AfD-Verbot "Die schärfste Waffe des demokratischen Rechtsstaates“?

Kann die AfD verboten werden? Dr. Michael Hördt erörtert ein mögliches AfD-Verbot vor dem Hintergrund extremistischer Tendenzen, kontinuierlicher Verfassungskonflikte und politischer Kontroversen.

AfD im Konflikt mit dem Verfassungsschutz: Rechtsextreme Tendenzen und hohe Umfragewerte

Viele beschäftigt die Frage, ob die „Alternative für Deutschland“ (AfD) aufgrund einer verfassungsfeindlichen Haltung verboten werden kann? Laut dem Verfassungsschutz gelten drei Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem. Ausgerechnet in den drei Bundesländern, in denen dies der Fall ist, erreicht die AfD in Umfragen aktuell konstant über 30 % (Stand 12. Januar 2024).

Obwohl Mitglieder und Führungskräfte sich immer wieder mit untragbaren, den Nationalsozialismus verharmlosenden Aussagen hervortun (man denke nur an das „Fliegenschiss-Zitat“ von Alexander Gauland), Björn Höcke, der für die AfD im Thüringer Landtag sitzt, als Faschist bezeichnet werden darf und Jens Maier, ein ehemaliger Richter, der dem inzwischen formal aufgelösten „Völkischen Flügel“ innerhalb der AfD zugerechnet wird, aufgrund untragbarer Aussagen sein Amt verliert, sind die Umfragewerte stabil.

Verfassungsschutzbeobachtung & ein attestierter Faschist in den Reihen – die AfD kann immer noch einen draufsetzen

Am 10. Januar 2024 haben alle, die von den bisherigen Vorgängen rund um die AfD schon schockiert und abgestoßen waren, gelernt, dass immer noch mehr geht. Einer der bisher größten Skandale rund um Mitglieder der AfD ereignete sich an diesem Tag:

Ein geheimes Treffen von Vertretern verschiedener Gruppierung, wie der sog. Identitären Bewegung, bekennender Rechtsextremisten und Neonazis wurde von Correctiv (CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft gGmbH) aufgedeckt. [1].

Mittendrin befanden sich AfD-Parteimitglieder, darunter Roland Hartwig, die rechte Hand von Parteichefin Alice Weidel, sowie mit Gerrit Huy eine Bundestagsabgeordnete der AfD. Der Bericht über das Treffen enthält menschenverachtende Aussagen der Anwesenden, offenen Rassismus und die Diskussion von Plänen zur Bekämpfung der Demokratie.

Berechtigterweise waren weite Teile der Politik und Öffentlichkeit von diesem Treffen und den dort besprochenen Inhalten schockiert. Immer wieder wurde dabei die Forderung nach einem Verbot der AfD laut. Kann den nach einem solchen Vorfall die Partei nicht verboten werden? Schließlich befanden sich auch eine Bundestagsabgeordnete, ein Fraktionsvorsitzender und ein stellv. Vorsitzender der AfD bei diesem Treffen. Mittlerweile gibt es weitere Informationen über ein mutmaßliches Treffen von Parteichef Tino Chrupalla mit den gleichen Kreisen im Jahr 2021. [2].

Wie sieht es nun mit einem Parteiverbot aus? Reichen die zurückliegenden und aktuellen Ereignisse dafür aus?

Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz

Nach Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Sie können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden. [3]

Parteiverbote in der Geschichte der BRD

Die Geschichte der Parteiverbote in der Bundesrepublik: Ein Rückblick

In der Geschichte der BRD sind insgesamt zwei Parteiverbote erfolgt. Diese erfolgten gegen die SRP (BVerfG, 23.10.1952 – 1 BvB 1/51), eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, und gegen die stalinistische KPD (BVerfG, 17.08.1956 – 1 BvB 2/51).

In den 2000ern scheitere das erste Parteiverbotsverfahren gegen die NPD aus formellen Gründen (BVerfG, 18.03.2003 – 2 BvB 1/01, 2 BvB 2/01, 2 BvB 3/01), aufgrund des sog. V-Mann-Skandals, ein zweites Verfahren scheitere aufgrund fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13). Man sieht also, Parteiverbotsverfahren sind selten.

Die Stärke der Demokratie: Parteiverbote als Instrument des Rechtsstaats

Die Demokratie ist wehrhaft und kann sich auch ihren Feinden widersetzen. Dazu gehört auch die Möglichkeit des Parteiverbotes. Das BVerfG hält hierzu in einem Leitsatz in seinem Urteil im zweiten NPD-Verbotsverfahren fest:

„Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.“ (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Die sorgfältige Abwägung von Parteiverboten: Einblick in die Rechtspraxis des BVerfG

Das BVerfG ist sich der Auswirkungen eines Parteiverbotes sehr bewusst. Dies konnte man bereits 1952 im Verfahren gegen die SRP den Urteilsgründen entnehmen, die die Regelung des Art. 21 Abs. 2 GG und die Hintergründe der Entstehung der grundgesetzlichen Vorschrift sehr genau beleuchten. Die Kriterien für ein Parteiverbot müssen sehr genau geprüft werden. Das BVerfG hielt bereits damals fest, dass

„[…]eine Partei nur dann aus dem politischen Leben ausgeschaltet werden darf, wenn sie die obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie ablehnt.“ (BVerfG, 23.10.1952 – 1 BvB 1/51).

Gerade aufgrund der drastischen Folge, nämlich dem Verbot der Partei und dem Verbot der Schaffung einer Ersatzorganisation, hat das Grundgesetz die Hürden hoch angesetzt und eine verfassungsgerichtliche Entscheidung vorausgesetzt. Ein einfaches Verbot durch eine Entscheidung der Exekutive oder Legislative sollte nie wieder erfolgen.

Ablauf eines Parteiverbotsverfahrens

Die Frage, wer ein Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG einleiten kann, ist in § 43 BVerfGG genauer ausgestaltet. Nur der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat können einen Antrag auf ein Parteiverbot stellen.

Sodann kommt es zu einem Vorverfahren (siehe § 44 BVerfGG). Dort stellt das BVerfG anhand der Aktenlage fest, ob „der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist.“

Kriterien, die für ein Parteiverbot erfüllt sein müssen

Kriterium 1: Die freiheitlich demokratische Grundordnung soll beeinträchtigt oder beseitigt werden

Beeinträchtigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung? Der Fall der AfD

Für die aktuelle Situation ist die erste Frage, ob die freiheitlich demokratische Grundordnung durch die AfD beeinträchtigt oder beseitigt werden soll. Zum Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählt das BVerfG:

…das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), [welches] im Vordergrund, [steht] (c), das durch die Grundsätze der Demokratie (d) und der Rechtsstaatlichkeit (e) näher ausgestaltet wird. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Bei dem genannten Treffen ging es gerade um den Begriff „Remigration“, der es zum Unwort des Jahres 2023 gebracht hat, und nach dem jede Person, die nicht den Vorstellungen „eines deutschen Leitbildes ohne Migrationshintergrund“ entspricht, aus dem Land vertrieben werden soll. Dies steht aber explizit gegen den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, da dies die Menschenwürde verletzt:

Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13).

Allein die Forderung und der Plan der Remigration deutscher Staatsbürger aufgrund der Herkunft oder Hautfarbe ist ein so eklatanter Verstoß gegen die Menschenwürde und das Grundgesetz, dass sich der Vorwurf der angestrebten Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung von selbst ergibt. Dabei genügt es bereits, dass ein Merkmal der freiheitlich demokratischen Grundordnung infrage gestellt wird, um eine Beeinträchtigung festzustellen:

Ein „Beeinträchtigen“ liegt daher bereits vor, wenn eine Partei, selbst wenn sie noch nicht erkennen lässt, welche Verfassungsordnung an die Stelle der bestehenden treten soll, qualifiziert die Außerkraftsetzung der bestehenden Verfassungsordnung betreibt. Ausreichend ist, dass sie sich gegen eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat) wendet, da diese miteinander verschränkt sind und sich gegenseitig bedingen. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Dabei ist aber zu beachten – ein einzelner Vorfall, so unerträglich er auch sein mag – reicht für ein Verbot nicht. Es muss eine umfangreiche Begutachtung erfolgen.

Mögliches Parteiverbot: Rolle der Anhänger und Ziele im Fokus des BVerfG

Das BVerfG beobachtet das „Verhalten der Anhänger“ einer Partei und deren „Ziele“ (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13) und an dieser Stelle kommt es im Rahmen eines Verbotsverfahrens tatsächlich darauf an, ob es nur Einzelfälle sind oder sich eine Haltung der Partei widerspiegelt.

Es waren auch zwei CDU-Mitglieder der „Werteunion“ bei dem Treffen vor Ort. Parteichef Friedrich Merz betonte mittlerweile, dass die Mitgliedschaft in der Werteunion mit der CDU-Mitgliedschaft unvereinbar ist. Man wird bei den beiden betroffenen und vorher wenig bekannten CDU-Mitgliedern also kaum davon ausgehen können, dass sie die Grundhaltung der Partei repräsentieren.

Liegt eine solche Distanzierung auch bei der AfD vor? Alice Weidel hat sich nach Medienberichten nun von Roland Hartwig getrennt, der Arbeitsvertrag mit ihrem Referenten wurde „in beiderseitigem Einvernehmen“ aufgelöst. Ist dies ausreichend für eine Distanzierung?

Dabei muss man die Gesamtsituation betrachten. Wie viel Einfluss hat Roland Hartwig nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses? Ist es nur eine Trennung auf dem Papier? Auch wenn eine Trennung aufgrund der Geschehnisse stattgefunden hat, ist aber dennoch die Gesamtlage in der Partei zu beachten. Und diese spricht m.E. eine deutliche Sprache.

Parteichef Chrupalla soll sich mit Personen aus dem gleichen Dunstkreis getroffen haben. Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD, René Springer, schrieb im Zusammenhang mit dem aufgedeckten Treffen auf der Plattform X nicht von einem „Geheimplan“ der millionenfachen Rückführung von Ausländern, sondern von einem „Versprechen“. Und dies ganz bewusst bezogen auf das Treffen, welches Correctiv aufdeckte. Er bedankte sich bei X sogar für die Wahl von „Remigration“ zum Unwort des Jahres, da dies der AfD nur helfen würde. [4]

Die AfD schreibt auf Ihrer Internetseite offen von Remigration und nutzt dabei ganz bewusst diese rechte Chiffre (https://afdbundestag.de/rene-springer-migrationspolitik-ist-ruinoeses-verlustgeschaeft/; zuletzt aufgerufen am 16. Januar 2024). Der Beitrag ist vom 12. Januar 2024.

Der Bericht von Correctiv war bereits bekannt und die AfD verwendet dennoch bewusst diese Bezeichnungen. Dies deutet offen auf die Menschenwürde verletzende Grundeinstellung hin. Wären dies alles nur Einzelfälle, würden sich diese nicht so durch die AfD ziehen und man würde davon Abstand nehmen, rechte Chiffren zu verwenden. Stattdessen werden diese bewusst benutzt, um weiter zu provozieren und rechtsextreme Kreise anzusprechen.

Hochrangige AfD-Mitglieder: Einblicke in ihre extremen Ansichten

Deutlich wird diese Haltung durch weitere Äußerungen von hochrangigen AfD-Mitgliedern und Abgeordneten. Folgende Beispiele seien genannt: Der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende aus Bayern äußerte sich: „Remigration ist eine unserer Kernforderungen. Aber Achtung, nicht weitersagen! Es handelt sich dabei um einen streng geheimen Geheimplan!“

Unterstützung für diese Ansichten finden sich bei dem Europaabgeordneten Bernhard Zimniok: „Statt diesen aufwendig inszenierten Enthüllungsbericht (Anm. der Bericht von Correctiv) zu produzieren, hätten diese Kasper auch ganz einfach unser Parteiprogramm lesen können.“ [5, ZDF-Recherche]

Auch die bisherige Haltung der handelnden Personen zeigen immer mehr, dass die AfD sich in eine extreme Ecke begibt.

Wiederkehrenden Aussagen von Björn Höcke und weiteren führenden Mitgliedern sprechen eine eindeutige Sprache. Sie verwenden regelmäßig und bewusst Begrifflichkeiten aus der rechtsextremen Ecke.

Auch die Einordnung dreier Landesverbände als gesichert rechtsextrem und weiterer Jugendorganisationen und Landesverbände als Verdachtsfälle spricht nach jahrelanger Recherche eine deutliche Sprache.

Von einem politisch motivierten Handeln des Verfassungsschutzes wie es die AfD gern behauptet, kann man hier nicht ausgehen. In der Vergangenheit hat der Verfassungsschutz Personen anderer Parteien und Parteien selbst beobachtet, darunter die Linke oder Jan Wienken, das ehemalige Vorstandsmitglied der Grünen Jugend in Niedersachsen. Eine einseitige Ausrichtung auf die AfD liegt nicht vor. Die aktuellen Ereignisse rücken die Partei nur vermehrt in den Fokus.

Die (zum Teil sehr umfangreichen) Berichte der Verfassungsschutzorgane in Bund und Ländern bzw. Berichte von Landesverfassungsschutz können zwar selbst nicht zu einem Verbotsverfahren führen, aber die dort geschilderten Erkenntnisse können in ein mögliches Verfahren vor dem BVerfG eingeführt werden. Die Vielzahl der verfassungsfeindlichen Äußerungen und Relativierungen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft sprechen aus meiner Sicht für die verfassungsfeindliche Haltung. Der Bericht von Correctiv bestätigt diese Haltung der Partei m. E. nur. Neue Erkenntnisse sind das alles nicht.

In diesem Zusammenhang sollte man es sich auch noch mal genau vor Augen führen: In Thüringen führt mit Björn Höcke seit Jahren ein gerichtlich anerkannter Faschist die Partei und niemanden in der AfD scheint es zu stören.

Diese Zusammenhänge und komplexen Erkenntnisse müssen in ein Verfahren vor dem BVerfG von den Antragsstellern eingebracht werden. Das BVerfG muss sich in einer Entscheidung ausführlich und vollständig mit allen Punkten auseinandersetzen, weshalb Parteiverbotsverfahren i. d. R. auch extrem umfangreich sind.  

Kriterium 2: Aggressiv-kämpferisches Vorgehen

Ein Verbot einer Partei erfordert aber noch weitere Punkte. Hinsichtlich des Merkmals des aggressiv-kämpferischen Vorgehens erfolgte wohl eines der bekanntesten Zitate zum Parteiverbot:

„Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt; es muss vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.“ (BVerfG, 17.08.1956 – 1 BvB 2/51).

Das BVerfG bestätigte 2017, dass die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung so weit in Handlungen (dies seien unter Umständen auch programmatische Reden verantwortlicher Persönlichkeiten) zum Ausdruck kommen müsse, dass sie als planvoll verfolgtes politisches Vorgehen der Partei erkennbar werde. Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen im strafrechtlichen Sinne [sind] hierfür nicht erforderlich. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Hier kann man unter anderem auf ein Zitat von Bundestagsabgeordneten und Co-Vorsitzenden der AfD in Baden-Württemberg Markus Frohnmaier bei einer Rede verwiesen werden:

Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!

Zu weiteren Zitaten und ihrem Faktencheck sei auf den Correctiv Faktencheck verwiesen. Ebenso sei u. a. auf das oben genannte Treffen verwiesen, bei dem laut dem Bericht neben der Remigration auch Pläne zum Anzweifeln demokratischer Wahlen diskutiert wurden.

Das aggressiv-kämpferische Vorgehen wird man in vielen Punkten also auch bejahen können. Ebenso zeigen zahlreiche Äußerungen des Führungspersonals der AfD, dass demokratische Institutionen angezweifelt werden. Die AfD will einen anderen Staat, der die Zugehörigkeit von Herkunft und Ethnie abhängig machen will und verheimlicht diese Pläne immer weniger. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Belege dafür, dass diese Pläne offen kommuniziert werden.

Kriterium 3: Darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden

Das letzte Merkmal ist dasjenige, was die meiste Diskussion auslöst, weil es umständlich formuliert daherkommt. Vereinfacht meint es, dass „konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen [müssen], die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das gegen die Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 GG gerichtete Handeln einer Partei erfolgreich sein kann. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Im NPD-Verbotsverfahren von 2017 war dies der ausschlaggebende Punkt, für das Scheitern des Verbots. Die NPD war einfach zu unbedeutend, in keinem Parlament vertreten und auch nicht nahe dran, in eines einzuziehen. Bei der AfD sieht dies aktuell in den Parlamenten und Umfragen deutlich anders aus.

Hierzu hat das BVerfG festgehalten:

Ob ein ausreichendes Maß an Potenzialität hinsichtlich der Erreichung der von einer Partei verfolgten Ziele besteht, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellen. Dabei sind die Situation der Partei (Mitgliederbestand und -entwicklung, Organisationsstruktur, Mobilisierungsgrad, Kampagnenfähigkeit, finanzielle Lage), ihre Wirkkraft in die Gesellschaft (Wahlergebnisse, Publikationen, Bündnisse, Unterstützerstrukturen), ihre Vertretung in Ämtern und Mandaten, die von ihr eingesetzten Mittel, Strategien und Maßnahmen sowie alle sonstigen Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss darüber zu geben vermögen, ob eine Umsetzung der von der Partei verfolgten Ziele möglich erscheint. Erforderlich ist, dass sich ein hinreichendes Maß an konkreten und gewichtigen Anhaltspunkten ergibt, die den Rückschluss auf die Möglichkeit erfolgreichen Agierens der Partei gegen die Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG rechtfertigen. (BVerfG, 17.01.2017 – 2 BvB 1/13)

Anders als die NPD ist die AfD aktuell in 14 von 16 Landesparlamenten vertreten (Bremen und Schleswig-Holstein sind die einzigen Ausnahmen). Die Mitgliederzahlen wachsen und die AfD tritt immer forscher auf. In Thüringen besteht die Chance, dass die AfD den Ministerpräsidenten stellen kann und damit die Ernennung bspw. von Richtern vornehmen oder die Sicherheitsbehörden mit „ihren Leuten“ besetzen könnte. Behörden können mit Personen, die der AfD und ihrer Ideologie sympathisieren, durchsetzt werden.

Diese Art der Einflussnahme würde es erlauben, den Staat umzubauen. Nicht nur in Thüringen, sondern auch an anderen Stellen, wo die AfD im Umfragehoch ist. Gerade dieser mögliche Umbau auf der „mittleren“ Staatsebene birgt aber viele Gefahren. Es bedarf nicht der absoluten Mehrheit, um den Staat zu gefährden. Man bedenke nur, bei der Reichstagswahl im November 1932 erlitt die NSDAP sogar Verluste und erreichte nur 33,1 % der Stimmen. Die übrigen Parteien erzielten in ihrer Gesamtheit mehr Stimmen. Dennoch konnte die NSDAP den Weg zur Errichtung der Diktatur immer weiter fortsetzen, auch durch die Besetzung von Posten gerade den genannten Ebenen. Selbst bei der Wahl im März 1933 bedurfte es einer Annullierung der Stimmen der KPD, um die absolute Mehrheit zu erreichen. Schlussendlich war dabei der Umbau auf der „mittleren Ebene“ hin zur Besetzung von Posten mit Anhängern einer der Schlüssel für die NSDAP zur Errichtung ihrer Schreckensherrschaft.

Daher kann nicht mit hohen Umfragen oder Stimmgewinnen allein argumentiert werden und die Gefahr der AfD damit abgetan werden, dass niemand mit ihr eine Koalition eingehen will, sondern es müssen alle Aspekte ins Bild genommen werden. Hierzu zählen gerade auch die Gefahren einer Beeinflussung von Institutionen und Behörden. Man sollte sich hierbei keiner Illusion hingeben, die AfD wird diese Mittel nutzen wollen und plötzlich mögen mehrere „Kleine Höckes“ wie Jens Maier ungehindert Recht sprechen. Diese Darstellung müsste in einem Verfahren erfolgen. Persönlich bin ich überzeugt, dass die AfD anders als die NPD beurteilt werden muss.

Parteiverbotsverfahren und der Faktor Zeit

Das Parteiverbotsverfahren einzuleiten, ist auch eine politische Entscheidung und muss sehr genau abgewogen werden. Es stehen zeitnah Wahlen an und ein Parteiverbotsverfahren kann nicht über Nacht eingeleitet und beendet werden. Bereits das Vorprüfungsverfahren wird einige Zeit in Anspruch nehmen, genau wie die Hauptsache. Ebenso muss man beachten, dass die Vorbereitung des Antrages sehr sorgsam erfolgen muss. Bis dahin besteht aber die erhebliche Gefahr, dass die AfD sich ein solches Verfahren zunutze machen kann und – wie schon so oft in der Vergangenheit – das (angebliche) Opfer spielen wird. Am 1. September 2024 sind bereits in Thüringen und Sachsen Landtagswahlen. Am 22. September 2024 folgt Brandenburg. Und am 9. Juni 2024 steht die Europawahl an.

Dass bis dahin ein Urteil gefällt ist, ist nicht zu erwarten. Schlimmstenfalls dauert das Verfahren mehrere Jahre, die die AfD nach dem Vorbild Donald Trump für die Behauptung einer „Hexenjagd“ nutzen mag. Die Vergangenheit hat gezeigt, extremere Positionen in Verbindung mit der Opferrolle aufzusetzen, hat der AfD (leider) mehr genützt als geschadet. Daher bedarf es einer klugen Abwägung der Politik und einer Beurteilung aller Fakten und Erkenntnisse, um die Erfolgsaussichten und dann ggf. den Zeitraum der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens zu bestimmen.

Das schlimmste denkbare Szenario wäre ein eilig und schlecht vorbereitetes und damit erfolgloses Verfahren, das am Ende nur der AfD helfen würde. Aus meiner Sicht geht an dieser Stelle Gründlichkeit und wohlüberlegtes Handeln vor Schnelligkeit.

Erwägung zu einem möglichen AfD-Verbot: Fazit

Die Hürden für ein Parteiverbot sind sehr hoch. Dies ist auch ein wichtiger Punkt, um die Demokratie zu schützen und nicht ebenso unliebsame Meinungen zu unterdrücken oder Feinden der Demokratie zu ermöglichen, letztere mit einfachen Mitteln auszuschalten. Doch auch der Rechtsstaat kann sich wehren.

Wo aktiv kämpferisch gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorgegangen werden soll, zeigt sich die Demokratie wehrhaft und eine Partei kann auf Antrag durch das BVerfG verboten werden. Die „schärfste Waffe“ des demokratischen Rechtsstaates kann (und muss) in solchen Fällen eingesetzt werden, bei denen eine Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung vorliegt.

Dies bedeutet, dass allein die Teilnahme von AfD-Mitgliedern an dem von Correctiv aufgedeckten Treffen – so unfassbar untragbar die im Bericht genannten Aussagen auch sind – für ein Parteiverbotsverfahren nicht ausreichend sind. Aber: Die Vorkommnisse ordnen sich in das generelle Bild, welches viele Mitglieder und Führungskräfte der Partei präsentieren, mit bewussten Grenzüberschreitungen und der Nutzung rechtsextremer Chiffren und mitunter sogar rechtsextremer Parolen.

Schaut man sich die Aussagen der Partei über die Jahre an, die Netzwerke des mittlerweile aufgelösten „Flügels“, die aber faktisch nach Medienberichten an Einfluss gewonnen haben, die Einordnung der „Jungen Alternative“ in NRW als Verdachtsfall und die Beurteilung als gesichert rechtsextrem von drei Landesverbänden, spricht m. E. vieles für den Erfolg eines Parteiverbotsverfahrens.

Doch für einen Erfolg bedarf es einer durchdachten und umfangreichen Vorbereitung, einer genauen Darstellung der (faktischen) Parteistrukturen und des Aufzeigens der Gefahr, die durch die AfD droht. Ebenso bedarf es klugen Timings, damit die AfD nicht weitere Stimmgewinne bei Wahlen erzielen kann.

Meine Antwort auf die Frage, wie man selbst ein Fortschreiten der AfD verhindern kann, lautet: Wie man es in einer Demokratie macht. Durch Teilnahme an den Wahlen. Auch wenn man alle Parteien als „doof“ empfindet, sollte man immer noch eine demokratische Partei finden, die man „halbwegs wählen“ kann. Ungültige Stimmen haben übrigens den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis, wie das Nichtwählen – gar keinen. Dies kann die AfD also nicht verhindern. Man muss sich also aktiv mit der Politik auseinanderzusetzen. Dies bedeutet aber auch, Kompromisse einzugehen. Demokratie ist schwierig, weil sie vom Kompromiss und vom Ausgleich lebt.

Und, egal, wie schwer es fällt, sollte jemand ankündigen, die AfD wählen zu wollen, redet mit diesen Menschen. Ruhig und sachlich. Zeigt die Widersprüche der Partei auf und versucht zu verstehen, woher der Wille kommt, die AfD zu wählen. Ohne Vorwürfe, ohne Belehrung. Zeigt demokratische Alternativen auf, auch wenn man selbst diese spezifische Partei nicht wählen würde. Am Ende kommt es darauf an, dass die freiheitlich demokratische Ordnung erhalten bleibt, nicht ob ich mein Kreuz bei der demokratischen Partei X, Y oder Z gemacht habe.

Der beste Schutz der Demokratie erfolgt nicht durch Parteien oder Gerichte, sondern durch uns alle, durch unsere Wahlentscheidung, durch unser tägliches Handeln und Wirken und am Ende durch unser entschlossenes Entgegentreten gegen Feinde der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

AfD-Verbot: Das Wichtigste in Kürze

  • Rechtsextreme Tendenzen in der AfD: Die Partei steht aufgrund dieser Tendenzen in Konflikt mit dem Verfassungsschutz. Einige ihrer Landesverbände werden als gesichert rechtsextrem eingestuft.
  • Geheimes Treffen aufgedeckt: Ein geheimes Treffen von AfD-Mitgliedern mit rechtsextremen Gruppen wurde entdeckt, was zu Forderungen nach einem Parteiverbot führte.
  • Rechtliche Grundlage für ein Verbot: Nach Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes können Parteien verboten werden, die die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden.
  • Historische Perspektive: In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es nur zwei Parteiverbote – gegen die SRP und die KPD. Ein Parteiverbot ist ein seltenes und schwerwiegendes Instrument.
  • Strenge Kriterien des Bundesverfassungsgerichts: Das Gericht sieht das Parteiverbot als letztes Mittel zum Schutz der Demokratie und hat strenge Kriterien dafür festgelegt.
  • Verfahren zum Parteiverbot: Ein Parteiverbotsverfahren kann nur vom Bundestag, der Bundesregierung oder dem Bundesrat eingeleitet werden.
  • Vorwürfe gegen die AfD: Die Partei wird kritisiert wegen Äußerungen und Handlungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen, einschließlich der Forderung nach 'Remigration'.
  • Bewertung der Gesamtlage der Partei: Einzelne Vorfälle reichen für ein Verbot nicht aus; es bedarf einer umfassenden Bewertung der Gesamtlage der Partei.
  • Aggressiv-kämpferische Haltung: Es gibt Hinweise auf eine solche Haltung innerhalb der AfD gegenüber der bestehenden Ordnung, ein Kriterium für ein Parteiverbot.
  • Komplexität der Entscheidung: Die Entscheidung über ein Parteiverbot erfordert eine umfassende rechtliche Auseinandersetzung und ist ein komplexer Prozess.
Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.