Wie Unternehmen mit Feminismus werben, warum es funktioniert und was es problematisch macht
Der Begriff Femvertising verbindet die Wörter Feminismus und Advertising – bezeichnet wird damit die Strategie, Produkte oder Dienstleistungen mit Feminismus zu bewerben.
Beispiele für Femvertising gibt es viele: McDonald’s zum Beispiel präsentierte im Jahr 2020 einen Spot, in dem sich eine Clique selbstbewusster junger Frauen für männerdominierte Sportarten wie E-Sports und Basketball begeistert. Im selben Jahr setzte Daimler-Benz Cristina Mittermeier als Werbebotschafterin ein – die bis dahin eher nur in Fachkreisen bekannte Naturfotografin wurde durch den Spot für Mercedes ins sicherlich verdiente Rampenlicht gerückt.
Femvertising bezeichnet die Strategie, Produkte oder Dienstleistungen mit Feminismus zu bewerben.
Eine der ersten großen Body-Positivity-Kampagnen, die „Campaign for real beauty“ von Dove, kann ebenfalls als Femvertising gelten. Die Protagonistinnen sind Models, die nicht die althergebrachten Schönheitsideale erfüllen, sondern durch ihre Vielfalt und Authentizität sympathisch wirken.
Femvertising stellt starke und unabhängige weibliche Individuen, ihre Verdienste und ihre Interessen in den Mittelpunkt. Oftmals beinhalten die Werbebotschaften eine kräftige Dosis Empowerment. Zentrale Aussagen sind zum Beispiel „Sei, wie du willst“ oder „Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst.“
Frauenbilder in der Werbung: Spektrum statt Stereotype
Vorbei sind die Zeiten, in denen Frauen in Werbespots entweder nur als Expertinnen für Haushalts-Fragen oder als sexy Dekoration zu sehen waren. Die Werbebranche nimmt „Frausein“ heute nicht mehr in stereotypen Kategorien, sondern als ein großes Spektrum wahr. Femvertising gibt es für globale Konzerne, ebenso wie für den Mittelstand oder den Einzelhandel um die Ecke. In der Werbung ist mittlerweile ganzjährig Weltfrauentag – so scheint es. Ist dieser Trend wirklich erfreulich?
Femvertising verbindet Feminismus und Werbung, um starke und unabhängige weibliche Individuen in den Mittelpunkt zu stellen und eine kräftige Dosis Empowerment zu vermitteln.
Die Allgegenwärtigkeit von Femvertising beweist zunächst einmal nichts anderes, als dass Frauen als Zielgruppe zunehmend interessant werden. Unternehmen, die entsprechend werben, richten sich an die heutzutage zahlreichen Verbraucher:innen, die Gleichstellung und Emanzipation befürworten. Die erhöhte Sichtbarkeit starker Frauenbilder ist somit kein Verdienst der Werbung, sondern eine Reaktion auf die Lebenswelt der Zuschauer:innen.
Die erhöhte Sichtbarkeit starker Frauenbilder ist somit kein Verdienst der Werbung, sondern eine Reaktion auf die Lebenswelt der Zuschauer:innen.
Diese Lebenswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich auf Initiativen der Frauenbewegung hin verbessert. Ein kurzer Rückblick: Am Anfang der Frauenbewegung stand der Einsatz für das Frauenwahlrecht. Diese politische Forderung hatte Erfolg – das ist mehr als hundert Jahre her.
In einer zweiten Welle, etwa ab Mitte des 20. Jahrhunderts, waren unter anderem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch Ziele der Bewegung. Abermals wurde dafür gekämpft, grundlegende gesellschaftliche Strukturen gegenwärtig und für folgende Frauengenerationen zu verbessern.
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Kleidung, Lifestyle & Co: Kulturelle Kategorien wichtiger als Politik
Was gilt heutzutage als feministisch? Wenn man sich in den Medien einmal umschaut, dann sind Kategorien, in denen Feminismus häufig gedacht wird, zunehmend kultureller Natur: Es geht um Kleidung, Lifestyle & Co. Was zieht frau an? Welche Musik hört sie? Was isst sie und welches Auto fährt sie? All das wird mitunter auch als „populärer Feminismus“ bezeichnet. Hier stehen Spaß und Selbstverwirklichung der einzelnen Frau im Vordergrund.
Die renommierte US-amerikanische Politikwissenschaftlerin und Feministin Nancy Fraser stellt fest, dass kulturelle Veränderungen der Geschlechterrollen grundsätzlich wünschenswert sind. Sie weist aber ebenfalls darauf hin, dass es in Bereichen wie Mode und Lifestyle um Individualität geht – und somit gewissermaßen um einen Gegenbegriff zu Solidarität. Zwar schließen sich Individualität und Solidarität nicht zwingend aus, es kann jedoch leicht zu einem ungesunden Ungleichgewicht kommen. Wird im Feminismus die Individualität überbetont, so könne dies zulasten der Solidarität unter Frauen gehen, so Fraser.
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„Femvertising“ blendet unbequeme Teilaspekte des Feminismus strategisch aus
Solidarität unter Frauen ist weiterhin notwendig, um politische Ziele zu verfolgen. Denn während in den Medien so viele starke Frauenbilder präsent sind, wie vielleicht nie zuvor, ist Gleichstellung in entscheidenden Lebensbereichen immer noch nicht erreicht.
In fast allen Wirtschaftszweigen verdienen Frauen weniger als Männer (gender pay gap), sie übernehmen im Privaten oftmals den größten Anteil unbezahlter Care-Arbeit und sie sind häufiger als Männer von Altersarmut betroffen. Im „populären Feminismus“ ist nichts davon sichtbar.
Wenn mit Feminismus geworben wird, dann werden unbequeme Aspekte von Feminismus oftmals nicht zufällig, sondern strategisch vernachlässigt.
Ein Treiber dieses „populären Feminismus“ ist Femvertising. Wenn mit Feminismus geworben wird, dann werden unbequeme Aspekte von Feminismus oftmals nicht zufällig, sondern strategisch vernachlässigt. Denn hier dient die Darstellung von Feminismus der Absatzförderung: Sie soll einen Kaufimpuls wecken. Das geht am besten mit ungetrübten, positiven Gefühlen. Deshalb betont Werbung, die sich in erster Linie an Frauen richtet, häufig die individuelle Freiheit und Autonomie ihrer Protagonistinnen.
Beides sind wichtige Teilaspekte des Feminismus, jedoch nur ein Bruchteil der ursprünglichen Agenda. Mit unbequemen Wahrheiten wie dem gender pay gap wird nur selten geworben, weil sich damit bei der weiblichen Zielgruppe keine positiven Gefühle wecken lassen.
Wichtige Anliegen können auf diese Weise weichgespült werden – zuerst in der Werbung und dann auch in der Realität.
Werbung hat ihre spezifischen Interessen und das ist legitim. Die Arbeit und Kreativität von Werbeschaffenden bringt oftmals unterhaltsame und bewegende Ergebnisse hervor. Doch werden politische oder gesellschaftliche Werte in der Werbung aufgegriffen und bestimmte Teilaspekte dabei überbetont, dann kann das problematisch sein. Wichtige Anliegen können auf diese Weise weichgespült werden – zuerst in der Werbung und dann auch in der Realität.
Werbung orientiert sich an Vorstellungen ihrer genau erforschten Zielgruppe
Die US-amerikanische feministische Gelehrte Peggy Phelan stellt fest, dass Realität und ihre Repräsentation (zum Beispiel in einem Werbespot) in einer Wechselwirkung stehen: Nicht nur die Wirklichkeit inspiriert die Repräsentation; auch die Repräsentation strahlt zurück in die Lebenswelt der Zuschauer und Zuschauerinnen.
Es gibt Diversity-Hashtags & T-Shirts mit Diversity-Claims und Bildarchive quellen über mit Symbolbildern gemischter Teams.
Das bedeutet: Werbung orientiert sich einerseits an den Vorstellungen ihrer oftmals genau erforschten Zielgruppe. Dass Freiheit und Autonomie für Frauen erstrebenswert sind, ist keine Erfindung des Femvertising. Doch die Werbung, die sich an Frauen richtet, kann dazu beitragen, dass sich die öffentliche Vorstellung von Feminismus zunehmend auf diese Bereiche reduziert. Dann geraten unbequeme – aber trotzdem wichtige – Aspekte des Feminismus nicht nur in der Werbung, sondern auch gesellschaftlich aus dem Blick.
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Eine Dynamik, die jede Bewegung treffen kann
Diese Dynamik kann jede Bewegung betreffen und zum Bedeutungswandel von gesellschaftlichen Werten führen. Nehmen wir mal Diversity: Bei dem bewussten Umgang mit Vielfalt in einer Gruppe oder Gesellschaft werden Unterschiede zwischen Individuen nicht als Problem, sondern als Bereicherung empfunden. Das Ziel ist, dass Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund voneinander lernen und gemeinsam wachsen können.
Nachvollziehbarerweise hat dieses Konzept viele Fans. Es gibt Diversity-Hashtags, T-Shirts mit Diversity-Claims und Bildarchive quellen über mit Symbolbildern gemischter Teams. Im Handumdrehen kann Diversity zu einem Unternehmenswert erklärt und möglichst öffentlichkeitswirksam kommuniziert werden – in Werbespots, Broschüren und mehr.
Nur oberflächliche Repräsentation reicht nicht
Um echte Vielfalt zu erreichen, reicht es jedoch nicht aus, nur eine oberflächliche Repräsentation zu erreichen, sondern es müssen auch systemische Ungleichheiten angegangen und eine Kultur geschaffen werden, die Unterschiede wertschätzt und würdigt. Dies zu erreichen, kann langwierig sein und viele Ressourcen kosten. Gerade die Popularität von Diversity kann diesen Prozess beeinträchtigen.
Wie hier am Beispiel des Feminismus und seiner Instrumentalisierung in der Werbung gezeigt wurde, kann die Popularisierung eines gesellschaftlichen Wertes oder einer politischen Bewegung dazu führen, dass der Kern des verfolgten Anliegens ausgehöhlt wird. Im Sinne jeder Sache, die man selbst als „gut“ empfindet, kann es sinnvoll sein, sich selbst für diese Dynamik zu sensibilisieren.
Femvertising: Wie Werbung dem Feminismus schadet – FAQs
Der Begriff Femvertising verbindet die Wörter Feminismus und Advertising – bezeichnet wird damit die Strategie, Produkte oder Dienstleistungen mit Feminismus zu bewerben. Femvertising ist Teil von Werbestrategien, die sich in erster Linie an Verbraucher:innen richten, die Gleichstellung und Emanzipation befürworten.
Femvertising setzt sich in Werbestrategien immer mehr durch. Dementsprechend gibt es zahlreiche Beispiele. McDonald’s präsentierte etwa 2020 einen Spot mit selbstbewussten jungen Frauen, die sich für männerdominierte Sportarten begeistern. Ein anderes Beispiel ist Daimler-Benz: Das Unternehmen hat u.a. die Naturfotografin Cristina Mittermeier als Werbebotschafterin eingesetzt. Auch die Campaign for real beauty von Dove kann als Beispiel für Femvertising gelten.
Femvertising stellt meist starke und unabhängige weibliche Individuen in den Mittelpunkt und enthält eine kräftige Dosis Empowerment: Typische Aussagen sind „Sei, wie du willst“ und „Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst.“
Femvertising trägt dazu bei, dass Frauen und Mädchen in den Medien zunehmend sichtbar werden und differenziert dargestellt werden. Die Vielfalt an Frauenbildern in der Öffentlichkeit nimmt damit zu. Studien haben gezeigt, dass Sexismus in der Werbung rückläufig ist.
Der „populäre Feminismus“ ist ein Bild von Feminismus, das sich besonders gut eignet, um damit zu werben – weil sich damit positive Gefühle wecken lassen. Zumeist geht es dabei um kulturelle Aspekte wie Kleidung, Lifestyle und Musik.
Wenn kulturelle Aspekte des Feminismus in der Werbung überbetont werden, dann werden die politischen und gesellschaftlichen Inhalte der Frauenbewegung zumeist vernachlässigt. Femvertising kann auf diese Weise dazu beitragen, dass das öffentliche Bild von Feminismus weichgespült wird und wichtige Anliegen wie soziale Gleichstellung aus dem Blick geraten.
Femvertising und Femwashing sind unterschiedliche Begriffe, obwohl sie ähnlich klingen. Femvertising bezieht sich auf die Werbung, die starke Frauenbilder zeigt und stärkt, während Femwashing ein Vorgehen von Unternehmen beschreibt, die vorgeben, feministische Themen zu unterstützen, dies aber nur als PR-Taktik tun, um ihr Image oder ihre Verkaufszahlen zu verbessern. Um festzustellen, ob ein Unternehmen Femwashing betreibt, kann man die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und die Herstellungsprozesse genauer betrachten. Oftmals stehen diese im Widerspruch zu den pro-feministischen Aussagen, die das Unternehmen macht.
Alexandra Feldhofer ist freie Autorin. Sie steht auf Feminismus, Diversity, Klimaschutz und differenzierte Positionen. Ihre Masterarbeit „Audiovisuelle Rhetorik in Werbespots zum Weltfrauentag 2020“ hat sie im Studiengang Unternehmenskommunikation & Rhetorik der Universität des Saarlandes geschrieben. Außerdem ist sie im Online-Marketing tätig.
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