotion (im gleichen Jahr) wäre mir damals manche Tür verschlossen geblieben.
Ich selbst halte die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit für unsinnig, solange mich etwas begeistert. Ich messe meine Zeit nicht, ich rechne sie nicht gegeneinander auf. Das widerspricht dem Trend – für mich bleibt es richtig.
Getreu dieser Devise habe ich mein gesamtes Referendariat mit intensiver Tätigkeit für eine Anwaltskanzlei verbracht, auch vom Ausland aus habe ich „meine“ Mandanten und „meine“ Mandate begleitet (ein halbwegs tragbares Faxgerät und Thermopapier, auf dem die Schrift leicht verblich, waren meine Begleiter, Internet noch nicht erfunden). Die Arbeit zählte nur selten nach Stunden und kaum nach Geld. Hätte man das aus heutiger Perspektive kritisch betrachtet, wäre ich wohl „ausgebeutet“ worden. Aber: Es hat mich weitergebracht. Ich durfte Fehler machen, ohne selbst dafür zu haften. Ich konnte beobachten. Manche Fehler musste ich später in meiner eigenen Kanzlei nicht machen.
Merke: Man kann autonom entscheiden, ob man Beruf und Leben trennt. Sogar gegen den Trend. Wichtiger als Etiketten ist, ob die Inhalte Spaß machen und (die Persönlichkeit, die Gedanken, die Freude, das Portemonnaie) bereichern.

Berufsbilder
Sinnvolle Berufe für Juristen
Juristen finden sinnstiftende Berufe in NGOs, Umweltschutz oder Politik. Wer sich rechtzeitig spezialisiert oder engagiert, sichert sich „Good Jobs“ mit Einfluss.
Juristischer Berufseinstieg: Warum echte Mentoren wichtiger sind als Pläne
Am Tage meiner mündlichen Prüfung zum zweiten Staatsexamen im schönen Münchener Justizpalast war ich mit dem vorausgefüllten Antragsformular zur Zulassung zur Anwaltschaft erschienen. Vormittags die Jury, nachmittags holte ich mir im Justizprüfungsamt die Note ab, ließ sie mir bescheinigen, packte alles in einen frankierten Briefumschlag, fuhr zur Hauptpost, warf dort den Brief ein und kaufte mir eine weiße Krawatte. Die Robe hatte ich schon bestellt.
Das Konzept zur Kanzleigründung war fertig, schließlich hatte ich während des Referendariats über Monate daran gearbeitet. Möbel waren ausgesucht, ich hatte einen schönen, gebrauchten Tresen von einer Büromesse, ansonsten im Wesentlichen IKEA. In einem Bankgebäude im Herzen von Hannover waren Kanzleiräume angemietet. Es konnte losgehen und ich konnte es kaum erwarten.
Das war schon damals ein unkonventioneller Start ins Anwaltsdasein. Ich hatte während des Referendariats intensiv „anwaltlich“ gearbeitet und meinte, das grundlegende Handwerkszeug zu beherrschen. Glücklicherweise fiel selten auf, wie viele Lücken mein Know-how aufwies. Da lag sicher ein Hauch von Selbstüberschätzung im Raum, muss ich aus heutiger Perspektive nüchtern feststellen. Man geht unbedarft an die Mandate heran, wenn man keine Ahnung hat, wo die Fallstricke liegen. Das ist gut, vor allem, wenn es gut geht.

Jobmessen Jura
Karrieremessen von IQB & Myjobfair
Unsere Jobmessen & Karrieremessen für Juristen finden als Präsenzveranstaltung oder online statt und bieten Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern die ideale Orientierung in Sachen Karrierechancen.
Der vernünftige Berufseinstieg sieht anders aus. Idealerweise ist man sich seiner Defizite bewusst und sucht den Rat und den Austausch von und mit Kollegen. Das sollte nicht bis zur Paralyse getrieben werden. Wer findet das gesunde Maß zwischen zuversichtlich neue, unbekannte Aufgaben anpacken und an der richtigen Stelle bremsen und jemanden fragen?
Viele Kanzleien bieten Mentorenprogramme, teils sogar für Referendare. Entscheidend ist nicht das Programm auf dem Papier, sondern der Mentor in der Praxis. Nimmt er sich Zeit, lernen Einsteiger mehr als durch jede Vergütung. Ich würde, wenn ich mich heute darum bewerben müsste, in Gesprächen genau nachhaken: Wie läuft diese Betreuung konkret? Das wiegt mehr als Freizeit und Gehalt. Ein echtes Mentorenprogramm ist eine Investition, die oft schwerer wiegt als alles andere.
Fazit
Anwalt ist der schönste Beruf der Welt. Wer kann, mag seine berufliche Ausbildung daran von Beginn an ausrichten. Das führt zu einem linearen, strategisch geplanten, etappenweise voraussehbaren Lebensverlauf, immer eine Treppenstufe voran. Aber: siehe Warnhinweis am Anfang.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Römermann, CSP, ist Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG und als Experte und Berater bzw. Vertreter in drei Gebieten bekannt: Im Gesellschaftsrecht, im Insolvenzrecht und im Recht der freien Berufe. Bei schwierigen und komplexen Vertragsverhandlungen wird seine langjährige Erfahrung im In- und Ausland geschätzt. Seit 1997 unterrichtet er Verhandlungsführung an deutschen Universitäten und trainiert zahlreiche Geschäftsführer.

Jura Examen & Prüfungen
Themenschwerpunkt Jura-Examen
Schwierige Hürde oder schaffbare Herausforderung? Man kann die Examen in Jura so oder so sehen. Sicher ist: für alle Studierenden sind die Vorbereitungen auf diese Prüfungen eine ganz besonders intensive Zeit. Deshalb bieten wir Euch hier spannende Artikel rund um das große Finale des Studiums.
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