Erfahrungsbericht – Auslandspraktikum in internationaler Wirtschaftskanzlei in Brüssel

Wer möchte nach all den anstrengenden und nervenaufreibenden Monaten der Examensvorbereitung und dem stressigen Klausuren-Marathon nicht endlich einmal wieder vollkommen ausspannen und sich eine kleine (juristische) Auszeit nehmen? Sicherlich niemand würde diese Option ausschlagen, zumal unser Körper und unser psychisches Wohlbefinden nach dieser Belastung dringend eine ausgiebige Erholung benötigen.

Auszeit nach dem schriftlichen Examen  

Schon während des tagtäglichen Lernens träumen die meisten Examenskandidaten vermutlich schon von einem ausgiebigen Strandurlaub oder auch von einem mehrwöchigen Backpacking-Trip für die Zeit zwischen dem schriftlichen Examen und der mündlichen Prüfung.

Die Gerichtssprachen in Brüssel sind Französisch und Niederländisch, sodass die Schriftsätze und andere Anträge stets in einer der beiden Sprachen verfasst werden – je nachdem welche Kammer des jeweiligen Gerichts zuständig ist.

Die Aussicht, sich mal wieder ausgiebig erholt zu fühlen, keinen Druck mehr zu verspüren, in den Tag hineinzuleben und sich für die Dinge Zeit zu nehmen, die man schon seit Monaten aufschiebt bis man endlich wieder etwas mehr Luft hat, ist einfach unschlagbar – so gerne wir unsere Juristerei auch haben. Außerdem lernt es sich mit einem klaren Ziel vor Augen natürlich auch viel leichter. 

Internationale Erfahrungen und ein neues Rechtssystem  

Auch ich hatte meine Auszeit nach dem 1. Staatsexamen schon länger vor Augen, wobei diese von dem beschriebenen typischen Bild des Nichtstuns abwich. Seit dem Ende meines Auslandssemesters, welches ich nach meinem vierten Semester in Helsinki verbracht habe, reifte in mir der Wunsch nach einem erneuten mehrmonatigen Auslandsaufenthalt noch während des Jurastudiums.

Ich wollte noch einmal meiner täglichen Routine entfliehen, neue Kontakte knüpfen, ein neues Rechtssystem kennenlernen und meine internationalen Erfahrungen erweitern. Ein Praktikum in einer Kanzlei im Ausland schien mir dafür sehr geeignet. 

Recherche und Initiativbewerbungen

So kam es, dass ich ca. ein halbes Jahr vor meinem Examenstermin im Internet nach europäischen Kanzleien Ausschau hielt, die nicht nur einheimischen Studierenden die Möglichkeit eines Praktikums boten, sondern auch offen für internationale Praktikanten waren. Dies gestaltete sich gar nicht so einfach, da neben Englisch auch häufig zwingend die umfassende Kenntnis der jeweiligen Landesprache vorausgesetzt wurde.

Neben einigen Initiativbewerbungen nutzte ich auch das STEP-Praktikantenprogramm von ELSA Deutschland e.V. und hier war ich letztendlich auch erfolgreich. Ich bewarb mich bei einer italienischen und einer belgischen Kanzlei und bekam von letzterer eine Zusage. Hierüber war sich sehr glücklich, gerade auch weil mir Brüssel während eines Kurztrips in der Vergangenheit sehr gut gefallen hat. 

Zusage aus Brüssel

Meine Vorbereitungen für mein dreimonatiges Auslandspraktikum hielten sich während meiner Examensvorbereitung in Grenzen. Ich fand in einer Wohnungsgruppe für Brüssel auf Facebook relativ schnell ein schönes Zimmer in einer 2er-WG mit einer Französin, die an der französischsprachigen Universität in Brüssel studierte. Ebenso nutzte ich das ERASMUS-Angebot für eine finanzielle Förderung meines Praktikums, für die ich lediglich ein paar Unterlagen (Versicherungspolicen u.Ä.) einreichen musste. 

Praktikum in einer internationalen Kanzlei für Wirtschafts- und Unternehmensrecht

Meine Vorfreude auf den Herbst war fortan groß und so ließen sich auch die verbleibenden Sommermonate der Examensvorbereitung noch überstehen. Nach meinen schriftlichen Klausuren und einem kurzen einwöchigen Urlaub bei meinen Eltern startete meine richtige Auszeit. 

Zunächst besuchte ich im Vorfeld meines Praktikums einen zweiwöchigen Französisch-Sprachkurs in Brüssel, da ich die Sprache schon seit längerer Zeit lernen wollte. Ebenso konnte ich so bereits ein paar Kontakte vor Ort knüpfen.  

Die Kanzlei, in der ich mein Praktikum absolvierte, war eine international ausgerichtete Kanzlei für Wirtschaftsrecht und Unternehmensrecht, die sich insbesondere auf die Begleitung von deutschsprachigen Unternehmen bei ihrem unternehmerischen Engagement in Belgien spezialisiert hat. Faszinierend war für mich insbesondere die Sprachenvielfalt der dort tätigen sechs Anwälte. Es beeindruckte mich jeden Tag aufs Neue, dass diese viersprachig arbeiteten (Deutsch, Französisch, Niederländisch und Englisch).

Die Gerichtssprachen in Brüssel sind Französisch und Niederländisch, sodass Schriftsätze und Anträge stets in einer der beiden Sprachen verfasst werden müssen – je nachdem welche Kammer des Gerichts zuständig ist. Die Korrespondenz mit den Mandaten erfolgte überwiegend auf Deutsch und Englisch. So konnte ich mich trotz meiner eingeschränkten Sprachkenntnisse in Französisch und Niederländisch sehr gut in die Kanzlei einbringen. 

Aufgaben als Praktikantin und Gerichtsverfahren

Als Praktikantin widmete ich mich verstärkt Recherchen hinsichtlich rechtlicher Fragestellungen, bereitete Stellungnahmen für Mandaten vor und unterstützte die Anwälte bei der Erstellung von Schriftsätzen. So bekam ich Einblicke in das belgische Recht, insbesondere Handelsrecht. Daneben beschäftigte ich mich mit Unionsrecht (speziell den Verordnungen Rom I und II, Brüssel Ia).

Außerdem kam mein Vorgesetzter auf mich zurück, wenn deutsches Recht auf den Sachverhalt anwendbar war. Ein Teil meiner Tätigkeit war es auch, Übersetzungen anzufertigen. Auch der Ablauf belgischer Gerichtsverfahren war interessant für mich. Ich konnte als Zuhörerin an insgesamt drei Verhandlungen teilnehmen, wovon zwei in französischer Sprache und eine in Niederländisch abgehalten wurden. 

Freizeit in Brüssel

Insgesamt tat es sehr gut, diese neuen Erfahrungen zu sammeln, gerade auch, weil jedes Land trotz all der europarechtlichen Überformungen sein eigenes System verfolgt und seine Eigenarten vorweist. Zudem unterscheidet sich die Praxis der Anwälte in Belgien oftmals erheblich von der deutscher Anwälte. 

Doch während meines Aufenthalts in Belgien verbrachte ich meine Zeit nicht nur (wieder) mit Jura, vielmehr erkundete ich an den Abenden und den Wochenenden Brüssel und andere Orte. Mit einer aus Österreich stammenden Praktikantin, die wie ich in der Kanzlei tätig war, einer Freundin aus meinem Sprachkurs sowie meiner Mitbewohnerin besuchte ich die belgischen Städte Gent, Brügge, Ostende, Antwerpen, Lüttich, Namur und Löwen, aber auch Amsterdam, Utrecht und Paris. So bot sich mir die Möglichkeit, meine Auszeit zumindest teilweise mit „Urlaub“ und Reisen zu verbinden. 

Fazit: Auslandspraktikum in Brüssel

Schneller als gedacht, neigte sich mein Auslandspraktikum dem Ende zu und meine mündliche Prüfung stand vor der Tür. In einem kurzen Anflug von Panik dachte ich, dass ich die Zeit in Brüssel vielleicht besser für das Examens-Lernen hätte nutzen können. Ich bekam die Panik in den Griff, als ich mir vor Augen hielt, dass nur sehr wenige diese Monate durchgängig für die Wiederholung des Lernstoffes für die mündliche Staatsprüfung verwenden. Noch dazu war ich nicht komplett vom deutschen Recht weg gewesen und die Zeit war dann doch zu kurz um alles zu vergessen. Zuletzt bietet sich einem dieselbe Situation, wenn man die Wahlstation des Referendariats im Ausland verbringt. 

Letztendlich muss jeder seine Art der Auszeit und den besten Weg zur Regeneration nach den harten Monaten der Examensvorbereitung finden. Wichtig ist meiner Ansicht nach nur, dass man sich eine Auszeit nimmt. Welche Form auch immer ihr also wählt, genießt es und erholt euch gut!

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Autorin
Sabrina Schmidbaur

Sabrina Schmidbaur studierte Rechtswissenschaft an der Universität Regensburg und legte ihren Schwerpunkt schon während ihres Studiums u.a. auf den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Vor und während ihres Referendariats am Landgericht Wiesbaden war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich IP einer Wirtschaftskanzlei tätig. Sie ist seit 2022 als Rechtsanwältin zugelassen und für bock legal tätig.