§ 1357 BGB – Schlüsselgewalt: Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs – Schema, Erklärung, Fall

BGB einfach erklärt – § 1357 BGB regelt die gemeinsame Haftung von Ehegatten bei Geschäften des täglichen Lebens. Schema, Beispiel, Erklärung, Fall.

§ 1357 BGB – Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs 

Der Alltag von Ehepartnern ist geprägt von zahlreichen Geschäften – vom Wocheneinkauf bis zum Abschluss eines Handyvertrags. Doch wer haftet eigentlich für diese Verträge? § 1357 BGB regelt, dass Ehegatten gemeinsam für bestimmte Geschäfte des täglichen Lebens haften. Doch was bedeutet das genau? Hier erfährst du alles Wichtige zu diesem Paragraphen, inklusive Gesetzestext, Erklärung und anschaulichen Beispielen.

§ 1357 BGB – Gesetzestext

(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen. Besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

Quelle: Gesetze im Internet

Erklärung: Was regelt § 1357 BGB?

Geschäfte im Eheleben – Schlüsselgewalt

§ 1357 BGB betrifft Geschäfte des täglichen Lebens in der Ehe, die typischerweise zur Deckung des täglichen Bedarfs der Familie gehören. Das ist die sogenannte Schlüsselgewalt. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Lebensmitteleinkäufe
  • Haushaltsanschaffungen (z. B. Waschmittel, Küchenutensilien)
  • Abonnements und Verträge für den Haushalt (z. B. Strom, Telefon, Internet)
  • Medizinische Behandlungen für die Familie

Wirkung nach außen: Beide Ehegatten sind Vertragspartner

Ein zentrales Merkmal von § 1357 BGB ist, dass solche Geschäfte automatisch auch für den anderen Ehegatten gelten – ohne dass er ausdrücklich zustimmen muss. Das bedeutet, dass beide Partner für die daraus entstehenden Verpflichtungen haften.

Ausnahme: Getrenntleben

Leben die Ehepartner getrennt, greift § 1357 Abs. 3 BGB. Der Ehepartner darf dann keine Geschäfte mehr für den anderen Partner vornehmen. Wenn er dies tut, dann wird der andere Ehepartner nicht aus dem geschlossenen Vertrag verpflichtet. Ob sie getrennt leben, richtet sich nach § 1567 Abs. 1 BGB.

§ 1357 BGB – Beispiel

Lisa und Paul sind verheiratet. Lisa kauft in einem Möbelhaus eine neue Couch für das gemeinsame Wohnzimmer und schließt einen Ratenkaufvertrag über 12 Monate ab. Der Verkäufer geht davon aus, dass dieser Kauf der gemeinsamen Lebensführung dient. Da es sich um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs handelt, ist auch Paul automatisch mitverpflichtet – er muss also mit für die Raten haften. Beide Ehegatten sind dann sogenannte Gesamtschuldner nach §§ 427, 421 BGB.

§ 1357 BGB – Konkreter Fall

Sachverhalt

Eine Frau unterhielt bei einer Versicherung eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug. Der Ehemann kündigte die Vollkaskoversicherung ohne ausdrückliche Vollmacht seiner Frau. Nach einem Unfall verlangte die Frau Leistungen aus der Vollkaskoversicherung und widerrief die Kündigung.

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof entschied am 28. Februar 2018 (Az.: XII ZR 94/17), dass der Ehemann berechtigt war, die Vollkaskoversicherung gemäß § 1357 BGB zu kündigen, da es sich um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie handelte. Somit war die Kündigung wirksam, und die Frau konnte keine Leistungen mehr aus der Vollkaskoversicherung beanspruchen. 

Quelle: Bundesgerichtshof Az.: XII ZR 94/17

§ 1357 BGB – Prüfungsschema

Damit § 1357 BGB greift, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

I. Anwendbarkeit der Vorschrift

Grundvoraussetzung für die Anwendung von § 1357 BGB ist, dass es sich um eine wirksame Ehe handelt und die Ehepartner nicht getrennt leben.

  1. Bestehen einer wirksamen Ehe
    Eine gültige Ehe gemäß §§ 1303–1320 BGB muss vorliegen.
  2. Kein Getrenntleben
    Die Ehepartner dürfen nicht getrennt leben (§ 1357 Abs. 3 BGB).
    Das „Getrenntleben“ wird in § 1567 BGB legal definiert und ist für die Auslegung maßgeblich.
  3. Kein Ausschluss durch den anderen Ehegatten
    Der andere Ehegatte darf die Mitverpflichtung nicht ausgeschlossen haben (§ 1357 Abs. 2 BGB).

II. Voraussetzungen der Mitverpflichtung

Falls die Vorschrift anwendbar ist, muss geprüft werden, ob das konkret abgeschlossene Geschäft unter § 1357 BGB fällt.

  1. Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie
    Das Geschäft muss nach seiner Art zur Bedarfsdeckung der Familie gehören.
    Zur Auslegung sind die unterhaltsrechtlichen Vorschriften der §§ 1360, 1360a BGB heranzuziehen.
  2. Besonderheiten bei ärztlichen Behandlungen
    Notwendige und unaufschiebbare Maßnahmen fallen unter § 1357 BGB, auch ohne Abstimmung mit dem Ehegatten. Teure oder nicht medizinisch notwendige Behandlungen verpflichten den anderen Ehegatten nicht automatisch.

III. Rechtsfolge

Sind die Voraussetzungen erfüllt, treten folgende Wirkungen ein:

  1. Gemeinsame Haftung beider Ehepartner
    Der andere Ehegatte wird automatisch Mitverpflichteter des Geschäfts.
    Beide haften als Gesamtschuldner, sofern sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt.

Fazit zu § 1357 BGB – Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

§ 1357 BGB erleichtert den Alltag verheirateter Paare, indem es eine automatische Mitverpflichtung des anderen Ehegatten für alltägliche Geschäfte vorsieht. Dadurch kann ein Ehepartner ohne gesonderte Zustimmung des anderen beispielsweise Einkäufe oder notwendige Haushaltsverträge abschließen – mit der Folge, dass beide haften.

Allerdings gibt es klare Grenzen: Teure Anschaffungen, berufliche Geschäfte oder bedeutende Grundlagengeschäfte (z. B. Mietkündigungen) fallen nicht unter die Vorschrift. Besonders bei Kreditverträgen oder medizinischen Behandlungen kann es entscheidend sein, ob die Kosten die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie überschreiten.

Daher ist es für Ehepartner wichtig, sich über die Auswirkungen von § 1357 BGB bewusst zu sein. Falls ein Ehegatte nicht möchte, dass der andere ihn automatisch mitverpflichtet, kann er dies ausdrücklich ausschließen – dann gilt die Regelung nicht mehr.

Insgesamt dient § 1357 BGB dazu, den Ehealltag zu vereinfachen und Familiengeschäfte rechtlich abzusichern, setzt aber auch eine gewisse finanzielle Absprache zwischen den Partnern voraus.