Future Mobility & Mobilitätswende: Anwälte im digitalen Ökosystem

Die Arbeit als Anwältin / Anwalt im Bereich Future Mobility in einer Großkanzlei hat viele Facetten. Es ist die Welt der Mobilitätswende: autonom fahrende Autos, Drohnen und mit Wasserstoff betriebene Züge. Man arbeitet am Puls der Zeit mit zahlreichen Praxisgruppen in einem internationalen Team zusammen. Der folgende Beitrag zeigt aktuelle Trends der Mobilitätswende sowie die vielseitigen Karrierechancen und Perspektiven von Nachwuchsjurist:innen in diesem Gebiet auf.

Mobilitätswende — Was ist Future Mobility?

Was ist „Future Mobility“? Der Begriff steht für die Zukunft der Mobilität und erfasst alle denkbaren Mobilitätsformen: Autonom fahrende Fahrzeuge genauso wie Drohnen oder mit Wasserstoff betriebene Eisenbahnzüge. Im Bereich Future Mobility sind bereits zahlreiche Unternehmen verschiedener Branchen tätig: Neben etablierten Automobilherstellern (Original Equipment Manufacturer, kurz OEMs) und bekannten Zulieferern drängen zunehmend Start-ups und Technologiekonzerne in den Mobilitätsmarkt.

Ein modernes Auto erfordert nicht mehr nur eine reibungslos funktionierende Hard-, sondern auch eine darauf abgestimmte Software und eine Verknüpfung mit anderen digitalen Systemen, zum Beispiel dem eigenen Smartphone, und ggf. auch anderen Fahrzeugen („Connected Cars“).

Das Auto wird dann zu einem digitalen Ökosystem. Es ermöglicht die Zusammenarbeit von OEMs mit Dienstleistungsanbietern wie Telekommunikationsunternehmen, Versicherungen, Finanzdienstleistern, Soft- und Hardware-Anbietern sowie Institutionen der öffentlichen Hand über digitale Plattformen.

Diverse Fahrzeugkomponenten wie Getriebe, Leuchten, Achsen und Reifen werden zunehmend miteinander vernetzt – ebenso wie das Fahrzeug mit anderen Industrien, zum Beispiel Versicherungen, Banken oder dem Bereich „Consumer Goods“.

Die aktuellen Trends im Bereich Future Mobility / Mobilitätswende beruhen auf den zahlreichen, sich ständig ändernden Bedürfnissen der Konsumenten von Mobilitätsdienstleistungen. Der Wunsch nach Individualisierung und digitaler Vernetzung ist allgegenwärtig. Gleichzeitig besteht ein starker Wunsch nach Nachhaltigkeit.

Aber auch die Corona-Pandemie ist an der Nachfrage der Verbraucher nicht spurlos vorbeigegangen: Durch das Infektionsrisiko im öffentlichen Nahverkehr erleben der Wunsch nach einem eigenen Mobilitätsmittel und die Angebote des Online-Kaufs einen Aufschwung. Im Rahmen der Lockdowns verlagerten sich in den verschiedenen Ländern mehr und mehr Kaufschritte in das Internet. Digitale Showrooms für Fahrzeuge gehören mittlerweile zum Standard.

Die Frage, wie die Zukunft von Personenkraftwagen aussieht, lässt sich anhand der sogenannten CASE-Kriterien gut skizzieren. CASE steht für „connected, autonomous, shared and electric“. Demnach wird das Auto der Zukunft elektrisch angetrieben, zunehmend autonom fahren, mit vielen anderen technischen Endgeräten wie dem Smartphone verbunden sein und somit zahlreiche neue Funktionen und digitale Angebote bieten.

Außerdem besteht ein zunehmendes Bedürfnis nach sogenannter „Shared Mobility“, also dem Teilen eines Autos oder eines anderen Fahrzeugs mit anderen Nutzern, zum Beispiel über Carsharing-Angebote, und On-Demand orientierte Mobilität, die künftig vor allem den öffentlichen Personennahverkehr sinnvoll ergänzen könnte. Hinzu kommt, dass immer mehr unterschiedliche Mobilitätsmodelle auf den Markt drängen, beispielsweise das erwähnte Carsharing, ein jederzeit kündbares Abomodell für Autos, die vielerorts bereits verfügbaren E-Scooter oder ein Einsatz von Drohnen. Der Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt.

Der Wunsch nach Individualisierung und digitaler Vernetzung ist allgegenwärtig.

Future Mobility — welche Einsatzbereiche schafft die Mobilitätswende für Anwältinnen und Anwälte?

Mobilitätswende: Mehrbedarf an Rechtsberatung

Diese Trends und die seit Jahren andauernden, erheblichen Veränderungen durch die Mobilitätswende führen zu einem Mehrbedarf an Rechtsberatung. Die neu entwickelten Mobilitätsmöglichkeiten werfen zahlreiche bislang ungeklärte Rechtsfragen auf, besonders im Bereich der Regulierung, die Anbieter in Zusammenarbeit mit ihren Anwält:innen lösen müssen. Das betrifft viele Unternehmen und Rechtsgebiete wie das Regulierungsrecht, das Kartellrecht, das Patentrecht oder das Gesellschaftsrecht.

In regulatorischer Hinsicht stellen sich viele neue, hochkomplexe wie interessante Fragen, etwa zu gesetzlichen CO2-Grenzen oder zur Zulassung autonom fahrender Fahrzeuge. Beispielsweise wurde erst im Februar 2021 ein Gesetzentwurf eingebracht, der unter bestimmten Voraussetzungen das autonome Fahren auf Stufe 4, also ein vollständig automatisiertes Fahren auf ausgewiesenen Straßen, erlauben soll, ohne dass der Mensch eingreifen muss. Damit ist Deutschland das erste Land, das autonomes Fahren auf Level 4 gestatten möchte.

Im internationalen Vergleich besteht hier aktuell eine Art Flickenteppich verschiedener Regelungen und somit ein hohes Bedürfnis an Harmonisierung verschiedener internationaler Regelungen für autonomes Fahren. Das erfordert jedoch eine klare Zuweisung und Entscheidung in puncto Halter- und Fahrerhaftung – denn ein autonomes Fahrzeug hat selbstredend keinen Fahrer.

Technische Komplexität erzeugt Bedarf an Kooperationen

Die Mobilität der Zukunft und besonders das Fahrzeug der Zukunft werden außerdem technisch immer komplexer. Dadurch wiederum entsteht ein verstärktes Bedürfnis nach Kooperationen. So gibt es zahlreiche OEMs, die Expertise in der Entwicklung von Fahrzeugen haben und hinsichtlich der Entwicklung von Batterien oder Software für das Fahrzeug mit einem bereits etablierten Teilnehmer kooperieren möchten.

Gleiches gilt, was den häufig diskutierten Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge betrifft. Denn ein gemeinsames und gut ausgebautes Ladenetz bietet für die Nutzer deutlich mehr Vorteile als viele einzelne Ladenetze, die dann nicht flächendeckend nutzbar oder nur zu einem hohen Preis verfügbar sind.

Solche Kooperation können, unter Beachtung des Kartellrechts, entweder vertraglich oder durch Gründung eines Joint Ventures (JV) oder als Zusammenschluss, zum Beispiel durch eine Fusion, umgesetzt werden.

Bei Gründung eines JV oder bei einem Zusammenschluss sind neben gesellschaftsrechtlicher Expertise auch Experten auf dem Gebiet der Fusionskontrolle gefragt. Denn häufig besteht eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht bei einer oder mehreren zuständigen Wettbewerbsbehörden, etwa dem Bundeskartellamt.

Autonomes Fahren: Festsetzung von Standards von essenzieller Bedeutung

Darüber hinaus ist hinsichtlich der Entwicklung von autonom fahrenden Fahrzeugen die Festsetzung von Standards von essenzieller Bedeutung: So ermöglicht zum Beispiel der 5G-Standard, dass verschiedene Verkehrsteilnehmer untereinander vernetzt werden.

An der Schnittstelle zwischen Patent- und Kartellrecht ergeben sich hierbei spannende rechtliche Fragen, vor allem, was die faire und nichtdiskriminierende Lizenzierung sogenannter standardessenzieller Patente betrifft (vgl. etwa den Rechtsstreit zwischen Nokia und Daimler). 

Daten — die neue Währung und Teil der Wertschöpfungskette

Des Weiteren spielen Daten – häufig als „neue Währung“ bezeichnet – zunehmend eine entscheidende Rolle. Die künftigen Mobilitätsmittel werden durch ihre Konnektivität und den Einsatz von Sensoren riesige Daten- mengen erzeugen und tun dies bereits. Diese Datenmengen können unter anderem verwendet werden, um bestehende Produkte zu verbessern, neue Produkte zu entwickeln und um personalisierte Dienstleistungen anzubieten. Sie haben also einen enormen wirtschaftlichen und damit monetären Wert.

Intensiv diskutiert wird derzeit, wem diese Daten gehören und wer unter welchen Voraussetzungen Zugang zu diesen Daten verlangen kann.

Aktuell können besonders die OEMs als Hersteller der Hardware diese Daten nutzen. Daher wurden mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Datenzugangsansprüche eingeführt, die unter bestimmten Voraussetzungen auch anderen Unternehmen der Wertschöpfungskette, zum Beispiel Zulieferern, einen Zugriff auf diese Daten vermitteln sollen. Wie ein solcher Zugangsanspruch ausgestaltet werden sollte und welche Gegenleistung für den Zugang angemessen ist, wird derzeit intensiv diskutiert. Nicht selten handelt es sich zudem um personenbezogene Daten, die im Anwendungsbereich der DSGVO liegen.

Zusammengefasst: Im Bereich Future Mobility gibt es derzeit noch viele ungeklärte und spannende Rechtsfragen unterschiedlicher Rechtsgebiete. Man darf mit Spannung erwarten, wie hierüber in der Praxis entschieden wird. Für den Alltag von Anwält:innen bedeutet das eine Vielzahl an „Business Opportunities“.

Mobilitätswende: Was müssen Anwältinnen und Anwälte für dieses Gebiet mitbringen?

Anwält:innen, die sich mit Future Mobility beschäftigen, arbeiten nicht nur praxisgruppenübergreifend, sondern in der Regel auch in einem internationalen Team. Die praxisgruppenübergreifende Vernetzung ist hierbei oft nicht nur mandatsbezogen, sondern dauerhaft – zum Beispiel, indem eine Kanzlei eine eigene Future-Mobility-Gruppe einrichtet.

Wer sich für eine aktive Tätigkeit in einer solchen Gruppe entscheidet, sollte bereichsübergreifendes Interesse, viel Organisations- und Koordinierungstalent und gute Fremdsprachenkenntnisse mitbringen. 

Zudem erfordert eine Tätigkeit in diesem dynamischen Terrain intensive Recherchen und das Ansammeln von Know-how, unter anderem während interner und externer Seminare. Nicht selten ist es so, dass der erste Kontakt zum Thema Future Mobility durch ein besonderes Interesse an einer bestimmten Frage in diesem Bereich erfolgt. Von Vorteil ist sicherlich, wenn man schon früh in der eigenen Laufbahn einen seiner Schwer- punkte darauf legt – zum Beispiel während einer Tätigkeit als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in in einer Kanzlei.

Die künftigen Mobilitätsmittel werden durch ihre Konnektivität und den Einsatz von Sensoren riesige Datenmengen erzeugen.

Einen eigenen Anteil zur nachhaltigen Mobilität leisten

Die Arbeit als Anwält:in im Bereich Future Mobility bietet viele (Karriere-)Chancen, einen abwechslungsreichen und von spannenden Mandaten geprägten Alltag gekoppelt mit der Möglichkeit, einen eigenen Anteil zu einer nachhaltigen Mobilität zu leisten.

Der ständige Wandel und die daraus resultierenden Rechtsfragen sorgen für permanenten Bedarf an Rechtsberatung. Qualifizierte, engagierte und interessierte Nachwuchsjurist:innen haben also die Möglichkeit, in ein spannendes, sich stets wandelndes und zukunftsträchtiges Gebiet einzutauchen.

Dieser Artikel erschien zuerst im mylawguide 2021, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Jan Kresken, Autor bei IQB Career Services
Autor
Jan Kresken

Jan Kresken LL.M., Counsel der Praxisgruppe Antitrust & Trade, Baker McKenzie, Düsseldorf

Christian Andreas Wille, Autor bei IQB Career Services
Autor
Christian Andreas Wille

Christian Andreas Wille, Law Clerk der Praxisgruppe Antitrust & Trade, Baker McKenzie, Düsseldorf

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