Die Software und das Gewährleistungsrecht

Software an sich ist kein körperlicher Gegenstand und somit keine Sache. Die Vertragstypen über Software werden häufig eher im Urheberrecht verortet – eindeutig ist dies aber keinesfalls.

Software und Gewährleistungsrecht: Die rechtlichen Aspekte von Kauf- und Werkverträgen im digitalen Zeitalter

Software unterliegt dem normalen Gewährleistungsrecht eines Kauf- oder Werkvertrages. Es ist allerdings wichtig zu differenzieren, ob der Vertragsgegenstand eine Werkleistung, ein Sachkauf (z. B. in Form eines Datenträgers), ein Rechtskauf oder ein Kaufvertrag über einen sonstigen Gegenstand ist.

Eine Sache ist nach § 90 BGB ein körperlicher Gegenstand. Eine Sache kann nach den klaren Regeln des dritten Buches des BGB besessen, übergeben oder belastet werden und in jemandes Eigentum stehen. Eine Sache kann herrenlos sein, sich verschlechtern oder untergehen. So die Konzepte des Sachenrechtes. Die „Sache“ ist zugleich auch Anknüpfungspunkt des Kaufvertrages nach § 433 Abs. 1 BGB.

Software an sich ist kein körperlicher Gegenstand und somit keine Sache. Die Vertragstypen über Software werden häufig eher im Urheberrecht verortet – eindeutig ist dies aber keinesfalls.

Software an sich ist kein körperlicher Gegenstand und somit keine Sache. Die Vertragstypen über Software werden häufig eher im Urheberrecht verortet – eindeutig ist dies aber keinesfalls. Bei einer dauerhaften Gebrauchsüberlassung wird trotz der Tatsache, dass Software keine Sache ist, von einem Kauf gesprochen.

Die Unterscheidung wird in der Klausur insbesondere dann relevant, wenn es um Gewährleistungsansprüche im Kauf- oder Werkvertragsrecht geht. Wir schauen uns im Folgenden einmal einige Erwägungen an, die die Einordnung erleichtern sollen. Dazu muss gesagt werden: Im Bereich Software ist vieles umstritten und weniges eindeutig. Es geht also, wie so häufig, nicht um „die eine richtige Lösung“, sondern um eine gut vertretbare Argumentation auf Basis der Grundprinzipien des Vertragsrechtes.

1.     Software als Rechtobjekt

Um direkt einmal alle Probleme aufzumachen, sehen wir uns den „kombinierten“ Fall von Software an, die auf einem Datenträger verkörpert ist. Kauft man beispielsweise eine DVD mit Software, so wird der körperliche Gegenstand – die DVD – als Sache in aller Regel endgültig und zur freien Verfügung übereignet. Die darauf enthaltende Software enthält dennoch in aller Regel noch eine Lizenzvereinbarung, die eine reine beschränkte Nutzungsüberlassung beinhaltet.

Hier ist es also entscheidend, zwischen Datenträger und Software zu differenzieren. Tritt nun ein Mangel auf, muss trennscharf abgegrenzt werden, ob dieser an der Sache (Datenträger) oder an dem Nutzungsrecht (an der Software) haftet. Zudem muss genau in den Blick genommen werden, wann an welchem Gegenstand von einem Mangel zu sprechen ist.

Nehmen wir zunächst den Begriff des Sachmangels nach § 434 BGB in den Blick. § 434 BGB geht im Grundsatz von einer Beschaffenheitsvereinbarung aus. Die „Soll-Beschaffenheit“, die in diesem Zusammenhang häufig als Referenz angeführt wird, ist ein Vertragsbestandteil, der sich aus ausdrücklicher oder konkludenter Abrede oder aus den objektiv erkennbaren Umständen ergibt. Diese Beschaffenheitsvereinbarung ist eine bindende vertragliche Abrede, die entscheidend für das Vorliegen eines Mangels ist.

Beim Datenträger muss beachtet werden: In aller Regel wird es Teil der Beschaffenheitsvereinbarung sein, dass der Datenträger funktionsfähige Software enthält. Ist die Software mangelhaft, so wird dies also auch für den Datenträger gelten.

2.     Sach- und Rechtsmängel an einer Software

Auf die Software als solche sind in jedem Falle die Mängelbegriffe aus dem Schuldrecht anwendbar. Bei individuell erstellter Software ist das Werkvertragsrecht einschlägig, bei vorgefertigter Software in aller Regel das Kaufrecht. Praktisch ist dieser Unterschied sekundär, da die Sach- und Rechtsmangeltatbestände in beiden Materien parallel aufgebaut sind – wichtig ist aber selbstverständlich, die korrekte Norm zu zitieren.

Beachtet werden muss folgendes: Eine Software hat in aller Regel Systemanforderungen, die sich auf die Hardware oder das Betriebssystem beziehen, dass der Erwerber für die Nutzung zur Verfügung hat. Die Systemanforderungen werden Teil einer Beschaffenheitsvereinbarung. Sofern derjenige, der die Software bereitstellt, diese Systemanforderungen vor Vertragsschluss offengelegt hat, sind sie Teil des Vertrages. Funktioniert nun beim Nutzer die Software auf einem ungeeigneten Rechner nicht, liegt kein Sachmangel vor, da die Beschaffenheitsvereinbarung eingehalten wurde.

3.     Lizenzvereinbarungen

Lizenzvereinbarungen sind eine Materie aus dem Urheberrecht, die Grundkonzepte sind aber aus dem Sachenrecht bekannt. So wie an einer Sache vom Eigentümer (oder anderweitig Verfügungsberechtigten) Nutzungsrechte eingeräumt werden können, so ist dies auch an einem Urheberrecht durch den Rechteinhaber (oder anderweitig Verfügungsberechtigte) möglich.

Interessant ist hier: Ob eine Software im Sinne von §§ 433, 929 BGB gekauft und übereignet oder lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, macht im Hinblick auf Sachmängel keinen großen Unterschied. Denn der Erwerb des Nutzungsrechtes ist ein Rechtskauf im Sinne von § 453 BGB, auf den die Vorschriften zum Sachkauf entsprechende Anwendung finden. Wichtig ist vor allem, festzustellen, ob die Beschaffenheitsvereinbarung sich auf die Software als Gegenstand oder das Nutzungsrecht als Recht bezieht – im Ergebnis wird sich allerdings nichts ändern, ein Sachmangel wird unter den gleichen Voraussetzungen vorliegen. § 453 spricht auch von „sonstigen Gegenständen“ – also Vertragsobjekten, die weder Recht noch Sache sind. Dies verdeutlicht, dass die Vorschriften zur Mängelgewährleistung unabhängig von der rechtstechnischen Klassifikation des Kaufgegenstandes gelten sollen.

Einmal praktisch betrachtet: Unabhängig davon, ob eine Sache, ein Recht, oder ein sonstiger Gegenstand erworben wird, in jedem Fall liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 BGB bzw. § 633 BGB vor. Die Interessenlage seitens des Käufers ist also die gleiche: Er vertraut darauf, dass die Beschaffenheitsvereinbarung eingehalten wird. Es wäre sachfremd, wenn seine Rechte von der rechtstechnischen Klassifikation des Kaufgegenstandes abhingen. Es ist daher nur logisch, Software in jedem Falle unter das normale Gewährleistungsrecht fallen zu lassen.

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4.     Fazit — Die Software und das Gewährleistungsrecht

Software unterliegt in jedem Fall dem normalen Gewährleistungsrecht eines Kauf- oder Werkvertrages. Es ist allerdings wichtig, zu differenzieren, ob Vertragsgegenstand eine Werkleistung, ein Sachkauf (Verkörperung auf einem Datenträger), ein Rechtskauf oder ein Kaufvertrag über einen sonstigen Gegenstand ist. Gerade bei mehreren Komponenten (z.B. Datenträger mit Software und Lizenzvereinbarung darauf) ist die präzise Verortung eines eventuellen Sach- oder Rechtsmangels wichtig. Wird über die Frage entschieden, ob eine Software mangelhaft ist, so muss zudem die Beschaffenheitsvereinbarung präzise herausgearbeitet werden – diese ist bei der Software in aller Regel umfangreicher und komplexer als bei einem „herkömmlichen“ Sachkauf.

Tobias NIelsen - Autor im IQB Karrieremagazin
Autor
Tobias Nielsen

Tobias Nielsen studiert Rechtswissenschaften und Digital Humanities mit Fokus auf Legal Tech und Digitalisierung rechtlicher Vorgänge im wirtschaftlichen Kontext in Göttingen. Er ist Gründer und Chefredakteur des Wirtschaftsrechts-Blogs Unternehmensrecht Aktuell sowie Mitbegründer und CEO des Legal Tech-Startups IdeaJuris. Neben seinem Studium berät er Unternehmen in allen Fragen der Digitalisierung rechtlicher Vorgänge und der Erstellung und Vermarktung digitaler Produkte.

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