Die Wahl des Schwerpunktbereichs: Mehr als nur ein Pflichtprogramm

Ein unscheinbarer Schritt im Jurastudium entscheidet oft über Profil, Note und Perspektive – und wird doch allzu leicht links liegen gelassen. Wer beim Schwerpunktbereich nur ans Pflichtprogramm denkt, vergibt einzigartige Chancen für den eigenen Weg.

Die Wahl des Schwerpunktbereichs im Jurastudium: Weichenstellung für Note und Karriere

Das Jurastudium folgt meist festen Bahnen: Überall gelten die gleichen Pflichtinhalte, dieselben Prüfungsanforderungen und ein starker Fokus auf das Staatsexamen. Spielraum für eigene Schwerpunkte findet sich kaum.

Umso wichtiger ist die Entscheidung für den Schwerpunktbereich. Er macht nicht nur 30 Prozent der Examensnote aus – er bietet zudem eine seltene Chance, das Studium selbst zu gestalten und Weichen für die eigene Laufbahn zu stellen. Dennoch unterschätzen viele Studierende die Bedeutung dieser Wahl und schieben sie hinaus. Wer sich aber früh und bewusst mit dem Thema befasst, profitiert mehrfach – vor allem, wenn Interessen und Ziele nicht auf der Strecke bleiben.

Warum zählt der Schwerpunktbereich?

Seit der Reform der Juristenausbildung 2003 gehört der Schwerpunktbereich verpflichtend zum Jurastudium. Er wurde eingeführt, um Studierenden wissenschaftliches Arbeiten näherzubringen und eine erste fachliche Spezialisierung zu ermöglichen. Die universitäre Prüfung – in der Regel bestehend aus Seminararbeit, Klausur und mündlicher Prüfung – fließt mit 30 % in die Gesamtnote der Ersten Juristischen Prüfung ein.

In Bewerbungen – egal ob bei Gericht, im Staatsdienst oder in Großkanzleien – ist die Examensnote (leider immer noch) zentral. Ein stimmiger Schwerpunkt, fachlich wie notentechnisch, kann das Profil schärfen. Besonders dann, wenn er zu den beruflichen Plänen passt, sticht er positiv hervor.

Zeitpunkt der Schwerpunktwahl: Vor oder nach dem Examen?

Je nach Bundesland und Universität ist die zeitliche Einordnung flexibel: Der Schwerpunktbereich kann vor oder nach dem ersten Examen absolviert werden.

Wer ihn vor dem Examen wählt, hat die Schwerpunktnote früh in der Tasche und kann entspannter in die Examensprüfungen gehen. Andererseits konzentriert man sich während des Schwerpunktstudiums mindestens ein Jahr auf einen in der Regel nicht examensrelevanten Rechtsbereich, wodurch das Wissen aus dem Grund- und Hauptstudium in den Hintergrund rücken könnte.

Wer den Schwerpunkt nach dem ersten Staatsexamen absolviert, muss das Examen nicht mehr parallel meistern. Nachteil ist gleichzeitig jedoch, dass man nach dem langen Repetitorium und den Examensklausuren mental ausgelaugt sein kann und so nicht die volle Konzentration für das Schwerpunktstudium aufbringen kann.

Der optimale Zeitpunkt hängt stark von individuellen Faktoren ab – etwa vom Lerntyp, persönlichen Belastungsgrenzen und der eigenen Prüfungsstrategie.

Profilbildung und Karriere

„Welchen Schwerpunkt haben Sie gewählt?“ – Diese Frage kommt im Bewerbungsgespräch, spätestens aber im Referendariat. Der gewählte Bereich zeigt Interesse, Fachrichtung und berufliche Orientierung. Besonders in Wirtschaftskanzleien sind Schwerpunkte wie Gesellschaftsrecht, Kapitalmarktrecht oder Steuerrecht gefragt.

Wer sich hingegen für Völker- oder Europarecht entscheidet, signalisiert häufig Interesse an internationalen Organisationen oder einer Tätigkeit im diplomatischen Dienst. Schwerpunkte in Strafrecht, Kriminologie oder Rechtspsychologie deuten auf spätere Tätigkeiten in Justiz oder Wissenschaft hin.

Aber: Die Wahl ist kein unumkehrbarer Schritt. Karrieren verlaufen selten gradlinig. Auch ein unerwarteter Schwerpunkt überzeugt, wenn die Motivation klar ist. Entscheidend ist, dass man authentisch bleibt und seine Entscheidungen überzeugend erklären kann.

Strategische Überlegungen bei der Schwerpunktwahl?

So sehr strategische Überlegungen bei der Schwerpunktwahl eine Rolle spielen sollten, so sehr lohnt sich ein Blick nach innen. Man könnte sogar behaupten, dass dies der wichtigste Faktor bei der Schwerpunktwahl ist. Denn ein Rechtsbereich, der motiviert und Freude bringt, führt meist zu besseren Ergebnissen, und das nicht nur in der Note.

Die intensive Auseinandersetzung mit einem Rechtsgebiet kann helfen, juristische Zusammenhänge besser zu verstehen und methodisch sicherer zu werden. Wer mit Begeisterung dabei ist, wird die Klausuren, die Studien- bzw. Seminararbeit und die mündliche Prüfung souveräner meistern und hat im Idealfall sogar Spaß daran. In meinem Fall etwa hat die Studienarbeit, die ich im Rahmen meines Schwerpunktes anfertigen musste, direkt zu meiner späteren Promotion geführt.

Der Schwerpunkt bietet sich auch dafür an, einen neuen Rechtsbereich auszuprobieren. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, denn man legt sich für zwei Semester – also ein Jahr – fest und die Ergebnisse sind für die Examensnote relevant. Trotzdem kann man möglicherweise Freude oder Talent für etwas Neues finden. Die meisten Universitäten ermöglichen das Probehören in den Schwerpunktbereichen, das sollte man unbedingt nutzen, bevor man sich endgültig entscheidet.

Noten, Gerüchte und Realität

Nicht selten kursieren an Universitäten informelle Rankings: „In Schwerpunkt X gibt’s gute Noten“, „Bei Professor Y wird streng bewertet.“ Solche Hinweise sollte man nicht ignorieren, aber mit Augenmaß bewerten. Die Qualität der Lehre, die Prüfungsformate und die Betreuung durch Dozierende variieren zwischen den Schwerpunktbereichen – ebenso wie die individuellen Stärken der Studierenden. Wer in einer mündlichen Prüfung brilliert, sollte diesen Aspekt bei der Schwerpunktwahl einbeziehen. Ein gezielter Blick auf diese Kriterien lohnt sich und oft können fortgeschrittenere Studierende Auskunft geben: Gibt es Schwerpunktbereiche mit tendenziell besseren Noten? Gibt es besonders strenge Prüfer:innen in den mündlichen Prüfungen?

Zudem gibt es manche Schwerpunkte, die sich stark mit dem Stoff des Ersten Staatsexamens überschneiden. Wer solch einen Schwerpunkt gewählt, kann bei der Examensvorbereitung möglicherweise Zeit sparen. Auch hier kann man von Erfahrungen von Studierenden aus höheren Semestern profitieren.

Die Entscheidung sollte nicht nur taktisch motiviert sein. Eine realistische Einschätzung der eigenen Stärken, Anforderungen sowie der persönlichen Erwartungen an den jeweiligen Fachbereich erscheint allerdings sehr sinnvoll.

Große Unterschiede zwischen den Universitäten

Schwerpunkte sind weder inhaltlich noch organisatorisch gleich. Die konkrete Ausgestaltung hängt stark von der jeweiligen Universität ab. Manche Hochschulen setzen auf klassische Fachbereiche, andere bieten spezialisierte, interdisziplinäre oder sogar international ausgerichtete Programme an. Auch der Umfang der Betreuung, die Auswahl an Seminaren oder die Einbindung praktischer Komponenten variiert deutlich. Einige Universitäten arbeiten etwa mit externen Dozierenden aus Kanzleien, Ministerien oder internationalen Organisationen zusammen – ein Pluspunkt für die Praxisnähe. Zudem können manche Schwerpunktbereiche an bestimmten Universitäten besonders renommiert sein, auch das könnte dann ein Argument sein.

Flexibel bleiben

Die Schwerpunktwahl ist ein Baustein im juristischen Werdegang – kein Zement. Der Schwerpunkt prägt, aber er bindet nicht. Praktika, Referendariat, ein LL.M. oder Auslandserfahrungen können neue Wege eröffnen. Die Entscheidung ist ein Mosaikstein, kein Endpunkt und man sollten bezogen auf die eigenen Ziele und damit verbundene Entscheidungen flexibel bleiben.

Fazit: Zwischen Strategie und Leidenschaft

Die Wahl des Schwerpunktbereichs ist weder trivial noch endgültig, aber sie bietet die Chance, das Jurastudium inhaltlich mitzugestalten. Wer bewusst und vielleicht auch strategisch auswählt, kann sich ein Jahr lang auf ein Rechtsgebiet konzentrieren, Interessen vertiefen, das eigene Profil schärfen und für die Karriere vorsorgen.

Die Suche nach dem „richtigen“ Bereich ersetzt ein ehrlicher Blick auf die eigenen Stärken. Für eine kluge Entscheidung lohnt sich: früh informieren, Optionen vergleichen, mit anderen reden – und so ein solides Fundament für Examen und Beruf schaffen.

Wahl des Schwerpunktbereichs – Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wahl des Schwerpunktbereichs beeinflusst Profil, Note und Karrierechancen im Jurastudium. Viele Studierende unterschätzen diese Entscheidung jedoch.
  • Der Schwerpunktbereich macht 30 Prozent der Examensnote aus. Zudem bietet er die seltene Chance, das Studium aktiv mitzugestalten.
  • Seit der Reform von 2003 ist der Schwerpunktbereich verpflichtender Bestandteil des Jurastudiums. Er soll wissenschaftliches Arbeiten fördern und eine erste Spezialisierung ermöglichen.
  • Die Schwerpunktnote kann den Ausschlag bei Bewerbungen geben. Ein passender Schwerpunkt schärft das Profil und kann positiv hervorstechen.
  • Der Zeitpunkt der Schwerpunktwahl variiert je nach Universität und Bundesland. Man kann ihn entweder vor oder nach dem ersten Examen absolvieren.
  • Wer den Schwerpunkt vor dem Examen wählt, hat die Note früh in der Tasche. Dafür könnte das examensrelevante Wissen in den Hintergrund treten.
  • Ein gut gewählter Schwerpunktbereich zeigt Interesse, Fachrichtung und berufliche Ausrichtung. Besonders Kanzleien oder internationale Organisationen achten darauf.
  • Die Wahl sollte nicht nur strategisch, sondern auch von den eigenen Interessen geleitet sein. Ein Rechtsgebiet, das Freude bereitet, führt oft zu besseren Ergebnissen.
  • Informelle Rankings über Notenvergabe oder Prüfungsanforderungen sind verbreitet. Diese sollten mit Bedacht, aber nicht ignoriert werden.
  • Die Schwerpunktwahl beeinflusst den Weg, bindet aber nicht endgültig. Praktika, Referendariat oder Auslandserfahrungen bieten weiterhin Flexibilität.
Greta Niehaus
Autorin
Greta Niehaus

Greta Niehaus hat Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und promoviert derzeit an der Bucerius Law School in Hamburg sowie an der UC Berkeley School of Law in Kalifornien. Sie war über ein Jahr als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Noerr in Berlin und New York tätig und ist Stipendiatin zweier Promotionsförderwerke. Im August 2025 nimmt sie ihr LL.M.-Studium an der Columbia Law School in New York auf.