Präkrastination – Vom Stress, ALLES sofort zu erledigen

Präkrastination – der Drang, ALLES sofort zu erledigen – kann krank machen. Wir haben Tipps, die gegen die Erledigungswut helfen.

Das Gegenteil von Prokrastination ist die Präkrastination — der Drang, alles sofort zu erledigen

Präkrastination ist das unmittelbare Erledigen von Aufgaben. Das klingt doch eigentlich erstrebenswert, oder? Als hätte man das Leben, den Haushalt oder den Job wirklich gut im Griff. Präkrastination kann aber auch zu enormem Stress führen und ist nicht besser als das Gegenteil – die Prokrastination. Beides kann in extremer Form zu stressbedingten Krankheiten führen.

Präkrastination ist der Drang, alles sofort zu erledigen. Das Gegenteil von Präkrastination ist Prokrastination, das Hinauszögern von Aufgaben.

Was bedeutet Präkrastination?

Präkrastination, oder auch Prekrastination (engl. Precrastination/Pre-Crastination), ist der Drang, alles sofort zu erledigen. Das Gegenteil von Präkrastination ist Prokrastination (engl. Procrastination), das Hinauszögern von Aufgaben.

Im Gegensatz zur Erledigungswut ist die Aufschieberitis schon länger bekannt. Wer schon mal lieber den Backofen gereinigt hat als seine Steuererklärung zu machen, kennt das Phänomen. Rund ein Viertel der Deutschen beschreiben es als ihre schlechteste Angewohnheit, Dinge aufzuschieben [1]. Offizielle Daten zum Anteil der deutschen Präkrastinierenden gibt es bislang keine.

Auf den ersten Blick klingt Präkrastination wirklich toll: Alle anfallenden Aufgaben werden sofort erledigt. Die To-Do-Liste wird nicht nur einfach abgearbeitet. Das Ganze geschieht auch noch in erstaunlicher Geschwindigkeit. Davon träumen Chefs!

Dinge, die erledigt werden müssen, dürfen nicht warten.

Aber so erstrebenswert, wie der erste Blick einen glauben lässt, ist der Erledigungszwang dann doch nicht. Wer alles asap – as soon as possible, wie Büromenschen gern sagen – erledigt, leidet irgendwann unter dem zunehmenden Stress durch eine immer wachsende Liste an Aufgaben, die zu erledigen sind.

Dabei gilt für den Erledigenden vor allem eins: So schnell wie möglich Dinge von der Liste streichen. Hauptsache weg damit. Schwierig wird das, wenn die Aufgaben nur noch oberflächlich erledigt werden, weil keine Zeit für Sorgfalt bleibt. Zwanghaftes Präkrastinieren kann auch dazu führen, dass der Präkrastinierende sich mehr Projekte aufhalst als andere.

Ein Beispiel für Präkrastination

Ein:e Arbeitnehmer:in hat zwanzig Punkte auf der Liste der Dinge, die bis zum Ende der Woche bearbeitet werden müssen. Die Deadline am Freitag empfindet der/die Arbeitnehmer:in aber nicht als wirkliche Frist, zufrieden mit sich selbst ist die Person nur, wenn alles bereits bis Mittwoch erledigt ist.

Die Sorge, nicht alles rechtzeitig bis Freitag zu schaffen, treibt sie zu einem viel zu schnellen Tempo an. Neue Projekte tauchen auf und weil der/die Arbeitnehmer:in schon einen Großteil der zwanzig eigentlichen Aufgaben erledigt hat, übernimmt er/sie – freiwillig oder nicht – noch fünf weitere. Außenstehende halten das vielleicht für engagiert und fleißig. Doch der Stresspegel steigt und steigt.

Woher stammt der Begriff Präkrastination?

2014 ließ der Psychologe David A. Rosenbaum von der University of California ein Experiment durchführen. Probanden sollten einen von zwei Eimern bis zum Ende einer Strecke tragen. Einer der Eimer stand nah bei ihnen, einer weiter weg. Beide Eimer waren gleich schwer und die Teilnehmer:innen durften frei wählen, welchen Eimer sie nehmen und ins Ziel tragen. Rosenbaum und seine Kollegen:innen erwarteten, dass die Träger:innen den Eimer wählen würden, der weiter hinten und somit näher am Ziel stand, denn das wäre kräftesparend und effizient.

Überraschenderweise griffen die Teilnehmenden jedoch zu dem Eimer, der ihnen näher stand und mit dem sie eine weitere Wegstrecke zurücklegen mussten. Sie waren sozusagen bereit, eine längere körperliche Belastung hinzunehmen, in der Hoffnung, für die unmittelbare Umsetzung der Aufgabe eine Belohnung zu erhalten [2].

Den Begriff „Präkrastination“ wählten die Forschenden bewusst als Gegenüber zu dem bis dato bereits bekannten Wort „Prokrastination“ [3]: Statt Dinge aufzuschieben, die man sofort erledigen könnte, werden bei der Präkrastination Dinge sofort erledigt, die man besser später in Angriff genommen hätte – wie den Eimer ins Ziel zu tragen, der weiter vom Ziel weg stand, statt den zu wählen, der leichter und schneller hätte ins Ziel gebracht werden können.

Was ist schlecht am Präkrastinieren?

  1. Steigendes Stresslevel
  2. Oberflächliches Arbeiten
  3. Weniger Sorgfalt beim Ausführen der Arbeit
  4. Nach der erstbesten und nicht nach der tatsächlich besten Lösung suchen
  5. Mittelmäßige Qualität
  6. Hohe Fehleranfälligkeit
  7. Ineffizientes Arbeiten durch häufige Unterbrechungen für neue To-Dos
  8. Verlust des Fokus auf die tatsächlichen Prioritäten
  9. Psychische Erkrankungen durch extreme Form der erhöhten Arbeitslast

Warum präkrastinieren wir?

Rosenbaum und sein Team schreiben das Präkrastinieren auch dem Drang zu, sich selbst kognitiv zu entlasten[4]. Wenn wir eine Aufgabe unmittelbar erledigen, blockiert sie nicht unsere mentale To-Do-Liste für Arbeitsaufgaben. Das Wissen um eine unerledigte Aufgabe belastet den Präkrastinierenden so sehr, dass er alles dafür tun würde, um sie zu erledigen, selbst dann wenn die erstbeste Lösung nicht die tatsächlich beste ist.

Nachdem Rosenbaum und sein Team ihre Erkenntnisse zu dem Eimer-Experiment in der Fachzeitschrift Psychological Science [5] veröffentlichten, tauchten weitere Beispiele für das ineffiziente, übereilte Verhalten von Präkrastinierer:innen auf. Da werden Rechnungen vor dem Fälligkeitsdatum beglichen oder E-Mails zu hastig beantwortet. Typisch Präkrastination ist auch, beim Einkaufen schon den 3-kg-Kartoffelsack in den Einkaufskorb zu legen und durch den ganzen Laden zu tragen, obwohl man auf dem Weg zur Kasse noch mal an den Kartoffeln vorbeikommt.

Kann Präkrastination krank machen?

Nicht jeder, der seine Aufgaben unmittelbar und zügig erledigt, läuft Gefahr, dadurch krank zu werden. Wenn das Verhalten jedoch extrem und Präkrastination zum Zwang wird, ist Vorsicht geboten. Stress kann erwiesenermaßen zu Burnout führen und in der Folge sogar Depression begünstigen. Wir erleben im Alltag ständig Stress – im Beruf, im Familienleben, in der Freizeit.

Eine stressige Phase kann auch mal zu Höchstleistung motivieren und durchaus positiv sein. Die Stressepisode muss aber auch ein Ende haben. Bei Dauerstress kann die Regulierung im Gehirn versagen und durch die erhöhte Konzentration der Stresshormone zu Burnout und Folgeerkrankungen führen [6].

Manchmal fängt der frühe Vogel nicht den Wurm, manchmal fällt der frühe Vogel erschöpft vom Baum. Soweit muss es aber nicht kommen.

Präkrastination - auch der Fleißigste braucht mal eine Pause - Mann am Schreibtisch schaut in die Luft und pfeift
Auch der frühe Vogel braucht mal eine Pause

Was hilft gegen Präkrastination?

8 Tipps, um Präkrastination zu überwinden

Sich des Verhaltens bewusst werden. In vielen Fällen ist der erste Schritt schon getan, wenn man sich der Präkrastination bewusst wird. Dann kann man Maßnahmen ergreifen, um das Verhalten zu ändern.

Druck hinterfragen. Finden Sie heraus, woher der Druck kommt – machen Sie ihn sich selbst oder wem versuchen Sie gerecht zu werden und aus welchen Gründen?

Prioritäten setzen. Das ist leichter gesagt als getan, aber versuchen Sie, Prioritäten zu setzen. Welche Aufgabe MUSS wirklich unmittelbar erledigt werden? Zum Beispiel, weil Sie selbst oder Ihre Kollegen sonst nicht weiterkommen. Ordnen Sie Ihre Aufgaben nach Wichtigkeit. Vielleicht hilft Ihnen dabei auch ein Farbschema.

Überblick mit Kalender schaffen. Strukturieren Sie Ihre Arbeitswoche oder Ihren Arbeitstag und legen Sie fest, wann Sie bestimmte Aufgaben erledigen.

Manchmal fängt der frühe Vogel nicht den Wurm, manchmal fällt der frühe Vogel erschöpft vom Baum.

Keine Unterbrechungen. Erledigen Sie einzelne Unteraufgaben, ohne sich unterbrechen zu lassen. Legen Sie Fokus-Zeiten ein, in denen Sie für einige Zeit nicht gestört werden dürfen oder können (Telefon ausstöpseln, sich für eine Ruhe-Arbeits-Phase bei Kommunikationsmedien wie Skype, Slack und Teams abmelden, etc.) und fokussieren Sie sich auf ein Projekt.

Konzentration auf die Aufgabe. Multi-Tasking ist Ihr Feind – bleiben Sie konzentriert bei einer Aufgabe.

Abends To-Do-Liste schreiben. Schreiben Sie sich jeden Abend als letzte Amtshandlung eine To-Do-Liste für den folgenden Tag. Damit schließen Sie nicht nur den Tag ab, sondern benennen klar die Aufgaben, die für morgen anstehen. Dadurch denken Sie nach Feierabend weniger an diese Aufgaben („Hoffentlich vergesse ich nicht, dass ich morgen diese eine Sache machen muss“) und können besser abschalten.

Hilfe holen. Kein Problem dieser Welt muss alleine gelöst werden. Wenn alle einfachen Tipps und Tricks nichts mehr helfen, sollte man die Hilfe von Profis in Anspruch nehmen, zum Beispiel mit psychologischer Hilfe, Seminaren zu Stressbewältigung oder Zeitmanagement.

Autorenportät Lisa Friedmann mit Pflanze
Autorin
Lisa Friedmann

Lisa Friedmann (Hamburg), Jahrgang 1984, studierte Informationswissenschaften (Diplom) und arbeitet seit über 15 Jahren als Redakteurin und Content-Managerin für verschiedene Unternehmen. Sie hat keine Ahnung von Pflanzen, aber einen grünen Daumen.