Praktikum am Landgericht – Die ideale Praxisstation für Studienanfänger

Jurastudium: Praxiserfahrung am Landgericht sammeln – unsere Autorin verrät, was sie dabei besonders beeindruckt hat.

Praktikum am Landgericht: So bekommt man in Hessen einen Platz

Das Gerichtspraktikum gehört in manchen Bundesländern zum Pflichtprogramm – so auch in Hessen. Einen Monat lang darf man als angehender Jurist das seinem Wohnort nächste Landgericht aufsuchen und verschiedenen Verhandlungen beiwohnen: Eine tolle Chance, denn man lernt die Justiz in ihren unterschiedlichen Facetten kennen. Doch was genau erwartet einen während des Praktikums am Landgericht?

Gute Nachrichten für Ungeduldige: Die Anmeldung zum Praktikum am Gericht ist denkbar einfach und es kommt nur selten zu Wartezeiten.

Das gilt jedenfalls in jenen Bundesländern, in denen das Praktikum am Gericht zwingend vorgeschrieben ist. So wird auch in Hessen dafür gesorgt, dass alle Studierenden zum Zug kommen. Zur Anmeldung genügt das Einsenden des entsprechenden Formulars an das zuständige Gericht. Meine Anmeldeunterlagen sendete ich im Frühjahr 2017 ein und schon im Sommer erhielt ich die Zusage.

Praktikum am Landgericht: früh im Jurastudium praktische Erfahrungen sammeln.

So kam ich in der vorlesungsfreien Zeit des zweiten Semesters zu einem Platz im Gruppenpraktikum des Landgerichts Wiesbaden. Die Bezeichnung „Gruppenpraktikum“ kann man in diesem Zusammenhang ruhig wörtlich verstehen: Zusammen mit ungefähr 30 anderen Jurastudierenden absolvierte ich ein vorbereitetes Programm. Diese Studierenden kamen zu einem großen Teil von der örtlichen privaten EBS Hochschule, außerdem von der Universität Mainz und der Universität Frankfurt.

Zu Beginn des Praktikums wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt. Während wir die Verhandlungen gemeinsam besuchten, wurden wir bei auswärtigen Terminen, wie zum Beispiel in Gefängnissen und Gerichtsmedizin, und Verhandlungen mit beschränkten Sitzplätzen aufgeteilt. Zwei kompetente Richterinnen sorgten für die Organisation unserer Termine. Sie ermöglichten uns ein abwechslungsreiches und vielfältiges Praktikums-Programm.

Praxis sammeln: Verhandlungstermine bei Gericht

Zu den Inhalten des Praktikums gehörte an vielen Tagen der Besuch mehrerer Verhandlungstermine im Gebäude des Landgerichtes. Hierzu zählten unterschiedlichste zivilrechtliche Verhandlungen und kleinere strafrechtliche Angelegenheiten. Zudem sahen wir arbeitsrechtliche Streitigkeiten sowie Anhörungen in Verbindung mit der Verlängerung des Status von Asylbewerbern. All diese Termine boten einen exzellenten Einblick in die Arbeitsweise der verschiedenen Kammern und RichterInnen sowie den Ablauf üblicher Gerichtstermine. Es bot vielen aus unserer Gruppe zum ersten Mal die Gelegenheit, ein Gespür für die Arbeit des Gerichtes zu entwickeln und manches des bereits theoretisch gelernten Wissens in der Praxis umgesetzt zu sehen.

Hierbei kam es in dieser Art des Praktikums vor allem auf das Zuhören und Verstehen der Prozesse vor Gericht an. Ein direktes Mitarbeiten war an keiner Stelle nötig oder gewünscht. Gerade das stellt jedoch die Chance des Gerichtspraktikums dar. Kann man doch in kaum einem anderen Praktikum bereits im zweiten Semester sinnvoll verschiedenste Kenntnisse erwerben. 

Exkursion zu JVA ermöglicht Praktikanten Einblicke in die Lebenswelt von Häftlingen

Zusätzlich zu diesem Programm besuchten wir zusammen mit den Richterinnen mehrere andere Einrichtungen, die mit dem Gericht eng in Verbindung stehen. Hierzu gehörte die Jugend-Justizvollzugsanstalt Wiesbaden. Nach strenger Sicherheitskontrolle durften wir das Gefängnis betreten und wurden von Angestellten herumgeführt. So sahen wir die schlicht, aber nicht unkomfortabel eingerichteten Wohnbereiche der männlichen Insassen und deren nur wenige Quadratmeter große Zellen.

Außerdem konnten wir sehen, dass den Jugendlichen an mehreren Orten innerhalb der Gefängnismauern verschiedene Ausbildungen zum Erwerb eines Berufsabschlusses bereitstehen, beispielsweise im handwerklichen Bereich oder als Koch. Die Auszubildenden helfen hiermit auch bei der Gestaltung des normalen Tagesablaufs mit und unterhalten die Anlage. Zudem finanziert sich das Gefängnis durch eine Lagerhalle, in der Versandgüter verpackt und für den Weiterversand vorbereitet werden. Dort ist eine Ausbildung zum Lageristen möglich. Deutlich sichtbar für uns war der Anspruch dieser Jugend-Justizvollzugsanstalt, den Häftlingen Bildung anzubieten, um ihnen so eine Perspektive für die Zukunft zu ermöglichen.

Ein anderes Bild bot die Justizvollzugsanstalt für Erwachsene in Butzbach, die wir an einem zweiten Tag besichtigten. Diese war viel größer, mit einer höheren Anzahl an Häftlingen, weit weniger einladender Gestaltung und ohne gemeinsame Bereiche der Häftlinge. Hier wurde uns Besuchern die beklemmende Aussichtslosigkeit, welche eine Haftstrafe mit sich bringt, sehr deutlich.

Exkursion zur Gerichtsmedizin und Abschluss des Praktikums am Landgericht

In der letzten Woche des Praktikums besuchten wir die Gerichtsmedizin Frankfurt am Main – eine alte Stadtvilla im Zentrum. Während der Hinfahrt hatten wohl die meisten der Praktikanten und Praktikantinnen ein mulmiges Gefühl. Vor Ort erklärten uns mehrere Mitarbeiter dann, dass keinesfalls nur die Obduktion von Leichen Inhalt der Gerichtsmedizin ist.

Das Aufgabenspektrum umfasst vielmehr auch Gentests, beispielsweise für Verwandtschaftstests, Drogenkontrollen und andere Untersuchungen. Schlussendlich konnten wir im Keller des Hauses einer Gerichtsmedizinerin bei der rein äußerlichen Prüfung einer Leiche über die Schulter schauen. Dort werden alle menschlichen Leichen, bei denen eine unnatürliche Todesursache nicht mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen ist, untersucht. Trauten sich zu Beginn alle Praktikanten und Praktikantinnen in den Raum, so mussten doch mehrere ihn vorzeitig wieder verlassen.

Übung macht den Meister: Simulierten Gerichtsverhandlung in realer Umgebung

Zum Abschluss des Praktikums wurde uns ein Mini-Moot-Court angeboten. Bei dieser simulierten Gerichtsverhandlung spielten wir zwei fiktive Gerichtsprozesse nach und übernahmen dabei unterschiedliche Rollen. Den letzten Tag verbrachten wir schließlich bei der Schufa in Wiesbaden.

Mein Praktikum am Landgericht: persönliches Fazit

Ich persönlich sehe in einem Gerichtspraktikum eine interessante Möglichkeit, bereits früh im Jurastudium erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Es scheint mir eines der wenigen Praktika zu sein, die man bereits sinnvoll im zweiten Semester absolvieren kann. Es bietet die Möglichkeit, bereits gelernte Inhalte praktisch angewendet zu sehen, sowie Vorwissen für die prozessrechtlichen Fächer in höheren Semestern zu sammeln.

Das Praktikum am Landgericht ist außerdem eine gute Gelegenheit, die eigene Berufswahl auszuloten. Jene, die sich für einen Beruf in Staatsanwaltschaft oder Richterschaft interessieren, können ein gutes Gefühl für diese Berufsgruppen entwickeln. Hier werden kaum Einzelpraktika vergeben, deshalb stellt das Gerichtspraktikum auch in dieser Hinsicht eine gute Wahl dar.

Wer noch mehr über die Arbeit am Landgericht erfahren möchte, kann dies hier tun: Am Landgericht: Meine Zivilstation im Referendariat

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Autorin
Annika Fellenberg

Annika Fellenberg, Jahrgang 1997, studiert Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam, an welcher sie ebenfalls einen LL.B-Abschluss im integrierten Bachelor-Studiengang erworben hat. Ihre Interessen liegen im Unternehmens- und Steuerrecht, weshalb sie neben der Wahl des Schwerpunktbereiches Gesellschafts- und Steuerrecht bei PwC in der Steuerberatung arbeitet.

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