Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht — Präsenz & Engagement in der Provinz
Nachgefragt – Interview mit Dr. Harald Homann über den Mainstream, den Trend zur Spezialisierung und die Vorzüge des Lebens in der Provinz.
Herr Dr. Hohmann, als Gegengewicht zur gewohnten Kombination aus Wirtschaftskanzlei und Metropole stellen wir immer wieder Sozietäten vor, die bundesweit und international beraten, allerdings nicht aus Großstädten heraus. Aber selbst unter diesen Kanzleien nehmen Sie eine Sonderstellung ein: Außenwirtschaftsrecht aus dem Rentamt eines Wehrschlosses heraus – Was steckt denn hinter dieser Kombination?
Tatsächlich sind wir ins rund 50 km nordöstlich von Frankfurt gelegene Büdingen aus der Idee heraus gegangen, hier das Beste aus zwei Welten zu bekommen. Zum einen haben Sie hier, sobald es gewünscht wird, noch immer die erforderliche Verkehrsanbindung. Zum anderen haben Sie aber schon einen bezaubernden Ort mit hoher Work-Life-Balance und deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten.
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War das von Anfang an Ihr Plan, mit einer spezialisierten Boutique zwar im Einzugsbereich einer Großstadt zu bleiben, sich dort aber einen möglichst idyllischen Standort zu suchen?
Ich selbst war anfangs in Frankfurt am Main als Universitätsassistent tätig. Dort habe ich eine Habilitationsschrift zum Außenwirtschaftsrecht der EU, USA und Japans verfasst. Allerdings bin ich dann doch lieber in die Praxis gegangen, als in der Lehre zu bleiben, und habe mich hintereinander zwei großen internationalen Kanzleien angeschlossen. Dort hat es mir eigentlich auch gut gefallen. Allerdings liegt der Fokus solcher Großkanzleien letztlich eher auf M&A, Börsengängen und Ähnlichem. Wenn Sie auf etwas anderes spezialisiert sind, geraten Sie da leicht an den Rand.
Dadurch reifte dann die Idee eines eigenen Settings, in dem sich die Mandanten ganz im Zentrum betreut und wohlfühlen sollten. Besonders unsere ausländischen Mandanten finden es geradezu berührend, aus einem mittelalterlichen Fachwerkhaus direkt am Schloss heraus beraten zu werden. Gerade von amerikanischen und japanischen, aber auch von europäischen Geschäftspartnern hören wir das immer wieder.
Als Spezialist können Sie präsent sein – auch ohne Metropole
Worin beraten Sie Ihre Mandanten denn in der Sache?
Als Außenwirtschaftsrechts-Spezialisten liegen unsere Schwerpunkte hauptsächlich im Exportrecht der EU und der USA sowie im Zollrecht der EU und der USA. Daneben beraten wir zum Exportstrafrecht und legen hierbei viele freiwillige Selbstanzeigen ein. Wichtig ist schließlich auch die vertragliche Begleitung vom Liefer- bis hin zum Händlervertrag. Wenn Sie also etwas exportieren möchten: Welche Vertragsklauseln gelten? Wer zahlt Zoll und Versicherungen? Das Vertriebsrecht, vor allem Transportrecht und Finanzierung der Exporte, runden das Ganze ab.
Wie kommt man denn mitten im und fast auf dem Lande überhaupt an außenhandelsrechtliche Fälle heran?
Die zentrale Rolle spielt zum einen ein guter Homepageauftritt, der zum anderen mit einer sehr guten Reputation kombiniert ist. Die wiederum erzielen wir bei Hohmann Rechtsanwälte beispielsweise durch die regelmäßige Nennung in einschlägigen Branchenhandbüchern. Außerdem publizieren wir ziemlich viel in einschlägigen Spezialforen beispielsweise im Export-Manager der FAZ-Gruppe.
Zudem sind wir konsequent auf den Leitveranstaltungen der Branche vertreten, etwa bei den Seminaren des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA, Eschborn) in Frankfurt und Berlin. Als Mitglied im Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. EFA nehmen wir auch an deren Seminaren teil, u. a. dem Europäischen Zollrechtstag. Last but not least treten wir selbst als Referenten auf und veranstalten ein eigenes Jahresseminar, das zweitägige sogenannte Praktiker-Seminar gegen Ende September in Fulda. Zusätzlich gibt es viele informelle Empfehlungen.
Darüber hinaus empfehlen uns Mandanten weiter. Zusätzlich wichtig ist, dass wir auch entsprechende Credits von anderen Anwälten bekommen. Und da gibt es einige Kanzleien – beispielsweise US-amerikanische Sozietäten, die Hohmann Rechtsanwälte selbst für das US-Exportrecht empfehlen.
Wenn Sie in Großkanzleien auf etwas anderes als auf M&A oder ähnliches spezialisiert sind, geraten Sie leicht an den Rand.
Da Ihre Fälle ja überregionaler Art sind: Sind Sie und Ihr Team dann ständig unterwegs oder lässt sich ein Gutteil der Arbeit vom Schreibtisch und vom Telefon aus erledigen, welchen Anteil haben hier die elektronischen Medien?
Elektronische Medien spielen eine entscheidende Rolle. Es beginnt damit, dass wir online gefunden werden und der übliche Kontakt findet dann via Mail statt. Ergänzend greift man zum Hörer. Meistens vertieft man das Gehörte dann wiederum in den Mails usw. An einem bestimmten Punkt müssen Sie die entscheidenden Fragen kurz schriftlich gutachterlich vertiefen, um den Mandanten bei der Risikoabwägung und deren Minimierung zu unterstützen.
Persönliche Kontakte runden das Ganze ab, naturgemäß geht es im Außenwirtschaftsrecht aber eher um „die Sache“ als in Rechtsgebieten wie dem Familien- oder Arbeitsrecht, in denen es oft stärker menschelt. Wenn wir unterwegs sind, dann, wie gesagt, häufig auch auf Seminaren. Ich bin früher eher mehr gereist als heute.
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Haben Sie einige besonders spannende juristische Beispielsfälle für uns parat?
Zwei aktuelle Fälle: Da fällt mir als Erstes die Vertretung bei einem Rüstungstechnologietransfer über Frankreich nach Saudi-Arabien ein, zunächst ein ganz normal erscheinender Rechtsfall mit Genehmigungsantrag und Sachstandsanfragen. Dabei hatten wir nachgewiesen, dass eine Verwendung für den Jemen Krieg ausschied. Irgendwann wurde aber klar, dass die Probleme auf politischer Ebene lagen.
Für mich hieß das: Lobbyarbeit leisten bei den zuständigen Staatssekretären im Auswärtigen Amt und im Bundeswirtschaftsministerium, um für diese eine Rüstungslieferung Treffen auf höchster Ebene zu erwirken. Schließlich bekam unsere Mandantin als einzige eine Ausfuhrgenehmigung nach Saudi-Arabien, während alle anderen Genehmigungen für dieses Land wegen des Khashoggi Mordes vorläufig ausgesetzt wurden.
Juristisch spannend war außerdem das Verfassen von Organisationsanweisungen zur Exportkontrolle für die ausländischen Töchter eines international tätigen Maschinenherstellers. Hier hatten wir eine deutsche Holding mit Töchtern in Deutschland, Italien, der Schweiz, China, Hongkong und Japan. Wir mussten rechtsvergleichend tätig werden: Einerseits muss jede Tochter das Landesrecht ihrer Niederlassung beachten, andererseits muss sie auch das Recht am Sitz der Holding mittelbar berücksichtigen. Italien und China waren für uns schwer zugänglich, da jedes Rechts-Dokument nur in Italienisch oder Chinesisch existierte.
Unsere ausländischen Mandanten finden es geradezu berührend, aus einem mittelalterlichen Fachwerkhaus direkt am Schloss heraus betreut zu werden.
Zu drei früheren Fällen: Ich bin ein Jahr lang zweimal die Woche ans Landgericht Stuttgart gefahren, um den Mandanten vor einer langjährigen Freiheitsstrafe zu bewahren. Oder als 2013 kurzfristig die freiwillige Selbstanzeige ins Außenwirtschaftsgesetz eingeführt werden sollte: Da rief mich die CDU/CSU-Fraktion auf der Suche nach meinem Formulierungsvorschlag im Skiurlaub an.
Kurz darauf war der von mir formulierte § 22 IV AWG Gesetz. Lebhaft in Erinnerung habe ich auch noch die zollrechtliche Fragestellung mit der Alkopop-Steuer, obwohl sie jetzt schon einige Jahre her ist. Mittags hatte ich einen Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht gefaxt. Abends bringen wir unsere Tochter ins Bett, ich schalte die Tagesthemen ein und da ist als erstes Richter Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier zu sehen, wie er aus dem Schriftsatz einer Büdinger Kanzlei zitiert. In solchen Fällen wird klar, wie präsent Sie als Spezialist sein können – auch ohne Metropole.
Das klingt aus der Sicht des juristischen Nachwuchses einerseits hoch interessant, andererseits aber auch ziemlich kompliziert. Haben Berufseinsteiger denn da überhaupt eine Chance?
Aber ja doch! Das Entscheidende ist „Learning on the job“. Wenn Sie die Bereitschaft dazu mitbringen, sind Ihre Entwicklungschancen sogar ziemlich gut. So bieten wir bei Hohmann Rechtsanwälte den jungen Leuten auch Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, wenn sie die entsprechenden Vorkenntnisse noch nicht haben. Dann absolvieren sie zunächst zwei einwöchige Grundkurse, gefolgt von Aufbaueinheiten, die wiederum mit praktischem Lernen kombiniert werden. Ab einem bestimmten Punkt der Vertiefung kann und soll der Nachwuchs dann publizieren und selbst Seminare geben.
Pflegen Sie Ihre Soft Skills! Gute Kommunikationsfähigkeit und möglichst authentisch zu sein, bedeuten in der Akquise den entscheidenden Unterschied.
Von dort aus würde ich gerne noch einmal den Bogen zurück zum Work-Life-Standort Büdingen schlagen – Hand aufs Herz, würden Sie mit Ihrer Familie als junger Außenwirtschafts- und Exportkontrollrechtler denn noch einmal genau hierher kommen wollen?
Ja, das würde ich tatsächlich tun. Wie gesagt: Bis nach Frankfurt ist es einerseits keine Stunde, andererseits sind die Preise in Büdingen aber noch so erschwinglich, dass man sich ein Haus leisten kann, bevor der Nachwuchs groß ist. Mit Vogelsberg, Spessart und Rhön sind drei bezaubernde Mittelgebirgslandschaften gleich um die Ecke.
Die Dinge für den Alltagsgebrauch findet man hier in der alten Kreisstadt ohnehin vor Ort. Alter und Größenordnung entsprechen tatsächlich in etwa Tübingen – wenn Sie von der noch fehlenden Universität einmal absehen. Aber ein humanistisches Gymnasium und eine Musik- und Kunstschule haben wir beispielsweise auch.
Und wenn jetzt tatsächlich jemand käme und sagte, ja, das probiere ich aus: Hätten Sie überhaupt Platz für sie oder ihn?
Für gute, engagierte Leute ist bei uns immer Platz. Wir freuen uns vor allem über Kandidat*innen mit Elan. Fachkenntnisse im Außenwirtschafts- und Exportkontrollrecht sind dabei natürlich ideal, allerdings sind sie nicht zwingend notwendig.
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Zum Abschluss bitten wir unsere Interviewpartner*innen traditionell um drei gute Rat schläge für den juristischen Nachwuchs. Was möchten Sie der nächsten Generation hier gerne mit auf den Weg geben?
Das erste und allerwichtigste, wozu ich Ihnen rate, ist: Pflegen Sie Ihre Soft Skills! Gute Kommunikationsfähigkeit und möglichst authentisch zu sein – das macht Sie unverwechselbar. Dass Sie in der Sache gut sind, setzen Ihre Mandanten voraus. Aber im direkten Gespräch brauchen Sie das i-Tüpfelchen, das in der Akquise dann den entscheidenden Unterschied bedeutet.
Das zweite, vor dem wir alle nicht zurückschrecken dürfen, ist die umfassende Bereitschaft zur Weiterbildung durch „Learning on the Job“. Die Universität legt die zentralen Grundlagen unserer juristischen Expertise, aber mehr kann sie nicht leisten. Hier müssen wir uns immer wieder selbst disziplinieren und fortbilden, egal ob es unmittelbar überprüft wird oder nicht.
Mein dritter Ratschlag ist, dass Sie die Augen nicht vor dem anhaltenden Trend zur Spezialisierung verschließen. Entsprechend wichtig ist auch Ihre Präsenz im Zuge von Veröffentlichungen und Veranstaltungen.
Herr Dr. Hohmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dieser Beitrag erschien zuerst im JURAcon Jahrbuch 2020
Dr. Harald Hohmann
Dr. Harald Hohmann ist Inhaber der Kanzlei Hohmann Rechtsanwälte Büdingen, der „häufig zum Außenwirtschaftsrecht empfohlenen Kanzlei“; er ist „führender Name für Außenhandelsrecht“ (Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien). Er hat sieben Bücher zum Außenwirtschaftsrecht als Autor oder Mit-Herausgeber veröffentlicht, u. a. den „Kommentar Ausfuhrrecht“ (München 2002) und „Praxis der US-Re-Exportkontrolle“ (Köln 3. Aufl. 2016, 4. Aufl. in Druck); vgl. auch seine monatlichen Beiträge im Export-Manager des FAZ Instituts. Er referiert auf vielen Veranstaltungen, v. a. Inhouse-Seminare, u. a. auch für Bundestag/ Berlin, ICC/Wien, METI/Tokio sowie bei Uni-Vorlesungen in Frankfurt und Osaka.
Das Interview führte: Rechtsanwältin Dr. Anette Schunder Hartung, aHa Strategische Geschäftsentwicklung, Frankfurt am Main
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