Verwaltungsstation beim Europäischen Parlament in Brüssel

Unsere Autorin war im Rahmen ihrer Verwaltungsstation beim Europäischen Parlament und hat Tipps & Infos zum Alltag im Parlament, der Arbeit in einem multinationalen Umfeld, der Wohnungssuche und der Interaktion mit Kollegen.

Eine Persönliche Erfahrung: Verwaltungsstation im Europäischen Parlament

„Die EU verschwendet nutzlos reihenweise Steuergelder“, „Die EU steckt in einer tiefen Krise“, „Die EU ist gefangen in ihrer eigenen Bürokratie“. Dies sind Beispiele für Aussagen, die ich vor meiner Verwaltungsstation beim Europäischen Parlament im Rahmen meines Referendariats zu hören bekam.

Ich ließ mich dennoch nicht davon abhalten, mir selbst ein Bild von der Arbeit in Brüssel zu machen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Was heißt es, in einer europäischen Institution zu arbeiten? Wie ist das (Arbeits-)Klima in einer multiinternationalen Institution und wie genau laufen die Arbeitsschritte und einzelne Prozesse dort ab?

Das Referendariat bietet viel Gestaltungsspielraum, darunter auch die Möglichkeit, einzelne Stationen im Ausland zu absolvieren. Nachdem ich bereits im Studium und im Rahmen der Anwaltsstation einen Teil meiner Ausbildung im Ausland absolvierte, wollte ich nun für die Verwaltungsstation ins Herz Europas nach Brüssel.

Wege ins Parlament

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, als Praktikant:in oder Referendar:in (dort ist man dann „Trainee“) Einblicke in die Arbeit des Europäischen Parlaments zu bekommen.

Entweder über ein Robert Schuman Traineeship [1] oder über ein Platz bei einem Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP). Die Zeiträume für das Robert Schuman Traineeship sind festgelegt (Oktober bis Februar und März bis Juli) und belaufen sich auf 5 Monate.

Mit den zeitlichen Vorgaben des Oberlandesgerichts schied bei mir das Robert Schuman Traineeship aus, sodass mir nur der Weg über einen MdEP offenstand. Dazu sollte es dann auch noch ein Jurist sein, was die Menge möglicher Kandidaten weiter einschränkte. Ich habe mich schließlich beim Vizepräsidenten Rainer Wieland beworben, eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe.

Nachdem ich etwa ein Jahr vor Beginn meiner Verwaltungsstation meine Bewerbung direkt bei ihm im Abgeordnetenbüro eingereicht hatte, habe ich wenig später die Zusage erhalten und mich riesig gefreut. Das nächste Abenteuer war damit garantiert.

Wohnungssuche in Brüssel

Trotz Pandemie fand meine Station zum Glück vor Ort statt und ein paar Wochen vor Beginn ging es also darum, eine Wohnung zu finden. Für den kurzen Zeitraum von (bei mir) dreieinhalb Monaten war das gar nicht so einfach. Zudem sind in Brüssel viele Angebote mit Vorsicht zu genießen.

Durch Empfehlungen bin ich auf das Wohnheim Institute of Cultural Affairs (ICA), https://www.icab.be/) gestoßen. Das Wohnheim ist sehr zentral gelegen und 20 Minuten Fußweg vom Parlament entfernt.

Zu meiner Zeit wohnten dort ca. 30 junge Menschen aus unterschiedlichsten europäischen und nichteuropäischen Ländern, die in unterschiedlichen Bereichen tätig waren. Teilweise arbeiteten sie wie ich beim europäischen Parlament, teilweise bei der Kommission, bei NGOs, bei Lobbyisten, bei Unternehmen oder an Forschungsprojekten der Universität.

Die Vielfalt war super und jeden Abend um 19 Uhr gab es ein gemeinsames Abendessen. Durch den Austausch habe ich deutlich mehr Einblicke in die verschiedenen Kulturen, die europäischen Strukturen innerhalb der Stadt und deren Wirkungen bekommen. Das war eine große Bereicherung.

Solltest du z.B. für die Wohnungssuche vor Ort nur für ein paar Tage eine Unterkunft brauchen, bietet das ICA auch die Möglichkeit, als B&B Gast nur einzelne Nächte zu buchen.

(M)ein Arbeitstag im Parlament

Mein Arbeitstag fing meist gegen 9 Uhr an und endete gegen 18 Uhr.

Die Aufgaben waren sowohl politischer als auch juristischer Natur. Das Verfassen von Artikeln und Reden, die Unterstützung des Abgeordneten in Sitzungen und das Organisieren von Besuchergruppen und Events sind nur eine Auswahl der Dinge, mit denen ich mich beschäftigt habe.

Herr Wieland hat mich zu einigen Gesprächen mitgenommen und sich viel Zeit genommen. Ich hatte auch das Glück, flexibel in meiner Zeit- und Arbeitseinteilung zu sein und konnte mich viel mit anderen Mitarbeiter:innen, Referendar:innen und Trainees austauschen und vernetzen.

Jederzeit konnte ich mich auch zu Sitzungen und Events dazu schalten und daran teilnehmen, was ich als sehr bereichernd empfand. Das Team von Herrn Wieland war superjung und total toll. Innerhalb des Teams haben wir deutsch gesprochen, im Parlament dann viel Englisch und Französisch.

Internationale Gemeinschaft und Austausch im Europäischen Parlament

Der Austausch mit den vielen internationalen Praktikant;innen und Mitarbeiter:innen beim Europäischen Parlament war beeindruckend. Ich habe jede Menge junge, faszinierende Menschen getroffen, die voller Energie waren und für Europa und die EU brannten.

Einige hatten einen juristischen Hintergrund, aber viele auch einen politischen oder einen ganz anderen. Jede:r hat seine eigene Geschichte, wie er dort hingekommen war und was ihn oder sie antrieb.

Vor dem Hintergrund der vielen Unterschiede der einzelnen Nationalitäten, Fraktionen und Menschen fand ich das Miteinander bemerkenswert. Die teilweise streitigen Diskussionen fanden immer in einem höflichen Rahmen statt und innerhalb strenger Vorgaben und festgelegter Redezeiten und Rednerreihenfolgen.

Brüssel – Eine vielfältige Stadt mit zahlreichen Möglichkeiten

Brüssel ist eine tolle Stadt und hat wirklich für jede:n was zu bieten Die Vielfalt (in jeglicher Hinsicht) mochte ich besonders.

Jeden Donnerstag nach der Arbeit treffen sich übrigens viele internationale junge Menschen der Stadt am Place du Luxembourg, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Es gibt zahlreiche Events in der Stadt und auch in vielen verschiedenen Sprachen.

Kulinarisch sind Waffeln und Pommes Pflicht. Städtetrips von Brüssel aus nach Gent, Antwerpen, Löwen, Maastricht, Den Haag oder Amsterdam kann ich ebenfalls nur empfehlen.

Mein Tipp: Rechtzeitig bewerben!

Grundsätzlich gilt, je früher desto besser. Die Abgeordnetenbüros planen meistens 12 Monate im Voraus. Natürlich kann sich manchmal auch spontan etwas ergeben, aber das ist eher die Ausnahme.

Trotz der anfangs zitierten kritischen Stimmen zur EU und Ihren Institutionen bin ich von deren Notwendigkeit überzeugt und in dieser Überzeugung bin ich während meiner Arbeit nur bestärkt worden.

Für alle überzeugenden Europäer:innen bestehen unzählige Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen und die Zukunft der EU mitzugestalten. Ein Praktikum oder eine Station im Rahmen des Referendariats ist eine tolle Möglichkeit, die ich uneingeschränkt empfehlen kann

Just do it

Linda Maria Schneller
Autorin
Linda Maria Schneller

Unsere Gast-Autorin Linda Maria Schneller ist Rechtsreferendarin am OLG Stuttgart