Sustainable Finance: Nachhaltige Finanzmärkte von morgen schaffen

Die Aufgaben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) an der Schnittstelle von Recht, Ökonomie und Politik sind vielfältig und herausfordernd. Haushalt und Steuern, Europa und Finanzmärkte, die Bekämpfung von Geldwäsche und Schwarzarbeit sowie die Koordinierung der föderalen Finanzbeziehungen fallen ebenso in den Zuständigkeitsbereich des BMF wie „Sustainable Finance“ – eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzpolitik.

Die Aufgaben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) an der Schnittstelle von Recht, Ökonomie und Politik sind vielfältig und herausfordernd. Haushalt und Steuern, Europa und Finanzmärkte, die Bekämpfung von Geldwäsche und Schwarzarbeit sowie die Koordinierung der föderalen Finanzbeziehungen fallen ebenso in den Zuständigkeitsbereich des BMF wie „Sustainable Finance“ – eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzpolitik.

Unter Sustainable Finance versteht man die Zusammenstellung von Finanzvorschriften, Standards, Normen und Produkten, die ein Umweltziel verfolgen und insbesondere die Energiewende erleichtern. Sustainable Finance bezieht sich auf den Prozess der Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Gesichtspunkten (ESG) bei Investitionsentscheidungen im Finanzsektor, was zu mehr langfristigen Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und Projekte führt. Das Konzept wurde mit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens gefördert.

Der Finanzmarkt und das Klimaschutzgesetz

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021 zum Klimaschutzgesetz hat der Notwendigkeit für eine konsequent an den Klimaschutzzielen ausgerichteten Politik weiteren Nachdruck verliehen. Die Reaktion der Bundesregierung erfolgte schnell und konsequent: Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral leben und wirtschaften. Um diese ambitionierte Zielmarke zu erreichen, müssen heute die richtigen Weichen in allen relevanten Politikfeldern gestellt werden.

Eine zentrale Hebelwirkung kommt dabei auch dem Finanzmarkt zu. Langfristige Investitionsentscheidungen und Innovationen in klimafreundliche Technologien brauchen eine angemessene Finanzierung. Daneben kann eine unzureichende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren im Risikomanagement eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellen.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung verlässlicher Rahmenbedingungen, um die Nachhaltigkeitsorientierung und -kompetenz von Finanzmarktakteuren, also von Banken, Kapitalsammelstellen, Versicherungen und Pensionsfonds, zu stärken. Dies zu gewährleisten, ist Aufgabe des BMF. Auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gestalten die Mitarbeiter:innen des BMF deshalb aktiv die Regeln für die Finanzmärkte von morgen mit.

Auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gestalten die Mitarbeiter:innen des BMF deshalb aktiv die Regeln für die Finanzmärkte von morgen mit.

Ausbau Deutschlands zum attraktiven Sustainable Finance-Standort

Finanzmärkte machen nicht an nationalen Grenzen halt. Deshalb gilt auch im Bereich Sustainable Finance, dass viele Regelungen vorrangig EU-weit einheitlich entwickelt und erlassen werden. Aber auch auf nationaler Ebene lassen sich wichtige Weichen für mehr Nachhaltigkeit im Finanzmarkt stellen.

Ein in dieser Hinsicht zentrales Projekt der Bundesregierung ist die erstmalig im Herbst 2019 erfolgte Emission Grüner Bundeswertpapiere. Maßgeblich zum erfolgreichen Eintritt des Bundes in das grüne Anleihemarktsegment beigetragen haben die für das Staatsschuldenmanagement zuständigen BMF-Fachreferent:innen. Zu deren Aufgaben zählte es, in Abstimmung mit der Finanzagentur GmbH, die als Finanzdienstleistungsunternehmen im Eigentum des Bundes das Bundesschuldenmanagement verantwortet, ein Konzept für eine sogenannte „grüne Zwillingsanleihe“ auszuarbeiten.

> Rahmenwerk für Grüne Bundeswertpapiere

Charakteristisch für diese „Zwillingsanleihe“ ist, dass die grüne Anleihe stets mit den identischen Merkmalen eines bestehenden konventionellen Bundeswertpapiers ausgestattet wird. In einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Leitung des BMF mussten im nächsten Schritt die in der Ressortverantwortung der einzelnen Ministerien stehenden „grünen“ Ausgaben identifiziert werden.

Anschließend wurden detaillierte Angaben hierzu in einem „Rahmenwerk für Grüne Bundeswertpapiere“ für Investoren transparent und nachvollziehbar dargelegt. Mittlerweile konnte der Bund Grüne Bundeswertpapiere unterschiedlicher Laufzeiten in einem Volumen von 17,5 Mrd. Euro erfolgreich am Markt platzieren (Stand: Juli 2021). Damit ist das „Projekt“ Grüne Bundeswertpapiere jedoch nicht abgeschlossen.

> Wirkung der grünen Ausgaben der Bundesregierung auf Umwelt und Klima

Im April 2021 wurde der erste Allokationsbericht veröffentlicht. Dieser ordnet dem Emissionsvolumen aus dem Jahr 2020 grüne Ausgaben aus dem Bundeshaushalt zu. Aktuell läuft die Arbeit an einem „Impact Report“, in dem über die Wirkung der grünen Ausgaben der Bundesregierung auf Umwelt und Klima berichtet werden soll. Eine Veröffentlichung ist für Mitte 2022 geplant.

> Meilenstein: Deutsche Sustainable Finance Strategie

Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg hin zur Stärkung Deutschlands als attraktiven Sustainable Finance-Standort wurde mit der Veröffentlichung der Deutschen Sustainable Finance-Strategie im Mai 2021 erreicht. Dem voran ging ein enger Austausch mit zahlreichen betroffenen Ressorts und Vertreter:innen des Finanzsektors, von Umweltverbänden und aus der Wissenschaft zu den einzelnen der insgesamt 26 in der Strategie enthaltenen Maßnahmen.

In den nächsten Monaten werden die Planungen für deren erfolgreiche Umsetzung eingeleitet. Die Aufgaben sind dabei so vielfältig wie spannend: Sie reichen von der Umschichtung der Aktienportfolios ausgewählter Bundesanlagen in Nachhaltigkeitsindizes bis hin zur Entwicklung eines Konzepts für eine „Nachhaltigkeitsampel“ für Finanzprodukte.

Die europäische Sustainable Finance-Agenda mitgestalten

Alle wesentlichen Finanzmarktregeln werden auf europäischer Ebene geschrieben. Als BMF-Fachreferent:in gestaltet man europaweit einheitlich geltende Regelungen direkt mit. Der Verhandlungsprozess ist dabei grundsätzlich über alle Dossiers hinweg vergleichbar: Nach Vorlage eines Legislativvorschlags durch die Europäische Kommission erarbeiten die BMF-Fachreferent:innen unter Verhandlungsführung der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit den Kolleg:innen aus den anderen 26 EU-Mitgliedsländern eine gemeinsame Position des Rates, in der Fachsprache als Allgemeine Ausrichtung bezeichnet.

Als BMF-Fachreferent:in gestaltet man europaweit einheitlich geltende Regelungen direkt mit.

Die Verhandlungen sind partnerschaftlich, aber durchaus streitig, denn die jeweiligen Interessen der Mitgliedstaaten können sehr unterschiedlich sein. Nachdem sowohl Rat als auch Europäisches Parlament ihre inhaltlichen Positionen festgelegt haben, startet die Phase der Trilogverhandlungen, in der sich die Co-Legislatoren unter Mitwirkung der Europäischen Kommission auf einen Gesamtkompromiss verständigen müssen. Ein fundiertes Wissen über europäische Entscheidungsprozesse und die Arbeitsweise der EU-Institutionen ist dabei für den Verhandlungserfolg ebenso relevant wie eine enge Vernetzung mit den zuständigen Kolleg:innen aus der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union.

Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“

Im Bereich Sustainable Finance bildete der von der Europäischen Kommission im März 2018 veröffentlichte Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ den Auftakt für eine Reihe relevanter Legislativvorhaben zur Stärkung der Nachhaltigkeitsorientierung im Finanzsektor. Kernstück des Aktionsplans ist die Verordnung über einen Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen („Taxonomie“).

Mit der Taxonomie wird ein umfassendes Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten geschaffen, um ein EU-weit einheitliches Verständnis der ökologischen Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Tätigkeiten zu fördern. Das klingt technisch und ist doch hochpolitisch. Wichtige Streitpunkte waren und sind immer wieder in der Fachpresse zu finden, zum Beispiel der Umgang mit Atomenergie.

Mit der Taxonomie wird ein umfassendes Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten geschaffen, um ein EU-weit einheitliches Verständnis der ökologischen Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Tätigkeiten zu fördern.

In enger Abstimmung mit anderen betroffenen Ressorts (unter anderem dem Bundesumwelt- und dem Bundeswirtschaftsministerium) haben sich die BMF-Fachreferent:innen in den Verhandlungen dafür stark gemacht, dass die im Rahmen der Taxonomie-Verordnung neu geschaffenen Transparenzvorgaben gleichzeitig ambitioniert, praktikabel und handhabbar sind. Gerade am Beispiel Atomenergie zeigen sich die oben genannten unterschiedlichen nationalen Perspektiven in den Verhandlungen besonders gut: Aus Sicht der Bundesregierung ist Atomenergie nicht nachhaltig, andere große Mitgliedstaaten sehen das anders.

Erneuerte Sustainable Finance Strategie der EU

Im Juli 2021 hat die Europäische Kommission eine erneuerte Sustainable Finance-Strategie vorgelegt. Damit soll das ambitionierte Arbeitsprogramm zur Stärkung von Sustainable Finance fortgeführt werden. Der in diesem Rahmen vorgelegte Legislativvorschlag für einen „EU Green Bond Standard“ befindet sich derzeit in Verhandlung. Auch hier wird es für eine erfolgreiche Kompromissfindung auf den Einsatz der mit dem Dossier betrauten BMF-Fachreferent:innen ankommen.

Grundsätzlich gilt: Nach Abschluss europäischer Verhandlungen müssen die neuen Regelungen in nationales Recht umgesetzt werden. Bestehende nationale Rechtsnormen an das europäische Recht anpassen – auch das zählt zu den Aufgaben von BMF-Fachreferent:innen.

Sustainable Finance weltweit etablieren

Das BMF setzt sich darüber hinaus in internationalen Foren für eine verstärkte Kooperation im Bereich Sustainable Finance ein. Unter anderem ist das BMF Gründungsmitglied der im April 2019 ins Leben gerufenen „Coalition of Finance Ministers for Climate Action“ (CFMCA), der weltweit mittlerweile 52 nationale Finanzministerien angehören. Ziel dieser Finanzministerkoalition ist es, den globalen Klimaschutz im Rahmen des Klimaabkommens von Paris voranzubringen. Dabei schreibt auch die CFMCA der Mobilisierung privater Investitionen zur Finanzierung klimaneutraler Innovationen eine relevante Rolle zu. In den CFMCA-Experten- runden zum Thema Sustainable Finance sind die zuständigen BMF-Fachreferent:innen deshalb mit starker Stimme vertreten. Um den Dialog zu Sustainable Finance über diese regulären Formate hinaus weiter zu stärken, hat die BMF-Fachebene im November 2020 unter dem Dach der CFMCA und in Kooperation mit dem „Network for Greening the Financial System“, einem internationalen Zusammenschluss von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, einen gemeinsamen Workshop zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken und Stress-Testing organisiert. Ein Anschlussworkshop soll voraussichtlich im Jahr 2022 erfolgen.

Finanzmärkte machen nicht an nationalen Grenzen halt.

Darüber hinaus messen der Finanzstabilitätsrat, ein internationales Gremium, das die Arbeiten zur Aufsicht und Regulierung der internationalen Finanzmärkte koordiniert, sowie die G7/G20 dem Thema Sustainable Finance eine wachsende Bedeutung bei. Auch mit Blick auf eine angemessene Vertretung deutscher Belange in diesen Foren ist das Wissen und die Kompetenz der BMF-Fachreferent:innen zunehmend gefragt. Ein in dieser Hinsicht wichtiges Jahr wird 2022 sein. Dann nämlich übernimmt Deutschland die G7-Präsidentschaft, in der das Thema Sustainable Finance hoch auf der Agenda stehen wird.

Dieser Artikel erschien zuerst im mylawguide 2021, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Dr. Marina Hübner, Referentin BMF
Autorin
Dr. Marina Hübner

Dr. Marina Hübner ist Referentin in der Abteilung Finanzmarktpolitik im Bundesministerium der Finanzen

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