KI & Jura – Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf das Rechtswesen

Wir untersuchen, wie sich die rasante Entwicklung von Sprach-KIs, vor allem ChatGPT, auf das Rechtswesen auswirkt. Es werden die potenziellen Veränderungen in der juristischen Arbeit beleuchtet und prognostiziert, wie KI in Zukunft rechtliche Prozesse und Entscheidungsfindungen beeinflussen könnte.

Wie KI und LLMs die Zukunft der Rechtsbranche verändern werden

Juristisches Arbeiten ist hauptsächlich Arbeiten mit Sprache sowie die Erfassung und Einordnung komplexer Sachverhalte. Die rasante Entwicklung im Bereich der Sprach-KIs wie ChatGPT von OpenAI wirft daher die Frage auf, wie sich die Rechtsbranche im Lichte der künstlichen Intelligenz verändern wird. In diesem Artikel erfährst du, welche Auswirkungen Künstliche Intelligenz, insbesondere LLMs (Large Language Models) auf die juristische Branche haben und wie sich die Technologie in Zukunft auf die Branche auswirken könnte.  

Was ist überhaupt KI und was sind LLMs und Chatbots wie ChatGPT?

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Bereich der Informatik, der sich mit der Entwicklung von Maschinen oder Software befasst, die menschenähnliche Intelligenz, Wahrnehmung und Entscheidungsfindung simulieren. KI-Systeme können lernen, Muster erkennen, Entscheidungen treffen und Probleme auf eine menschliche Weise lösen. KI-Systeme basieren oft auf komplexen Algorithmen und großen Datenmengen und erweitern ihr bereits vorhandenes Wissen konstant.

ChatGPT ist ein Large Language Model (LLM), das darauf ausgelegt ist, menschliche Sprache in natürlichen Konversationen zu simulieren. Der Chatbot verwendet fortgeschrittene Algorithmen des maschinellen Lernens und der natürlichen Sprachverarbeitung, um Gespräche zu führen, Fragen zu beantworten oder Aufgaben zu erledigen.

ChatGPT basiert auf einem maschinellen Lernmodell und neuronalen Netzen. Das Modell wird ständig trainiert und weiterentwickelt, um eine breite Palette von Themen und Anfragen sprachlich abzubilden. Diese Technologie befähigt Chatbots, auch juristische Fragestellungen und Probleme zu beantworten. Das Besondere bei ChatGPT ist, dass die Antworten der Sprach-KI nicht vordefiniert sind, sondern individuell auf die vom User gestellte Frage generiert werden.

Anwendungsbereiche von LLMs im juristischen Sektor

Von Recherche bis Vertragsmanagement: Die vielseitige Rolle von ChatGPT in der Rechtswissenschaft

Die Anwendungsbereiche von generativer KI und Anwendungen wie ChatGPT in der Rechtswissenschaft sind sehr vielfältig. Es ist davon auszugehen, dass nahezu jeder Arbeitsbereich, der mit Sprache verbunden ist, über kurz oder lang vom Fortschritt der KIs beeinflusst wird.

Im Rechtswesen kann ChatGPT von der Unterstützung der Recherche bis hin zur Automatisierung bestimmter juristischer Prozesse alle möglichen Aufgaben übernehmen. Schon heute nutzen Anwälte und Rechtsanwaltskanzleien unterstützende KI wie ChatGPT oder Microsoft Copilot, um Rechtsdokumente wie Verträge, Schriftsätze und Klageschriften effizienter zu erstellen und zu aktualisieren, wobei relevante rechtliche Präzedenzfälle und Gesetzestexte schnell und effizient durch die KI identifiziert werden.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der juristischen Erstberatung

Insbesondere in der Erstberatung kann ChatGPT zu einem wahren Gamechanger werden, denn es kann grundlegende rechtliche Probleme und die Aussichten auf Erfolg einer Klage erkennen, bevor menschliche Experten für tiefergehende Analysen hinzugezogen werden müssen. Das spart Kosten und kann vorwiegend hilfreich sein für Personengruppen, die aus Angst vor hohen Kosten keinen Rechtsbeistand aufsuchen würden.

Automatisierte Lösungsvorschläge und Rechtsinformationen: Künstliche Intelligenz wie ChatGPT kann nicht nur bei der Identifizierung grundlegender rechtlicher Probleme helfen, sondern auch automatisierte, erste Lösungsvorschläge und allgemeine Rechtsinformationen bereitstellen. Dies ermöglicht Mandanten, sich schnell einen Überblick über mögliche rechtliche Schritte zu verschaffen und kann hauptsächlich bei Standardfällen eine effiziente Orientierungshilfe sein.

Verbesserung der Zugänglichkeit von Rechtsdienstleistungen: Der Einsatz von KI in der juristischen Erstberatung kann die Zugänglichkeit von Rechtsdienstleistungen deutlich verbessern. In ländlichen oder sozial schwächeren Regionen, wo der Zugang zu qualifizierten Rechtsanwälten oft begrenzt ist, kann ChatGPT eine wichtige erste Anlaufstelle darstellen. Dies fördert die Gerechtigkeit und Chancengleichheit im Zugang zum Rechtssystem.

Datengestützte Analyse von Rechtstrends und -mustern: Die künstliche Intelligenz kann durch die Analyse großer Datenmengen aktuelle Trends und Muster im Rechtswesen erkennen. Dies ermöglicht nicht nur eine präzisere Erstberatung, sondern kann auch Anwältinnen und Anwälten helfen, sich auf relevante Rechtsentwicklungen und häufige Fallkonstellationen vorzubereiten. Solche Einblicke können zur strategischen Planung und zur Verbesserung der rechtlichen Dienstleistungen beitragen.

ChatGPT für Kanzleiorganisation und Anwendungsentwicklung

Auch bei der Verwaltung und Organisation von Kanzleien können LLMs wie ChatGPT zur Steigerung der Effizienz beitragen, indem sie bei der Terminplanung, Dokumentenverwaltung und Kommunikation assistieren und dadurch Prozesse enorm beschleunigen können. Viele Legal Tech Unternehmen nutzen die Technik außerdem, um eigene Anwendungen auf den Markt zu bringen.

Die Grenzen von LLMs in der juristischen Beratung

Allgemein hängt die Qualität der Antworten von LLMs wie ChatGPT maßgeblich von der Formulierung der Anfrage, dem sogenannten Prompt ab. Je präziser ein Prompt formuliert ist, umso wertvoller die Antwort. Oftmals bedarf es einer Kette von Prompts und Antworten, um sich dem gewünschten Ergebnis zu nähern. Nicht ohne Grund entsteht zurzeit das Berufsbild des Prompt Engineerings.

Aber auch die besten Prompts können nicht verhindern, dass Chatbots wie ChatGPT bei ihren Antworten „halluzinieren“. Das Halluzinieren von LLMs bezeichnet Situationen, in denen die Chatbots falsche oder irreführende Informationen generieren, die dennoch plausibel klingen.

LLMs wie ChatGPT neigen auch in der juristischen Praxis zur „Halluzination“, da sie auf statistischen Mustern basieren, ohne tatsächliches Verständnis für Rechtsmaterien zu haben. Sie prognostizieren Antworten anhand der Wahrscheinlichkeit von Wortfolgen, basierend auf ihren Trainingsdaten. Dies kann zu rechtlich irrelevanten oder schlichtweg falschen Auskünften führen, besonders bei spezialisierten juristischen Anfragen.

Wichtig ist also, dass bei komplexen Rechtsfragen immer auch ein:e Rechtsanwält:in die von ChatGPT bereitgestellten Informationen auf Richtigkeit prüft, um schwerwiegende Fehler auszuschließen. Denn, obwohl ChatGPT die meisten Gesetze und Rechtsnormen kennt, kann es sein, dass die KI Zusammenhänge falsch herstellt, Rechtsgrundlagen verwechselt oder auf aktuelle Gesetzesänderungen nicht zugreifen kann und so veraltete Gesetze als Grundlage nutzt. Eine abschließende Bewertung von Rechtsfragen durch Anwaltskanzlei oder Jurist:innen ist also immer zwingend erforderlich. 

Das kann ChatGPT im Rechtswesen bereits jetzt

  • Komplexe Sachverhalte und Urteile zusammenfassen
  • Mandant:innen bei Fragen schnell und effizient weiterhelfen
  • Für Studierende: Vereinfachte Darstellung juristischer Probleme und komplexer Urteile
  • Erstellung von Vorlagen nach Wunsch (Mietvertrag, Kündigungen, Gutachtenstil, Urteile, Klauseln, AGB etc.)
  • Rechercheunterstützung: Hilft bei der Suche nach relevanten Gesetzen, Verordnungen und Präzedenzfällen.
  • Sprachanalyse: Erkennt und analysiert juristische Fachsprache in Dokumenten und Korrespondenz.
  • Prozesssimulation: Simulation von Gerichtsverfahren und Argumentationslinien zur Vorbereitung auf echte Verhandlungen.
  • Risikobewertung: Einschätzung rechtlicher Risiken in verschiedenen Szenarien.
  • Compliance-Überprüfung: Unterstützt bei der Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und Normen in verschiedenen Branchen.
  • Unterstützung bei der Vorbereitung von Verhandlungen: Bereitstellung von Argumenten und Gegenargumenten für spezifische Rechtsfälle.
  • Trainingstool für Jurastudierende: Bereitstellung von Übungsfällen und Feedback zur Verbesserung juristischer Fähigkeiten. Aber Vorsicht bei der Erstellung von Jura Hausarbeiten mit ChatGPT.
  • Unterstützung bei der Analyse und Ausarbeitung von Vertragsentwürfen: Überprüfung von Vertragsklauseln und Vorschläge zur Optimierung.
  • Erstellung von juristischen Berichten und Analysen: Unterstützt bei der Erstellung von detaillierten rechtlichen Berichten und Analysen zu spezifischen Themen.

Diese Funktionen sind natürlich abhängig von den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen und sollten immer in Zusammenarbeit mit qualifizierten Rechtsanwält:innen genutzt werden, um die Genauigkeit, Relevanz und Aktualität zu gewährleisten.

Fazit – KI im Rechtswesen

ChatGPT ist ein beeindruckendes KI-Tool zur Erstellung von Texten. Allerdings sind die Antworten der KI mit Vorsicht zu genießen und sollten in jedem Fall immer von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt auf Richtigkeit geprüft werden. Das gilt umso mehr für komplexe juristische Fragen und Probleme, die als Grundlage für eine mögliche Klage dienen sollen. Denn zum einen bildet die KI nicht verlässlich den aktuellen Kenntnisstand der Rechtswissenschaft ab und zum anderen „halluziniert“ die generative KI oft. Dies bedeutet, dass die KI zwar auf jede Frage eine Antwort liefert, diese aber nicht immer korrekt ist.

Studierende, Referendare und Jurist:innen sollten daher lieber auf traditionelle Recherchewege zurückgreifen und Informationen aus Lehrbüchern, juristischen Datenbanken, Kommentaren und Urteilen beziehen. Für die Zukunft sollte die Rechtsbranche den allgemeinen Fortschritt der Digitalisierung und der KIs jedoch als Chance für eine effizientere und präzisere Arbeitsweise begreifen.

Gruppe, Team, Freunde, Redaktion, Avatar
Autorinnen
Karrieremagazin Redaktionsteam

Liebevoll für euch zusammengestellt vom Karrieremagazin Redaktionsteam von IQB & Myjobfair

FAQs – ChatGPT im Jurastudium

Nein, ChatGPT kann eine professionelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Es kann nur als Lernhilfe, Vorbereitungsassistent und Informationsquelle dienen. Möglicherweise wird das Tool eines Tages in der Lage sein, eine Erstberatung und Verweisung an einen passenden Rechtsanwalt zu leisten.

ChatGPT kann zur Recherche, zum Verfassen von Texten und zur Vorbereitung auf Prüfungen oder Moot Courts verwendet werden.

Nein, das KI-Tool neigt dazu, eigene Wahrheiten zu kreieren. Daher ist es für Studierende enorm wichtig, die von ChatGPT bereitgestellten Informationen von Rechtsexpert:innen prüfen zu lassen, statt blind auf deren Richtigkeit zu vertrauen.