Als Jurist zur Polizei
Von der Großkanzlei zur Polizei — Einstieg bei der Landespolizei NRW
Der Weg von vom Rechtsanwalt zur Polizei mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, zeigt aber die Vielfalt der Rechtswissenschaften.
Als Jurist zur Polizei: Ein ungewöhnlicher Karrierewechsel und die Vielfalt der Rechtswissenschaften
Als ich am 01.04.2021 den Schritt vom Rechtsanwalt zur Landespolizei NRW vollzogen habe, zweifelte der ein oder andere aus meinem Bekanntenkreis an dem Wahrheitsgehalt der Aussage und dachte zunächst an einen Aprilscherz.
Der Weg von vom Rechtsanwalt zum Polizeivollzugsbeamten mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Die Berufsbilder liegen gefühlt weit auseinander und scheinen zunächst wenig miteinander zu tun zu haben.
Der Weg vom Rechtsanwalt zum Polizeivollzugsbeamten mag ungewöhnlich erscheinen, doch es zeigt die Flexibilität und Vielfalt, die ein juristisches Studium bieten kann.
Gemeinsamkeiten werden zunächst meist im Strafrecht vermutet und so wurde ich meist zuerst gefragt, ob ich vorher als Strafverteidiger gearbeitet habe. Häufig wurde auch die Frage gestellt, warum ich als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht nach gut sieben Jahren die Kanzlei verlasse und einen „Neustart“ bei der Polizei NRW wage. Dabei zeigt gerade ein solcher Wechsel, dass ein Studium der Rechtswissenschaften eine breite Fülle von möglichen Berufsfeldern eröffnet.
Berufseinstieg in einer großen Kanzlei
Mit dem Berufseinstieg in einer großen Kanzlei eröffneten sich mir zunächst einmal neue Perspektiven und auch die Erkenntnis, dass schon der Anwaltsberuf genauso vielfältig ist, wie die zu bearbeitenden Lebenssachverhalte. Schon nach den ersten Tagen in der Kanzlei war schnell klar, dass die Arbeiten in der Kanzlei durch hohe Spezialisierung bestimmt sind. Während das Bild des Rechtsanwaltes in der Öffentlichkeit vor allem durch Roben und Auftritte vor Gericht geprägt ist, trifft dies nur auf wenige Rechtsanwälte in einer Großkanzlei zu.
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Denn ein Großteil der anwaltlichen Tätigkeit findet abseits von gerichtlichen oder außergerichtlichen Streitigkeiten, nämlich im Rahmen der juristischen Beratung statt. Obwohl ich mich durch das Referendariat und vorangegangene wissenschaftliche Mitarbeit gut vorbereitet wähnte, war die erste Zeit eine immense Umstellung. Neben Gesprächen mit Mandant:innen reiten sich die Akten im Büro auf und die Wochenplanung war vor allem durch die Terminverfügungen der Gerichte fremdbestimmt.
Die Arbeit an unterschiedlichsten Mandat:innen hat mir große Freude bereitet und ich erinnere mich gerne an die Kolleg:innen aus der Kanzlei, aber auch die Kolleg:innen auf der Gegenseite des Gerichtssaals zurück. Rückblickend kann ich sagen, dass es eine intensive Zeit mit einem hervorragenden Team und vielen spannenden Prozessen war.
Ein Wechsel der Perspektive: Juristische Expertise im höheren Polizeivollzugsdienst nutzen
Doch auch wenn mir die Arbeit als Rechtsanwalt sehr gut gefallen hat, habe ich die Alternative, bei Gericht oder in einer Behörde zu arbeiten, nie ganz aus den Augen verloren. Als Katalysator für die Entscheidung mich beruflich zu verändern, wirkte dann insbesondere die Corona-Pandemie. Nachdem ich bereits im Studium ein juristisches Praktikum bei der Polizei NRW absolviert hatte, zog ich auch einen Wechsel zur Polizei in Betracht.
Der Direkteinstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst bot mir die Chance, mich für die Gesellschaft einzusetzen und eine ebenso abwechslungsreiche wie herausfordernde Laufbahn einzuschlagen.
Für Bewerbende mit einer zweiten juristischen Staatsprüfung oder einer vergleichbaren zweiten Staatsprüfung des allgemeinen Verwaltungsdienstes eröffnet sich in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit des Direkteinstiegs in den höheren Polizeivollzugsdienst der Polizei NRW. Neben dem Interesse, sich für die Gesellschaft einzusetzen, bot sich hier für mich die Gelegenheit, eine Laufbahn einzuschlagen, die so vielfältig wie kaum eine andere ist. Von der späteren Verwendung in einer lokalen Kreispolizeibehörde bis hin zu einer Verwendung im Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen sprachen mich auf Anhieb viele der möglichen Funktionen an.
Neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Berufung in ein Beamtenverhältnis, müssen die Direkteinsteigerin und der Direkteinsteiger aber auch für den Polizeidienst geeignet und polizeidiensttauglich, d.h. für die Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet sein. Insbesondere diese für die Einstellung vorausgesetzte Polizeidiensttauglichkeit, bei der auch die körperliche Leistungsfähigkeit überprüft wird, fordert dem durchschnittlichen juristischen Schreibtischtäter einige sportliche Vorbereitung ab.
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Das dreistufige Auswahlverfahren: Der Weg zum höheren Polizeivollzugsdienst in Nordrhein-Westfalen
Nach der Bewerbung, die jeweils bereits im Sommer des Vorjahres für einen Beginn zum 01. April des Folgejahres eingereicht werden muss, erwartet den Bewerber ein dreistufiges Auswahlverfahren.
Die ersten beiden Verfahrenstage finden beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) der Polizei NRW in Münster statt. Am ersten Verfahrenstag erwarten einen neben der polizeiärztlichen Untersuchung verschiedene computergestützte Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit, der Persönlichkeitsstruktur, der Werteorientierung, der digitalen Kompetenz sowie der Führung im digitalen Raum.
Am zweiten Verfahrenstag erfolgt ein Assessment-Center durch Beamte des höheren Polizeivollzugsdienstes und externe Psycholog:innen. Die Bewerbenden müssen sich hier Gruppenübungen, Rollenspielen, einer Präsentation und einem Explorationsgespräch stellen.
Der dritte Verfahrenstag führt dann zu einem Einzelinterview mit einer Auswahlkommission des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Ernennung und Anforderungen im höheren Polizeivollzugsdienst
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Auswahlverfahrens erfolgt, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe, direkt die Ernennung zur Polizeirätin oder zum Polizeirat. Doch auch wenn die Befähigung zum Richteramt mit Abschluss der zweiten Prüfung (Staatsprüfung) die Zulassungsvoraussetzung für den Direkteinstieg in die Laufbahn des höheren Polizeivollzugsdienstes erfüllt, werden gerade für die Übernahme von Führungsfunktionen auch vertiefte Kenntnisse der polizeilichen Praxis benötigt.
Denn bei den Aufgaben, die einen im höheren Polizeivollzugsdienst erwarten, handelt es sich nicht um klassisch juristische Tätigkeiten. Vielmehr handelt es sich um eine Gemengelage aus Projektarbeit, Personalführung, Einsatzleitung, Organisation und Verwaltung, bei der ein umfassendes Verständnis der polizeilichen Arbeit unabdingbar ist.
Polizeiliche Einführung und Praxisphase
Daher erwartet die frischgebackenen Rätinnen und Räte zunächst eine „Polizeiliche Einführung“. Der Ablauf dieser zweieinhalbjährigen polizeilichen Einarbeitung ist in der Richtlinie über die Einführungsphase für den Direkteinstieg in den Laufbahnabschnitt III des Polizeivollzugsdienstes (Richtlinie Direkteinstieg) vom 11. Februar 2021 geregelt. Insbesondere sollen in der Einführungsphase Kenntnisse aus den Kernaufgabenbereichen Gefahrenabwehr und Einsatz, Kriminalitätskontrolle und Verkehrssicherheitsarbeit vermittelt und damit auf die Übernahme von Führungsfunktionen des höheren Dienstes vorbereitet werden. Ziel ist es, einen breiten Einblick in die einzelnen Organisationseinheiten auf den verschiedenen Ebenen der Polizei zu erhalten.
Die Vielseitigkeit des Polizeiberufs zeigt sich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis und ermöglicht eine umfassende und fundierte Vorbereitung auf Führungsfunktionen im höheren Dienst.
Zu Beginn steht ein Einführungsseminar beim LAFP an, in dem die Grundkenntnisse der polizeilichen Kernaufgaben vermittelt werden. Zur Vorbereitung der anschließenden Praxisphase bei einer Kreispolizeibehörde werden insbesondere auch die zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen, der Dienstwaffe und weiterer Führungs- und Einsatzmittel notwendige Berechtigungen erlangt. In der Praxis bedeutet dies, sich erst einmal vom gewohnten Schreibtisch zu verabschieden. Denn den der sichere Umgang mit der Dienstwaffe und insbesondere die Lektionen der Eigensicherung im Polizeivollzugsdienst werden durch ein umfassendes Training am Standort in Selm vermittelt.
Nach dieser „Grundausbildung“ erfolgt die Betreuung durch eine erfahrene Führungskraft des höheren Dienstes, die einen durch die Zeit bei einer Kreispolizeibehörde begleitet. In der Praxisphase lernt man zunächst die Arbeit der Kolleg:innen des gehobenen Dienstes kennen, indem man die Arbeit in verschiedenen Direktionen und Inspektionen begleitet. Bei mir waren das unter anderem Stationen auf einer Polizeiwache im Streifendienst, bei der Kriminalwache und weiteren Kriminalkommissariaten, der Bereitschaftspolizei, dem Verkehrsdienst und der Wasserschutzpolizei.
Rückblickend sind diese ersten sechs Monate wie im Flug vergangen. Da man alle paar Wochen die Dienststelle wechselt nimmt man unglaublich viele neue Eindrücke auf und lernt die Polizei tatsächlich von einer ganz anderen Seite kennen. Dabei ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben, dass sich die Vielseitigkeit des Berufs auch in der Praxis bewahrheitet. Viele Kolleg:innen berichteten, dass sie zuvor bereits in anderen Funktionen gearbeitet hatten. So blickten sie aus verschiedenen Funktionen auf ganz unterschiedliche Vorverwendungen zurück und häufig war es so, dass sich Kolleg:innen aus vorherigen gemeinsamen Verwendungen kannten.
Durch die Einführungsphase erhalten die angehenden Führungskräfte einen breiten Einblick in die verschiedenen Organisationseinheiten und Ebenen der Polizei, wodurch sie optimal auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet werden.
Der umfassende Einblick, den die Praxisphase in die Arbeit der Polizei in all ihren Ausprägungen vermittelt, erleichtert den Einstieg in die anschließende Führungshospitation. Hier lernt man erstmals die eigentliche Arbeit einer Führungskraft des höheren Dienstes der Polizei kennen, indem man seine betreuende Führungskraft im beruflichen Alltag unterstützt und begleitet.
Meine Führungshospitation erfolgte bei der Polizeiinspektion Duisburg Nord. Auch wenn die Bearbeitung von herausragenden Einsatzlagen mit zum Geschäft gehört, liegt der Schwerpunkt der täglichen Arbeit eher in der Organisation der Dienststelle.
Nach der Zeit bei einer Kreispolizeibehörde schließt sich eine viermonatige Verwendung im Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen an, in der sich die Gelegenheit bietet, die Arbeit im höheren Dienst der Polizei aus Perspektive einer obersten Landesbehörde zu betrachten, mit den Erfahrungen aus der vorangegangenen Phase abzugleichen und einzuordnen.
Der letzte große Bereich der Einführungsphase ist die Teilnahme an einem Studienkurs der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, der im Wesentlichen das zentrale Studienjahr des Masterstudiums beinhaltet. In dieser Zeit lernt man gemeinsam mit den Ratsbewerber:innen aus dem gehobenen Dienst, die sich in einer insgesamt vierjährigen Ausbildung befinden.
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Zwischenfazit und Ausblick
Nach etwas über einem Jahr im Polizeivollzugsdienst, kann ich ein erstes Zwischenfazit ziehen und für mich feststellen, dass sich der berufliche Wechsel für mich sehr gelohnt hat. Die Polizei Nordrhein-Westfalen bietet einen verantwortungsvollen, abwechslungsreichen und interessanten Arbeitsplatz und durch die umfassende Einarbeitung wird man bestens auf die Übernahme von Führungsfunktionen vorbereitet. Dabei stellen die juristische Vorbildung aus dem Studium und die Berufserfahrung aus anderen juristischen Bereichen einen Vorteil dar, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussehen mag. Neben einer breiten juristischen Allgemeinbildung helfen auch der Umgang mit der projektbezogenen Mandatsarbeit, das flexible Arbeiten als Anwalt und die vor Gericht nötige Fähigkeit, schnell auf neue Situationen reagieren, erfreulicherweise auch bei der polizeilichen Arbeit sehr viel weiter.
Wohin es mit der Erstverwendung nach Abschluss der Einführungsphase gehen wird, steht bislang noch nicht fest, aber ich freue mich schon auf die neuen Erfahrungen und Eindrücke, die auf dem Weg vor mir liegen.
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