Die ersten 100 Tage im neuen Job

Der Berufseinstieg oder -aufstieg ist geglückt. Sie haben den neuen Job. Glückwunsch, Sie haben sich im Bewerbungsprozess durchgesetzt. Sich im Berufsleben zu positionieren erfordert fortwährendes Personal Branding, Selbstmarketing und Networking.

Die Schlüssel zum erfolgreichen Karrierestart in der Juristerei: Personal Branding, Selbstmarketing und Networking

Die wichtigste Aufgabe zu Beginn eines ersten oder eben eines neuen Jobs ist es, sich einen guten Start zu verschaffen, idealerweise ganz im Sinne des römischen Feldherrn Gaius Julius Cäsar: „Ich kam, sah und siegte.“

Die Wahrheit, der Alltag oder die Realität sehen leider häufig anders aus. Viele Nachwuchsjurist:innen nehmen ihr Personal Branding, Selbstmarketing und Networking nicht gleich von Anfang an in den Blick.

  • Keine strategische Positionierung mit Fokus auf den Expert:innenstatus
  • Kein proaktives Personal Branding weder im Arbeitsumfeld noch digital auf LinkedIn
  • Kein Sichtbarmachen der eigenen Expertise durch stetiges Selbstmarketing
  • Kein zielfokussiertes, kontinuierliches Networking
  • Vernetzung mit den falschen Personen: Noch immer ist die Unwissenheit über diese für die Karriere wichtigen Themen groß. Das ist nicht überraschend, schließlich findet in den allermeisten Fällen im Rahmen der universitären Ausbildung sowie im Referendariat keine Wissensvermittlung und kein Austausch zu diesen Themen statt.

Es kommt also sehr auf den Berufseinstieg an. Man wird jedoch nicht immer gleich von Anfang an als neue:r Kolleg:in von einer erfahrenen Person unter die Fittiche genommen. Denn es ist wesentlich leichter, von dieser zu lernen, wie man sich mit der eigenen Expertise in der Kanzlei oder im Unternehmen unter den Kolleg:innen oder gegenüber Mandant:innen bzw. Kooperationspartner:innen strategisch selbst positioniert, sich proaktiv vermarktet oder das eigene Netzwerk im Interesse von Arbeitgeber:in und mit Blick auf die eigenen Karriereziele aufbaut und weiterentwickelt, als dies alles selbst auszuprobieren und durch eigene Fehler zu lernen. Grund genug, dieses Thema hier in den Blick zu nehmen.

Die Erfolgsfaktoren in puncto Karriere und ihre prozentuale Gewichtung

Nicht allen Nachwuchsjurist:innen ist von Anfang an klar, dass es beim Berufseinstieg (und darüber hinaus) nicht in erster Linie auf Leistung ankommt. Durch den beinahe alleinigen Fokus auf die Staatsexamina und deren Ergebnisse in der Ausbildung kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass es bei Jurist:innen vorrangig um Leistung geht. Das gilt sicher für die schriftlichen und teilweise auch für die mündlichen Prüfungen sowie für das schriftliche Bewerbungsverfahren.

Sobald man jedoch im Rahmen des Jobs auf Menschen trifft, gelten andere Regeln. Der Fokus auf die eigene Leistung verschwindet und ist mit 10 Prozent Anteil am beruflichen Erfolg eher gering. Der Stellenwert der eigenen Performance wird von Nachwuchsjurist:innen häufig überschätzt. Eines soll jedoch an dieser Stelle klargestellt werden: Ohne eine entsprechende Leistung kommt man auch in der juristischen Berufswelt nicht voran.

Ihr Image und wie Sie von anderen wahrgenommen werden, macht 30% Ihres beruflichen Erfolgs aus.

Vor allem Nachwuchsjurist:innen ist oft nicht bewusst, dass die Performance nicht automatisch für ein gutes Image sorgt. Hier muss vielmehr Frau oder Mann selbst tätig werden: durch eine strategische Positionierung im Rahmen des Personal-Branding und durch proaktives, stetiges Selbstmarketing.

Schließlich hat Erfolg nur, wer ihn hauptsächlich von anderen zugebilligt bekommt. Ihr Image und wie Sie von anderen wahrgenommen werden, macht 30 % Ihres beruflichen Erfolgs aus. Idealerweise sollte jede:r Jurist:in bereits spätestens beim Berufseinstieg damit anfangen, eine eigene Personal-Branding-Strategie zu entwickeln. Der zweite Schritt ist dann deren Umsetzung, und zwar digital (z. B. durch ein entsprechendes LinkedIn-Profil) sowie auch im Arbeitsumfeld im Austausch mit Kolleg:innen oder Mandant:innen. Der dritte und größte Erfolgsfaktor im Business ist mit 60 Prozent das eigene Netzwerk und damit die Außenwirkung oder anders gesagt der gute Ruf.

Was bedeutet dies für Nachwuchsjurist:innen?

Jede Juristin und jeder Jurist hat eine Personal Brand. Die Frage ist, ob man auf diese strategisch Einfluss nimmt und sich mit der eigenen Expertise und Persönlichkeit zielfokussiert und proaktiv gleich von Anfang an bewusst positioniert. Und zwar digital wie analog, intern wie extern, im unmittelbaren Arbeitsumfeld und darüber hinaus – oder eben (noch) nicht.

Schließlich gelten die Worte des Amazon-Gründers Jeff Bezos für jedermann: „Deine Personal Brand ist das, was andere Menschen über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.“ Wie geht man als Berufseinsteiger:in das Personal Branding so an, dass man immer unverwechselbarer wird und damit nicht so leicht austauschbar ist?

Als Erstes gilt es Alleinstellungsmerkmale für sich zu finden. Diese macht man sich idealerweise nicht erst bewusst, wenn der Arbeitsvertrag bereits unterschrieben oder gar die Probezeit überstanden ist. Dabei geht es um die Frage „Was kann ich?“ und darum, sich die individuelle Expertise, besondere praktische Erfahrungen oder spezielle Fach- oder Sprachkenntnisse bewusst zu machen. Auch mit der Frage „Wie bin ich?“ sollte man sich beschäftigen und einen Blick auf die Stärken und das Potenzial der eigenen Person werfen.

Besonders herausfordernd ist aber die Frage nach dem Warum und damit nach dem Sinn des eigenen Berufsbildes oder konkreter beruflicher bzw. Karriere-Herausforderungen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen intrinsischen Motivation ist enorm wichtig, um über längere Zeit mit dem jeweiligen Arbeitsumfeld und den alltäglichen sowie nichtalltäglichen Aufgaben zufrieden zu sein.

Hat man sein Warum für sich klar, kann man auch im Vorstellungs- oder Personalgespräch viel besser begründen, warum man für diese Stelle oder jene berufliche Herausforderung wie die Betreuung wichtiger Mandant:innen, die Erstellung einer entscheidenden Stellungnahme oder die Präsentation der Arbeitgeber:in auf einem publikumsstarken (Branchen-)Event die richtige Person ist.

Eigenlob stimmt!

Wenn man als Nachwuchsjurist:in weiß, wie man sich positioniert und mit welcher Expertise bzw. persönlichen Qualitäten man im Außen wahrgenommen werden will, geht es im nächsten Schritt ins bzw. ums Selbstmarketing. Auch wenn man sich selbst früher anhören durfte, dass Eigenlob stinkt. Für das Berufsleben gilt das nicht, sondern darum, eines zu verinnerlichen und im Berufsalltag umzusetzen, nämlich „Eigenlob stimmt!“ Wer vorankommen und das nächste Karrierelevel erreichen will, muss proaktiv das Bild beeinflussen, was andere haben (sollen).

Man mache sich daher mit Blick auf bereits gemeisterte Herausforderungen (wie immerhin zwei Staatsexamina!) immer wieder bewusst, wie gut man ist, und kommuniziere das, wann und wo immer es auch passend ist oder scheint. Nicht weniger wichtig ist eine weitere Sache: Die eigene Leistung, Expertise oder auch persönlichen Stärken oder Erfolge NIE zu relativieren, sondern zu diesen zu stehen und vor allem Erfolge immer wieder zu feiern. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, sich von anderen wertschätzen und entsprechend anerkennen zu lassen: Fremdes Lob stimmt gleichfalls!

Der erste Eindruck zählt

Menschen neigen dazu, schnell Urteile über Personen, Gruppen und Objekte zu fällen, oft basierend auf begrenzten Informationen. Der erste Eindruck spielt dabei eine zentrale Rolle, der sogar vor dem tatsächlichen Treffen einer Person durch Fremdurteile oder Vorurteile beeinflusst werden kann. Die Neigung, auf wenig Information zu vertrauen, führt oft zu einem extremen und möglicherweise falschen ersten Eindruck.

Ein besonderes Merkmal des ersten Eindrucks ist seine Extremität, die aus der Knappheit an verfügbaren Informationen resultiert. Zum Beispiel kann jemand, der Peter nur wenige Male trifft, zu einem verzerrten Urteil über dessen Pünktlichkeit kommen. Der erste Eindruck ist auch durch seine Beständigkeit und seinen Einfluss auf die Interpretation neuer Informationen gekennzeichnet. Dies kann dazu führen, dass der erste Eindruck, selbst wenn er falsch ist, nicht revidiert wird.

Jedoch sind wir nicht vollständig unseren ersten Eindrücken unterworfen. Es ist möglich, diese Eindrücke zu revidieren, insbesondere wenn wir anderen offen und mutig begegnen, wodurch eine differenziertere Beurteilung ermöglicht wird.

Wie gelingt Selbstmarketing?

Auch wenn man als Nachwuchsjurist:in immer hört und liest, dass man sich selbstbewusst geben und pro-aktiv Selbstmarketing betreiben soll. Die Umsetzung im juristischen Alltag erscheint häufig nicht so einfach. Schließlich sollen die jeweiligen Sätze nicht wie Selbstbeweihräucherung klingen, sondern eine echte Wertschätzung erreichter Ergebnisse, gemeisterter Herausforderungen oder erfolgreich abgeschlossener Mandate sein.

Das gelingt leicht, wenn man seine Erfolge mit Fokus auf die erreichten Ergebnisse oder die entsprechenden Themen kommuniziert und den persönlichen Anteil daran aufzeigt. Schließlich tut es allen Beteiligten im Arbeitsumfeld gut, wenn man als (Nachwuchs-)Jurist:in zu den eigenen Erfolgen steht.

Das Netzwerk ist der berufliche Erfolgsfaktor schlechthin.

Ein Netzwerkerfolg rückt in weite Ferne, wenn Berufseinsteiger:innen kein Personal Branding betreiben und ihre Expertise, persönlichen Qualitäten und erreichten Ergebnisse nicht durch aktives Selbstmarketing sichtbar machen. Netzwerken lässt sich auch so übersetzen: Team = toll, ein:e andere:r macht. Damit dies gelingt, hier drei Networking-Erfolgstipps:


Tipp 1: Es braucht ein SMART formuliertes Ziel und damit eines, was spezifisch, messbar, attraktiv und
realistisch ist sowie terminiert werden kann. Mit anderen Worten: ein Ziel, was einem selbst ins Tun bringt und gleichzeitig das Netzwerk dazu einlädt, bei der Zielerreichung zu unterstützen.

Tipp 2: Der wichtigste Grundsatz beim Networking lautet: Geben. Wer von seinem Netzwerk regelmäßig
profitieren will, sollte viel an Expertise usw. zu geben haben und die eigenen Kontakte durch Weiterempfehlung großzügig teilen. Wer zudem perspektivisch denkt, investiert immer wieder Zeit in
den Auf- und Ausbau einzelner Beziehungen und geht dabei im Einzelfall regelmäßig über den
typischen beruflichen Kontext hinaus.

Tipp 3: Der Schlüssel zum Erfolg sind nicht Informationen, auch wenn das manchmal so scheint. Es sind
vielmehr die Menschen aus dem Netzwerk. Denn diese sorgen als Multiplikator:innen für die Sichtbarkeit von Nachwuchsjurist:innen und damit für Reichweite und Bekanntheit ihrer Expertise und persönlichen Qualitäten.

Wie und wo fängt man als Nachwuchsjurist:in am besten an?

Die ersten 100 Tage sind schnell vorbei. Wer sich jetzt die Frage stellt, wo man idealerweise anfängt, dieser Person sei gesagt: Die wichtigsten Kontakte sind die Menschen, die bereits Teil des eigenen Netzwerks sind. Wissen diese, wofür man Expert:in ist und wodurch man sich auszeichnet?

Ist die persönliche Expertise und der individuell zu bietende Mehrwert diesen gegenüber entsprechend häufig kommuniziert worden? Wenn nicht, dann gilt es jede passende Gelegenheit des Alltags für einen erneuten Austausch und die weitere Vernetzung zu nutzen oder eben solche Möglichkeiten zur Kontaktvertiefung zu schaffen. Bei diesen Treffen spricht man dann eben auch über sich und die großen sowie kleinen Erfolge.

Eine solche Verabredung sollte mindestens einmal pro Woche in jedem Terminkalender zu finden sein. Wer sein Netzwerk schneller ankurbeln will, muss mehr Einsatz bringen und sich entsprechend häufiger verabreden.

Dieser Artikel erschien zuerst im mylawguide 2023, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Portrait Dr. Anja Schäfer
Autorin
Dr. Anja Schäfer

Dr. Anja Schäfer ist Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien, Anwältin und Host des „Juristinnen machen Karriere!“ Podcast. Als  Karrierementorin unterstützt sie exklusiv Juristinnen in puncto Netzwerkaufbau, Selbstmarketing und Sichtbarkeit als Expertin. Sie spricht über diese Themen in Vorträgen (z.B. auf den Juracon Karrieremessen), in Workshops und bei den von ihr deutschlandweit sowie digital veranstalteten Networking-Events, wie „Juristinnen netzwerken …“ .