Interview mit Laura Karasek über berufliche Monogamie und Egogröße

Laura Karasek spricht mit uns über ihre Karriere als Juristin, Autorin und Moderatorin, die Bedeutung von Authentizität und die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Laura Karasek ist die Tochter des bekannten Spiegel-Kulturredakteurs und Literaturkritikers Prof. Dr. Hellmuth Karasek und der Hamburger Theaterkritikerin Dr. Armgard Seegers-Karasek. Im Sommer 2019 vertrat sie Jan Böhmermann auf dessen Sendeplatz in ZDFneo mit ihrer eigenen neuen Talkshow Zart am Limit und für VOX moderiert sie das Primetime-Format „7 Töchter“. Laura Karasek ist Mutter von Zwillingen.

Das Interview für den mylawguide, das Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen, führte Falk Schornstheimer.

Liebe Frau Karasek, welches Ihrer inneren Ichs hat das größte Ego: die Juristin, Autorin, die Humoristin die Feministin?

Die Autorin (lacht), sie hat das kleinste und das größte Ego. Die denkt manchmal: Es ist doch eigentlich Hybris zu glauben, jemanden könnte interessieren, was man zu schreiben hat. Schreiben ist einerseits größenwahnsinnig, hat aber auch ganz viel mit Selbstzerfleischung und Selbstzweifeln zu tun. Es gibt ja nichts Langweiligeres als über das Glück, das Glücklichsein zu schreiben. Man muss schon bereit sein, in seine Abgründe zu blicken. Am unliebsten ist es mir, wenn ich mit Titeln belegt werde wie Powerfrau oder Multitalent, Tausendsassa. Nein, Autorin passt schon und Moderatorin wird mir auch ganz recht sein, wenn es dann mal losgeht. 

Was wäre Ihr Traumberuf gewesen, wenn Sie nicht Jura studiert und Anwältin geworden wären?

Opernsängerin! Ich singe nicht professionell, aber als ich noch bei Clifford Chance war, hatten wir eine Anwaltsband. Mein damaliger Chef ist Bassist, hat auch jede Menge E-Bässe in seinem Büro stehen, und wir hatten einen Probekeller in der Kanzlei. Mit Schlagzeug und allem drum und dran. Dort habe ich gesungen. Opern oder auch Chansons – das wäre für meine Bariton-Stimme schon toll. Schauspielerin hätte ich mir auch vorstellen können. Alles, was eine Bühne braucht!

Steht der Anwaltsberuf dazu nicht in krassem Widerspruch?

Ach, weiß ich gar nicht. Auch gute Schriftsätze haben etwas Künstlerisches. Bei Verhandlungen steht man ebenfalls auf der Bühne, einer kleinen Bühne, aber einer wichtigen Bühne – und hat Lampenfieber. Auch als Autorin leiste ich letztlich Überzeugungsarbeit, deshalb war Litigation, Prozessführung, genau das Richtige für mich, Verwaltungsrecht oder Bankrecht hätten mir wahrscheinlich nicht so gelegen. Es muss mit dem Leben zu tun haben. 

Haben Sie mit der Entscheidung für Ihr Jura-Studium die VBs angestrebt und wollten Sie damit immer schon Anwältin in einer Großkanzlei werden oder kam die Idee mit der Chance?

Es klingt blöd, aber ich hatte das kein bisschen kalkuliert. Ich hatte die Noten und plötzlich rückte die Option in greifbare Nähe. Mein erstes Examen habe ich in Berlin gemacht und zog für das zweite nach Frankfurt. Dann lebt man natürlich hier auch in einer Stadt, in der diese „Szene“ eine große Rolle spielt: Banken, Geld, Großkanzleien, die schicken Hochhäuser, die Türme – das war natürlich auch ein Faszinosum für mich. 

Eine Tochter aus einem Journalisten-, Bücher-, Literaten-Haushalt entscheidet sich nicht für Germanistik, Literaturwissenschaft, Philosophie, sondern für Jura. Auch als Abgrenzung gegen Ihr Elternhaus?

Ich kam in der Tat aus der Kulturwelt meiner Eltern, die mit Frankfurt so gar nichts zu tun haben und konnte hier etwas Eigenes aufbauen, das unabhängig von meiner Vergangenheit funktionierte. Ich fand es in der Tat cool – wenn man bei Jura überhaupt von cool sprechen kann – etwas anderes zu machen. Alle in meiner Familie sind Künstler, ich war der Außenseiter!

Als ich das erste Examen geschrieben hatte und es gut gelaufen war, dachte ich, jetzt machst Du auch noch das zweite. Ursprünglich wollte ich es bei dem ersten bewenden lassen und dann eine Journalisten-Schule besuchen oder in die Filmproduktion gehen. Jura schien mir die ideale Grundlage für ein breit angelegtes Interesse zu sein: Solide, anerkannt, man lernt etwas vom gesellschaftlichen Zusammenleben, von der Verfasstheit des Staates, von der Rechtsordnung. Darauf kann man vieles aufbauen. Aber eine Karriere als Anwältin in einer Großkanzlei habe ich nie geplant. Ich habe gar nicht die Ruhe, einen langfristigen Plan auszuhecken, ich denke nicht in so großen Zusammenhängen. Ich bin eher Kurzstreckenläuferin. 

Heißt das, Sie mussten für Ihre guten Noten nichts tun?

Ich glaube, es kommt darauf an, dass man auf den letzten Metern gut wird. In den ersten Semestern war ich gar nicht so stark, ich habe meine Pflichtvorlesungen besucht, Scheine gemacht – ob mit acht oder zwölf Punkten, das war relativ Wurscht. Aber im Examen sollte man schon möglichst fit in der Birne sein. Dafür habe ich durchaus ein paar Monate gelernt und bin auch ins Rep gegangen. Der Druck war unbezweifelbar hoch und ich war auch ehrgeizig. Ich mochte gerne feiern gehen, wollte aber auch gut sein. Ich habe immer schon sehr viel gelesen, neben Büchern Zeitungen, einfach, damit man Zusammenhänge begreift und argumentieren lernt. Denn es geht bei Jura nicht so sehr ums Auswendiglernen, sondern und den Nachvollzug von Sinn und Logik. Reines Pauken bringt nichts. 

Dann gibt es also doch eine Verbindung zur Kulturwelt Ihrer Eltern: Text, Sinn, Auslegung – das ist doch Philologie? 

Erst einmal geht es darum, dass man auch als Jurist eine Liebe zur Sprache entwickelt. Und dann sind – gerade für die anspruchsvolle Arbeit im Bereich Litigation in der Großkanzlei – Logik und Denken und Menschenverstand wichtig. Man muss sich in den Richter hineinversetzen, fragen, wie er einen Sachverhalt sehen würde, welches Judiz er anlegt. Diese psychologische Herangehensweise lernt man auch wunderbar, wenn man in seiner Jugend viel gelesen hat. Dieses psychologisch-philosophische Moment von Jura muss man begreifen. 

Ihre „Stern“-Kolumne „Tippt die noch ganz richtig?“ ist wirklich lustig. Einige Stücke sind aber auch extrem mutig oder provozierend. Z. B. „Die bumsende, fleischfressende Feministin mit roten Lippen“. Welche Auswirkungen hatte Ihre Direktheit auf Ihre Umgebung? Hat Sie Ihre Direktheit auch angreifbar gemacht?

Ja, man liefert sich immer aus, ich bin verletzbar. Ich habe mir immer schon – leider – sehr zu Herzen genommen, was andere über mich gedacht und gesagt haben. Ich war auch häufig von Selbstzweifeln zerfressen und überlegte, „kann ich das überhaupt?“. Und das Schöne an Jura war eben: Sie hat mir Sicherheit gegeben. Wenn Du diese Noten hast, kann Dir das keiner mehr nehmen, das ist manifest. Im künstlerischen Bereich ist das offener, subjektiver.

Die Kolumne zu machen… naja, mir war gar nicht bewusst, dass so etwas in der Kanzleiwelt wahrgenommen wird. Dass ich quasi eine Skandalnudel damit geworden bin, war mir im ersten Augenblick gar nicht klar. Natürlich gibt es unter den Lesern solche und solche, man polarisiert natürlich. Einige fanden es gut, manche haben es abgelehnt. Als ich etwa mein erstes Buch veröffentlicht habe, haben mein Chef und mein Team mich unglaublich unterstützt und am Erscheinungstag gleich einen Stapel Bücher gekauft und verteilt.

Das Buch hatte auch schon Sex-Szenen, aber die waren natürlich Fiktion, Literatur. Die Kolumne ist deutlich persönlicher und macht angreifbarer. Man begibt sich in die Öffentlichkeit. Im Grunde stellt man sich nackt auf den Marktplatz und ruft: „Bewerft mich mit Tomaten!“ So hat sich das angefühlt. Es gibt Leute aus dem Business, die sagen: „So was macht man nicht, das ist unseriös.“ Um dieses „was-sollen-denn-die-Nachbarn-denken“ habe ich mich aber noch nie geschert. Es hat mich geradezu gereizt, zu demonstrieren, dass man eine Top-Anwältin sein und trotzdem Glitzerschuhe tragen und eine Kolumne schreiben kann. Feminismus muss ja bedeuten, man hat die Freiheit der Wahl und man kann so aussehen, wie man will und machen, was man will – eben Lipgloss und Palandt. 

Fühlen Sie sich wohl mit Ihrer Vielseitigkeit oder sehen Sie auch die Gefahr sich zu verzetteln? Werden Sie sich in Zukunft auf ein Thema konzentrieren?

Noch geht es gut, noch sind alle Bälle in der Luft. Aber man kennt das ja, fällt einer runter, ist man so irritiert, dass alle runterfallen. Das ist wie beim Portfolio-Dating – es ist auf eine Art und Weise anstrengend. Anstrengung ist jedoch ein Begriff, der für mich nie negativ besetzt war. Wenn ich schreibe, möchte ich Menschen berühren, es muss nicht immer um das Schwere, Ernste, Politische gehen. Es ist mir völlig egal, was jemand in 300 Jahren darüber sagt. Es muss jetzt und heute Relevanz haben. Man kann über die Liebe schreiben, ich möchte Unterhaltungsliteratur machen und mir fehlt leider auch die Zeit und die Geduld … ich kann nicht vier Jahre an einem Roman schreiben.

Frau Karasek, was ist Ihr größter Traum?

Es gibt mehrere! Ich fände es ganz toll, wenn irgendwann einmal ein Buch von mir verfilmt würde – und ich auch am Drehbuch mitschreiben könnte – und vielleicht auch eine kleine Rolle bekäme, ein Cameo-Auftritt oder etwas in der Art. Chansons zu singen, Hildegard Knef, Marlene Dietrich, in dieser Richtung, so etwas wäre toll. Und eine Platte aufzunehmen ist auch so ein Kleinmädchen-Traum, der noch übrig geblieben ist. Für die Oper reicht‘s jetzt nicht mehr, aber Musik machen, ein Drehbuch schreiben, so etwas würde ich gerne machen. 

Warum haben Sie Ihre Anwaltskarriere nicht auf die Spitze getrieben, Stichwort: Partnerin?

Für mich war zu dem Zeitpunkt klar, ich möchte unbedingt weiter schreiben und moderieren und es war mir zeitlich nicht möglich, weiter zu investieren. Um Partnerin zu werden, hätte ich alles andere stehen und liegen lassen müssen. Wahrscheinlich wäre es sogar realistischer gewesen, Partnerin zu werden, als eine eigene Fernseh-Show zu bekommen, viele haben still in sich hineingelacht, als ich dieses Ziel aussprach.

Wenn ich dagegen Partnerin geworden wäre, hätte ich, glaube ich, in 10 Jahren das Gefühl gehabt, etwas verpasst zu haben. Ich finde es grundsätzlich ganz wunderbar in einer solchen Kanzlei Partner zu werden, aber ich für mich hatte nie dieses Ziel. Ich bin froh und stolz, dass ich sechs Jahre so gut zurechtkam als Anwältin, aber mir ist bewusst – auch durch den Tod meines Vaters – dass ich nicht ewig Zeit habe. Ich hatte eine gute Zeit in der Kanzlei, habe zwei Bücher geschrieben, zwei Kinder in die Welt gesetzt – jetzt soll beruflich noch etwas Neues für mich kommen. Ich wechsele gern, ich bin beruflich nicht so monogam…

Kann es nochmal einen Weg zurück geben – in irgendeine Kanzlei?

Ja durchaus, mir mach Jura Spaß. Ich kann mir vorstellen, irgendwann wieder in diesem Metier zu arbeiten. Aber im Moment macht mir die Welt der Kunst noch mehr Spaß, weil ich einfach mehr Zeit habe für die Dinge, die mich sehr berühren. Ich bin sehr emotional, gehe gern ins Theater, Kino, die Oper. All das kam natürlich etwas zu kurz im Anwaltsleben. 

Was vermissen Sie aus Ihrer Zeit als Anwältin bei Clifford Chance?

Natürlich ist das ein angenehmes Leben, man hat das schöne Büro im 36. Stockwerk, Blick auf die Alte Oper, man hat ein cooles Team – ich vermisse die Kollegen, jetzt bin ich eine One-Woman-Show! 

Was versetzt Sie in Begeisterung, was motiviert Sie?

Ich spüre, wenn mich etwas packt, wenn ich Junkie-artig einfach nicht aufhören kann, z.B. ein Buch zu lesen oder so etwas. Das war bei Jura auch so. Etwas nicht als Arbeit empfinden, sondern aus innerem Antrieb tun, das ist es. Ich bin motiviert, wenn mich etwas nicht langweilt. 

Als Coach weiß ich: Die meisten deutschen Arbeitnehmer suchen nach einer tieferen Bestimmung, nach Sinn in ihrem Leben, sie hadern mit Beruf, Karriere, Stress usw. Sie scheinen dagegen geradezu aus einem Füllhorn zu schöpfen und zwischen vielen Bestimmungen wählen zu können. Woher kommt das, was haben Sie anders gemacht als die anderen?

Schon von meinen Eltern bekam ich vermittelt, wie reichhaltig das Leben ist. Ich bin schon als kleines Kind mit meinem Vater in die Oper gegangen, meine Mutter war Theaterkritikerin, wir sind viel ins Theater gegangen, das hat mich immer glücklich gemacht. Den Schauspielern und Sängern zuzuschauen, sie zu bewundern. Ich hatte von klein auf die Faszination für kulturelle Themen. Fragen Sie mich aber nicht nach Bio oder IT, Technik. Da bin ich der totale Loser. Ich bin froh, wenn ich mein Word-Dokument öffnen kann. 

Würden Sie im Rückblick eigentlich etwas anders machen in Ihrem Leben oder anders entscheiden?

Beruflich würde ich nichts anders machen. Ich habe mich immer treiben lassen und alles ist irgendwie so passiert. Fragen Sie mich in fünf Jahren noch mal, wenn ich dann gescheitert bin, würde ich die Frage sicherlich bejahen, wenn ich dann drei Grimme-Preise habe, sicherlich verneinen (lacht). Aber man muss ja auch etwas wagen, sich trauen, mal auf die Fresse zu fliegen, sonst passiert ja nichts, deshalb eher keine Reuegefühle in beruflicher Hinsicht. Privat ist es schon anders.

Ich hätte sicher gerne nicht angefangen zu rauchen. Ich hätte im Rückblick in der Pubertät gerne mehr Zeit mit meinen Eltern verbracht, man will ja immer raus, sich mit Freunden treffen, die Eltern sind uncool. Jetzt, da mein Vater nicht mehr lebt, denke ich mir, ich hätte ihn gern mehr gefragt. Es sind also eher private Reuegefühle. Obwohl nein, eine Sache gibt es: Ich hätte vielleicht meine Doktorarbeit zu Ende schreiben sollen. Jura hätte ich in jedem Fall Jura studiert. Ohne Jura wäre ich nicht da, wo ich bin.

Wohin führt Sie Ihr Weg?

Ich finde Barbara Schöneberger toll, Ina Müller mag ich sehr. Sie hat ein tolles Format mit Inas Nacht. Das würde mich natürlich reizen. Oder mal die NDR-Talkshow zu moderieren wäre einfach spannend. Aber da geht es nicht so sehr darum, „wow, ich moderiere die NDR-Talkshow“, sondern du hast einfach immer wieder tolle Gäste, die dir wunderbare Geschichten erzählen, ich finde das so erfüllend und inspirierend. Man trifft Leute und denkt: „wieder etwas gelernt“ oder „berührende Geschichte“. Natürlich geht es auch um Eitelkeit, darum, im Rampenlicht zu stehen, aber am Ende wiegen die Geschichten schwerer. Im Kulturleben in Deutschland eine Rolle zu spielen, ist natürlich ein Traum.

Was würden Sie Jura-Studierenden und juristischen Berufseinsteigern raten?

Gerade jungen Frauen würde ich raten, sich nicht von Männern unterbuttern zu lassen. Sich auch nicht verbiegen zu lassen. Es müssen für Frauen dieselben Regeln gelten wie für Männer. Als vollzeitarbeitende Mutter wird einem dauernd ein schlechtes Gewissen eingeredet, das würde einem Mann nie passieren. Ihn würde keiner fragen: Jetzt echt noch ein Glas Wein, wer ist denn bei den Kindern?

Dieser Artikel erschien zuerst im mylawguide 2019, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Falk Schornstheimer, Autor IQB Karrieremagazin
Autor
Falk Schornstheimer

Das Interview mit Laura Karasek führte Falk Schornstheimer. Er ist seit vielen Jahren als selbstständiger Berater spezialisiert auf das Coaching und die Beratung von Anwaltskanzleien und Anwälten zur beruflichen Entwicklung sowie HR-Projekten tätig.