Praktische Tipps für das Arbeitszeugnis und warum Schulnoten nicht erlaubt sind

Erfüllt ein Ar­beit­ge­ber den Zeug­nis­an­spruch eines Ar­beit­neh­mers, wenn er die Leis­tung in Form eines Schulzeugnisses be­ur­teilt und tabellarische Noten vergibt? Nein, entschied das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 27.04.2021. Wir schauen uns das genauer an und haben praktische Tipps für das Arbeitszeugnis.

Mit der Schule kommen die ersten Leistungsbeurteilungen

In der Regel beginnt rund um die Vollendung des sechsten Lebensjahres der „Ernst des Lebens“. Die Schule ruft und mit ihr kommen die ersten Leistungsbeurteilungen. Waren es bei mir zu Beginn des Schullebens zunächst schriftliche Leistungsbeurteilungen, bevor es dann ab der zweiten Klasse zur Notenvergabe kam, wurde die schriftliche Leistungsbeurteilung ab der fünften Klasse durch ein „nacktes“ Zeugnis ersetzt. Keine erläuternden Texte mehr, sondern nur noch eine Notenübersicht in Tabellenform.

Ein Arbeitszeugnis ist kein Schulzeugnis. Das hat das BAG in aller Deutlichkeit klargestellt. Zu beachten ist aber, dass der Arbeitnehmer inhaltlich nicht automatisch ein überdurchschnittliches Zeugnis verlangen kann.

Darf der Arbeitgeber Schulnoten vergeben?

Dies hat sich bis zum Berufseinstieg auch nicht mehr geändert. Doch im Arbeitsleben geht der Weg plötzlich wieder zurück zur schriftlichen Leistungsbeurteilung. Nun lässt sich nicht mehr einfach durch eine kurze Übersicht erkennen, wie sich die Leistungen und das Verhalten im Arbeitsverhältnis für den Arbeitgeber darstellen.

So nicht, dachte sich wohl ein Arbeitgeber und gab einem Arbeitnehmer ein Zeugnis in Tabellenform mit Schulnoten. Der Arbeitnehmer war mit dieser Form des Zeugnisses nicht ansatzweise einverstanden und suchte schließlich den Klageweg im Arbeitsrecht. Am Ende musste das Bundesarbeitsgericht in einer seiner seltenen Entscheidungen zu Arbeitszeugnissen feststellen, ob die tabellarische Form in Schulnoten zulässig ist oder nicht. [1]

Das Arbeitszeugnis und die Zeugnissprache

Was den Fall vor dem BAG so ungewöhnlich macht, ist, dass der Arbeitgeber komplett von der generellen Form für Zeugnisse abgewichen ist. War das zulässig? Üblicherweise besteht ein Zeugnis aus einem individuell verfassten Text. Dabei gibt es ein übliches Schema des Zeugnisaufbaus und die sogenannte Zeugnissprache wird verwendet. Diese ist es auch, die ein Arbeitszeugnis häufig sprachlich ungelenk erscheinen lässt. Bestimmte Formulierungen im Arbeitszeugnis entsprechen bestimmten Leistungsbeurteilungen. So entspricht bspw. die Leistungsbeurteilung „erledigte die Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ einer sehr guten Bewertung. Das berühmte „stets bemüht“ einer nur ausreichenden bis mangelhaften oder gar ungenügenden Leistung. Diesen „Code“ zu entschlüsseln fällt Personalabteilungen und selbst erfahrenen Arbeitsrechtlern nicht immer leicht. So ist der Unterschied in den Formulierungen auf den ersten Blick marginal. Wer mag schon die Formulierung

„Herr X verfügt über ein solides berufliches Fachwissen“ von „Herr X verfügt über die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse,“

ohne weiteres und ohne weitere Kenntnisse unterscheiden? Dabei entspricht ersteres einer befriedigenden Leistung, während letzteres nur eine ausreichende Beurteilung darstellt.

Auch auf den ersten Blick positive Aussagen können in der Zeugnissprache negativ sein und den Arbeitnehmer im Nachhinein schaden:

„Sie arbeitete mit größter Genauigkeit,“

bedeutet übersetzt, dass die Person langsam arbeitete und unflexibel war. Das ist wie gesagt nicht immer leicht zu erkennen. Warum dann nicht, um diesen Unsicherheiten zu begegnen, einfach Schulnoten verwenden, wie der Arbeitgeber im Falle des BAG? Zur Einleitung nur eine sehr allgemeine Zusammenfassung der Arbeitsaufgaben und der Arbeitgeber hat nicht nur ein objektives Zeugnis geschaffen, sondern auch noch viel Arbeit gespart.

Warum sind Schulnoten im Arbeitszeugnis nicht ausreichend?

Dem hat das BAG allerdings sogleich einen Riegel vorgeschoben. Das BAG verweist zunächst auf § 109 Abs. 1 S. 3 GewO. Demnach kann ein Arbeitnehmer ein sogenanntes qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen, welches sich auch auf Verhalten und Leistung bezieht. Das BAG verweist dann auf das Gebot der Zeugniswahrheit (nur Wahres darf im Zeugnis stehen) und der Zeugnisklarheit (es muss klar sein, was im Zeugnis steht). Ebenfalls muss ein Zeugnis wohlwollend sein. Durchaus manchmal ein Spagat. Aber es kommt nach dem BAG nicht nur auf den Inhalt an:

„Auch seiner äußeren Form nach muss ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden.“

Und an dieser Stelle wird das BAG eindeutig und klar in seinen Aussagen:

„Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll. Es stellt mithin eine individuell an den einzelnen Arbeitnehmer angepasste Beurteilung dar.“

Und gerade diese Punkte können nur im Fließtext erreicht werden. Eine Tabelle, die Schulnoten wiedergibt, erweckt nur den Eindruck objektiv zu sein, ohne tatsächlich ein Arbeitsverhältnis in Gänze erfassen zu können. Die scheinbare Objektivität ergibt sich schon daraus, dass überhaupt nicht klar ist, an welchem Maßstab das Zeugnis ausgerichtet ist. Anders als in der Schule (oder Universität) gibt es keinen objektiven Bewertungsmaßstab in Form von Anforderungsprofilen und regelmäßigen Leistungsüberprüfungen.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll.

Wäre das Arbeitszeugnis mit Noten auszudrücken, könnte jeder Arbeitgeber einen vollkommen unterschiedlichen Maßstab anlegen, ohne dass er dies in einem Fließtext begründen müsste. Das Arbeitsverhältnis und seine Nuancen werden aber nur im Fließtext erfasst. Nur in dieser Form können besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse hervorgehoben werden. Dies ist nach der Rechtsprechung daher die einzige Möglichkeit, die konkrete Person in ihrem konkreten Arbeitsverhältnis im Arbeitszeugnis darzustellen. Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber also gezwungen, dem Arbeitnehmer ein neues Zeugnis im Fließtext auszustellen.

Die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitszeugnis

Doch damit nicht genug. Auch die Tätigkeitsbeschreibung wurde in dem genannten Fall bemängelt. Bezüglich dieser hält das BAG fest:

„Die Tätigkeiten sind vollständig und genau zu beschreiben. Ein Dritter muss sich anhand des Zeugnisses ein klares Bild von der ausgeübten Tätigkeit machen können.“

Dies kann zwar auch stichwortartig geschehen. Bloße Allgemeinsätze genügen allerdings nicht. Es reicht z.B. nicht aus zu sagen, dass „nach Vorgabe gearbeitet“ wurde, da dies alleine im Unklaren lässt, ob der Arbeitnehmer eigenständig, aber nach Richtlinien, arbeitete oder nur nach konkreten Anweisungen tätig wurde. Auch an dieser Stelle muss also eine präzise Angabe erfolgen, die das Arbeitsverhältnis so genau wie möglich beschreibt.

„Extras“, die ein Zeugnis positiv hervorstechen lassen

Die Zeugnissprache engt natürlich den Spielraum ein und ein Zeugnis, das nur positive Sätze aneinanderreiht, mag zwar formell den Anforderungen genügen, sticht aber nicht aus der Masse hervor. Es gibt „Extras“, die ein Zeugnis positiver erscheinen lassen bzw. eine gute oder sehr gute Beurteilung nochmal unterstreichen. Dazu gehört es, Beispiele oder besondere Erfolge gesondert zu würdigen. Dabei sollten gerade die besonderen Stärken durch Beispiele aus dem Arbeitsleben vertieft werden. Bei Juristen kann dies das Hervorheben besondere Mandate sein (z.B. die Betreuung eines komplizierten Betriebsüberganges), bei Ingenieuren besondere Leistungen bei Entwürfen und vieles mehr. Es ist fast hier unmöglich, alle Möglichkeiten aufzuzählen, da jedes Berufsbild andere Fähigkeiten erfordert. Kann man diese aber durch Beispiele untermauern, wirkt ein Zeugnis gleich viel wertiger. Dabei genügen zwei bis drei Beispiele in kurzen Sätzen. Man sollte auch daran denken, dass ein Arbeitgeber maximal zwei bis drei Seiten Arbeitszeugnis lesen kann und will. Daher sollten nicht ganze Romane verfasst werden.

Mit welchen Tricks werden Arbeitnehmern schlechte Zeugnisse ausgestellt?

Umgekehrt gibt es einige Tricks, die genutzt werden, um ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Beliebt ist dabei z.B. akademische Titel wegzulassen. So wird aus Dr. Mustermann plötzlich Herr oder Frau Mustermann. Auch das Vergessen eines LL.M. gehört dazu. Werden die akademischen Titel nicht durchgehend oder im Falle eines LL.M. (oder sonstigen Masters) zumindest zu Beginn einmal genannt, gibt der Arbeitgeber zu verstehen, dass der Titel aus seiner Sicht nicht verdient ist. In solchen Fällen sollte der Arbeitgeber sofort aufmerksam gemacht werden, dass dies korrigiert werden muss. Ansonsten ist das Arbeitszeugnis mit dem ersten Satz bereits schädlich für eine Bewerbung.

Auch auf die Gründe für das Verlassen des Arbeitgebers sollte geachtet werden. Am besten ist immer noch die Formulierung „Herr/ Frau verlässt uns auf eigenen Wunsch, um….“ Alle anderen Formulierungen oder das Weglassen solcher Passagen gehen, sofern das Unternehmen das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich aus wirtschaftlichen Gründen beenden musste, in der Regel zu Lasten des Arbeitnehmers.

Arbeitszeugnisse: Warum ein „sehr gut“ nicht sehr gut sein muss

Bei Schätzungen der Noten von Arbeitszeugnissen (eine offizielle Statistik gibt es nicht), geht man davon aus, dass mindestens 2/3 der Zeugnisse die Note „gut“ oder besser haben. Allerdings kann auch die Note „sehr gut“ in einem Arbeitszeugnis gefährlich sein. Zum einen wird sich ein neuer Arbeitgeber fragen, warum man das „beste Pferd im Stall“ einfach gehen lässt, zum anderen sieht dies sehr nach einem Gefälligkeitszeugnis aus.

Dass ein Mensch keine Schwächen bei der Arbeit gezeigt hat, erscheint möglicherweise unglaubwürdig. Daher ist es wichtig, dass ein Zeugnis nicht durchgehend die Note 1 hat – man sollte aber auf die Verhaltensnote „stets vorbildlich“ und die richtige Reihenfolge achten, wobei Vorgesetze immer vor Kollegen genannt werden müssen, sonst wird der Eindruck vermittelt, dass man mit Vorgesetzten Probleme hatte. Insgesamt sollte dabei aber die Note gut nicht unterschritten werden. Achtung: Die Beweislast für eine bessere als durchschnittliche Leistung liegt nach der Rechtsprechung auf Arbeitnehmerseite.

Arbeitszeugnisse im Ausland

Ein letzter Punkt, der in diesem Beitrag bearbeitet werden soll, ist das Arbeitszeugnis im Ausland. Schon bei inländischen Arbeitgebern kann das Zeugnis und seine korrekte Formulierung Schwierigkeiten auslösen, umso kritischer ist die Situation häufig im Ausland. Werfen wir einen Blick ins englischsprachige Ausland: Englischsprachige Rechtsordnungen kennen in der Regel weder Arbeitszeugnis oder gar die Zeugnissprache, dies ist vielmehr ein Phänomen im deutschsprachigen Raum.

Übersetzungen, die den Sinn und die Beurteilung eines Zeugnisses ohne weiteres wiedergeben, sind daher eins zu eins praktisch nicht möglich. In England, Irland, Australien und den USA kenne ich es vielmehr, dass man im Lebenslauf sogenannte „References“ angibt. ​References sind Personen, die der (potenzielle) neue Arbeitgeber kontaktieren kann, um in einem direkten Gespräch mehr über die potentielle neue Arbeitskraft zu erfahren. Dabei gibt man natürlich einem nur wohlgesonnene Personen an und informiert diese vorab, dass man sie angegeben hat. In der Praxis kommt es aber auch hier nur selten zur Einholung von Informationen.

Die Zeugnissprache wird natürlich in keinem Sprachkurs gelehrt und ist unbekannt. Daher kann ich nur den Rat geben – keine falsche Scheu, sondern auch den jeweiligen Arbeitgeber im Ausland über die Besonderheiten des Arbeitszeugnisses aufklären.

Dennoch kann es sein, dass man ein Zeugnis benötigt, insbesondere wenn man sich in Deutschland bewerben will, da wiederum hier der Brauch der „References“ unbekannt sein mag. In solchen Situationen ist es zu empfehlen, mit dem Arbeitgeber zu sprechen und gemeinsam das Zeugnis zu formulieren. Mir selbst ist es passiert, dass ein ehemaliger Arbeitgeber, bei dem ich im Ausland ein Praktikum absolvierte schreiben wollte, dass „ich immer mir größte Mühe gab und mich auch in unbekannte Themen schnell einarbeitete und immer gute Lösungen fand“.

Das „große Mühe“ erinnert natürlich frappierend an „stets bemüht“, etwas, das meine damalige Chefin aber gar nicht zum Ausdruck bringen wollte. Vielmehr wollte sie den Arbeitseinsatz positiv herausheben und hat trotz sehr guter deutscher Sprachkenntnisse das Gegenteil von dem formuliert, was sie wollte. Die Zeugnissprache wird natürlich in keinem Sprachkurs gelehrt und ist unbekannt.

Ein kurzes Gespräch mit kurzer Aufklärung hat natürlich sofort zu einer anderen positiven Formulierung in meinem Fall geführt. Daher kann ich nur den Rat geben – keine falsche Scheu, sondern auch den jeweiligen Arbeitgeber im Ausland über die Besonderheiten des Arbeitszeugnisses aufklären. Mit Sicherheit ist es nicht dessen Absicht, euch zu schaden, sondern Unwissenheit.

Arbeitszeugnisse vs. Schulzeugnisse: Fazit

Ein Arbeitszeugnis ist definitiv kein Schulzeugnis. Das hat das BAG in aller Deutlichkeit klargestellt. Der Arbeitgeber ist mit der Form klar gescheitert. Zu beachten ist aber, dass inhaltlich der Arbeitnehmer nicht etwa automatisch ein überdurchschnittliches Zeugnis verlangen konnte. Dazu ist er beweisbelastet. In der Regel werden sich aber Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Formulierung am Ende einig.

Es gibt dennoch viele Punkte, die bei der Formulierung eines Zeugnisses zu beachten sind und die Note beeinflussen können. Einige Tipps und Tricks waren in diesem Beitrag, dennoch sollte man sein Arbeitszeugnis gut durchlesen, prüfen und im Zweifel auch beim Arbeitgeber nachfragen. Oft beruhen Formulierungen auch auf Missverständnissen, die man schnell aus der Welt räumen kann.

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.

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