Legal Tech: Rechtsdienstleistungen in der digitalen Transformation

Digitale Transformation: Chancen und Risiken

Dass die digitale Transformation eine grundlegende Herausforderung für das Recht ist, hat sich herumgesprochen. Weit jenseits einer punktuellen Effizienzsteigerung geht es schon jetzt um die Optimierung ganzer Prozessabläufe, mehr als das: die Zuordnung und Kontrolle von Aufgaben und ihren Abläufen (M. Rützel, General Counsel, Aggregate Financial Services, Frankfurt).

Die damit einhergehenden Chancen und Risiken sind mannigfaltig. Auf der Positivseite reichen sie von Arbeitserleichterungen über ein Freisetzen von Ressourcen für das „High-End-Geschäft“ bis hin zu allseitigen Kostenersparnissen. Auf der Negativseite stehen neben wachsendem Konkurrenzdruck objektive Begrenzungen, und zwar faktischer wie normativer Art. Aber auch ein unzureichender Diskurs und mangelnde Kontrolle bergen erhebliche Gefahrenpotenziale (Prof. Dr. M. Schulz, Hochschullehrer, GGS, Heilbronn).

Portfoliomix: Neue Handlungsmuster sind gefragt

Um ihnen zu begegnen, ist ein neuer Portfoliomix gefragt. Erfolgreiche Juristen (Anm. d. Verf.: auf die weibliche Form verzichten wir nur aus Gründen der Spracheleganz!) des Digitalzeitalters werden in besonderem Maße praxisAFFIN vorgehen müssen. Dieses Akronym steht dafür, dass Ist- und Sollzustand auf persönlicher, Gruppen- und Kanzlei- bzw. Unternehmensebene konsequenter denn je nicht nur analysiert, formuliert und dann für alle verbindlich festgelegt werden sollten. Ihre Vorhaben sind dann auch wirklich zu implementieren und nachzuhalten – entgegen verbreiteter Praxis.

Zudem müssen Juristen auf dem Weg in die Zukunft neue, zusätzliche Handlungsmuster beherrschen lernen, denen ihre Vorgänger häufig noch ungestraft mit Schulterzucken begegnen durften (Dr. A. Schunder-Hartung, Rechtsanwältin, Inh. aHa Strategische Kanzleientwickung, Frankfurt). Künftig werden nichtjuristische Kenntnisse (etwa der IT, aber auch des Prozess- und Projektmanagements) immer stärker als USP gelten (Dr. B. Mascello, Rechtsanwalt, Vizedirektor Executive School of Management et. al., St. Gallen). Sie generieren entscheidende Vorsprünge in einem Markt, in dem die bisherige juristische Standardberatung mit schematisierter Subsumtionsleistung zunehmend an Wert verliert (Dr. T. Mahnhold, Partner Justem Rechtsanwälte, Frankfurt).

Kanzleien als Wirtschaftspartnerschaften: Strategie, Profilierung, Benchmarking

Entsprechend wichtiger wird es vor dem Hintergrund eines kontinuierlich wachsenden technologischen Fortschritts, betriebswirtschaftliche Ergebnisse durch Benchmarking einzuordnen und zu bewerten. Ebenso geboten ist ein effizientes Reporting, in das sich das vorgenannte Management-Instrument integrieren lässt (J. Brenner, Unternehmensberater, Gf. KanzleiTaskForce, Ulm).

Anwaltskanzleien sind Wirtschaftsunternehmen, und das in einem ebenso stark segmentierten wie wettbewerbs­intensiven Umfeld. Als solche müssen sie sich mit einer klaren Strategie und Organisation positionieren (Dr. R. Fritz, Managing Partner, FPS, Frankfurt). Und wenn es denn nun einmal so ist, dass die Grundpfeiler einer erfolgreichen Wirtschaftskanzlei in erster Linie deren Partner sind (für Rechtsabteilungen gilt Entsprechendes), dann stellt sich vor allem anderen die Frage nach der Profilierung und Positionierung der Protagonisten selbst. (Erst) darauf aufbauend sind Strategien und Prozesse aufzusetzen, zu deren Umsetzung Legal Tech und Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden.

Auch wenn entsprechende Entwicklungsschübe derzeit teilweise disruptiv verlaufen, eröffnen sie „konvertierenden“ innovativen Rechtsberatern und Kanzleien ganz neue und vielversprechende Perspektiven (P. Lotz, Inhaber Mayrfeld Rechts­an­wälte, Frankfurt).

Intelligenter Mehrwert durch digitale Transformation

Auch auf das Akquiseverhalten von Wirtschaftskanzleien wird sich die digitale Transformation grundlegend auswirken. Gegenüber dem klassischen Abrechnungsmodell nach Zeiteinheiten wird es zentral um die Definition und das Messen desjenigen Mehrwerts gehen, der über die digitale Transformation erreicht werden soll. Dieser Mehrwert interessiert den Mandanten, und genau darauf wird der Anwalt seine – neuen – Preismodelle stützen müssen (Dr. M. Dolfen, Managing Partner IT Görg Rechtsanwälte / S. Schäfer, Leiterin Application Support & Training (ebda., beide Köln).

Dort, wo juristische Standardarbeit entsprechend bedroht ist, ist diese Herausforderung intelligent für das eigene Business Development zu nutzen (T. Heining, Director Business Development & Communication, CMS Deutschland). Personell wie sachlich ist der richtige Mix an Tätigkeiten und Kompetenzen ein entscheidendes Asset der Zukunft (Dr. E. G. Berger, Partner Schalast Rechtsanwälte und Vorstand Clarius.Legal, Hamburg/ Prof. Dr. Chr. Schalast, Managing Partner, Schalast Rechtsanwälte, Frankfurt).

Um sich regelbasierte Software nutzbar zu machen, sind in mehreren Schritten zunächst die Kriterien für einen Entscheidungsbaum aufzustellen, über den die eingesetzten Programme aus Eingaben Lösungen entwickeln sollen. Dann sind Regelungskerne zu klassifizieren, zu extrahieren und zuzufügen usw. Im KI-Bereich im engeren Sinne wiederum lassen sich große Datenbestände durch „Clustering“, „Machine Learning“ und „Natural Language Processing“ verarbeiten (P. Glock, Rechtsanwalt, Co-Head Legal Process & Technology KPMG Law, Berlin/Leipzig).

In der Praxis wird das nicht nur zu einem veränderten Arbeitsverhalten von Kanzleien und Rechtsabteilungen führen. Gleichzeitig werden sich auch Register und Notariate digital weiterentwickeln müssen. Zu denken ist an eine Beschleunigung der Eintragungsverfahren ebenso wie an die umfängliche Schaffung digitaler Signaturen und den Ersatz heute noch aufwendig zu übersendender Originalschriftstücke durch E-Unterlagen (Dr. R. Redeker, Rechtsanwalt und Notar, Deloitte Legal, Frankfurt).

Auf der Seite der Rechtsabteilungen wiederum wird sich das Einkaufsverhalten noch weiter verändern: Die Auswahl an Rechtsberatern dürfte durch alternative Anbieter wachsen, der Bedarf nach „Brokern“ für Rechtsdienstleistungen steigen, Kooperations- und Projektmanagementleistungen zunehmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Hier werden neben allem anderen auch ganz neue Berufsbilder und Karrieremodelle entstehen (Prof. Dr. B. Mascello, aaO.).

Als überlebenswichtig gilt im Zuge dessen nicht nur eine valide Strategie: „Strategy is key“ – einmal mehr: weit weniger selbstverständlich, als man gemeinhin denken sollte! Auch ein „Legal Operations Management“ ist von zentraler Bedeutung, also eine multidisziplinäre Funktion, mittels derer das Erbringen einschlägiger Dienstleistungen in verschiedenen Kernfeldern optimiert wird. Die bereits erwähnte engere Kundenvernetzung wirkt sich in einer zunehmenden Echtzeitberatung aus.

Infolge dessen nimmt wiederum die Brisanz von „Risk Management“ und „Risk Sharing“ zu (Dr. U. Bandey, Syndikusrechtsanwalt, Leiter Litigation zentrale Rechtsabteilung PwC Deutschland, Frankfurt  / Dr. S. Kupsch, Syndikusrechtsanwalt, stv. Leiter, ebda.). Dabei handelt es sich um Themen, die übrigens auch im Diskurs zwischen Anwälten und Unternehmensjuristen eine große Rolle spielen, so beispielsweise in den aHa Anwaltszukunftsreihen des Jahres 2018.

Als Ergebnis wird in Kanzleien wie Rechtsabteilungen eines deutlich: nämlich dass es immer eines Zusammenspiels von richtiger Einstellung („Mindset“), Rechtsberatung und Legal Tech bedarf. Wendet man sich von einer eher konzeptionellen Sicht einer praktischen Betrachtungsweise zu, so zeigt sich, dass auch mit kleinen Veränderungen viel bewirkt werden kann (Dr. K. Mehler, Syndikusrechtsanwältin, Legal Counsel Digitalisierung und Innovation, Commerzbank, Frankfurt).

Gerade auch in den Rechtsabteilungen hat sich in den letzten Jahren viel getan – und nun müssen sie im Rahmen eines strategischen Portfoliomanagements digitaltechnisch „am Ball bleiben“. Das gilt sowohl für die Digitalisierungsfähigkeit als auch für die Digitalisierungswürdigkeit von Aufgaben und Prozessen (Dr. M. Henning, gf. Gesellschafter dfv Association Services, Hrsg. Unternehmensjurist, Kanzleimonitor u. a., Frankfurt / A. Bong, Partner KPMG Law, Co-Head Legal Process & Technology KPMG Law, Frankfurt).

Flexibilität: Agile Arbeitsprozesse

Um von dort aus den Bogen zurück zum „Vorsprung durch neue Handlungsmuster“ zu schaffen: Womöglich passt sich eine Organisation insgesamt schneller an Marktanforderungen an, wenn sie „agil“ ist. Entsprechende Vorgehensweisen sind durchaus praktisch erprobt, und sie funktionieren. Transparenz, die regelmäßige Überprüfung von Fortschritten, kontinuierliche Anpassungen, das Ganze rollengestützt und abgesichert durch Betriebsvereinbarungen – dabei sorgt juristische Expertise von Anfang an allenthalben für Win-Win-Situationen (M. Kistermann, Rechts- und Personalver­antwortlicher eprimo, Neu-Isenburg).

Transaktionen: Due Diligence-Prüfungen alter Prägung gehören der Vergangenheit an

Zu den wirtschaftlich bedeutsamsten Rechtsgebieten zählen zum einen M&A-Transaktionen, zum anderen kapitalanlagerechtliche Masseschäden. In beiden Bereichen hat die digitale Transformation erheblichen Einfluss auf die strategische Ausrichtung und technische Abwicklung. Bei Transaktionen erstreckt sich der Einfluss nicht nur auf die Vertragsgestaltung, auch die aufwändigen Due Diligence-Prüfungen alter Prägung gehören der Vergangenheit an.

Am Ende der Transaktion ergeben sich Auswirkungen auf die Post Merger-Integrationsphase, wobei es beim Zusammentreffen von Konzernen und Start-ups zu einem zusätzlichen „Clash of Cultures“ kommt (Dr. M. Grub, Partner CMS Deutschland/Dr. S. Krispenz, Counsel, ebda.). Im Bereich der Haftung bei Kapitalanlagen wiederum ist schon heute die nach Fallzahlen größte Inanspruchnahme der Gerichte zu vermelden. Bereits jetzt ist daher eine maximale Unterstützung durch Legal Tech das Gebot der Stunde. Und doch: Ohne den korrekten Einsatz von Soft Skills droht auch hier in der Praxis das grandiose Scheitern (Dr. M. Zoller, Partner Wirsing Hass Zoller, München).

Von Insolvenz- bis Arbeitsrecht: Die Zeit der Aktenberge ist vorbei

Kafkaesk verstaubte Zustände an manchen Gerichten und in einigen Verwalterbüros kennzeichnen auf der anderen Seite die Situation im Insolvenzbereich – und dabei sind digitale Fähigkeiten gerade in insolvenzrechtlichen Großverfahren vonnöten. Zwischen manch „mauerndem“ Antragsgegner einerseits, Aktenbergen andererseits gefangen, behelfen sich Verwalter mit USB-Sticks und Festplatten, sollten aber eher standardisierte Cloud-Lösungen entwickeln: Hier ist noch einiges zu tun (P. Heidenfelder, Partnerin SGP Schneider Geiwitz & Partner, Frankfurt).

Ganz anders hingegen präsentiert sich der Einsatzbereich vieler Arbeitsrechtler. So führen beispielsweise deren Unternehmensmandanten betriebsratsunterstützte ERP- oder CRM-Systeme ein, die Juristen beraten sie dabei. Im forensischen Bereich spielen Interessenabwägungen eine besondere Rolle, Wertungsspielräume müssen geschickt genutzt werden – und einmal mehr ist „Sprache“ der Schlüssel zum Erfolg (T. Mahnhold, aaO.)

Digitalisierung: Projektmanagement ist ein klassischer Einsatzbereich für technische Lösungen

Und wenn es um das Management interner Untersuchungen zum Aufdecken von Fehlverhalten geht? Entsprechende Untersuchungsprozesse sind an sich schon für den Geschäftsbetrieb „disruptiv“. Umso wichtiger ist, dass sie sowohl sachlich als auch technisch innovativ aufgesetzt werden – sowohl in zeitlicher, als auch in finanzieller Hinsicht, schließlich auch in puncto Transparenz und Planungssicherheit.

Ein technikgestütztes modulares Projektmanagement ist eine hoch interessante Option  (Dr. M. Holzhäuser, Partner Ashurst, Frankfurt/Dr. N. Nohlen, Partner, ebda.) – sei es mittels externer Dienstleister oder, so die Tendenz mehrerer kurz vor Redaktionsschluss dazu befragter Unternehmensjuristen, aus eigener Kraft. Entsprechendes hat sich unter anderem auf dem im Dezember 2018 von A. Schunder-Hartung in Darmstadt moderierten II. General Counsel-Panel der Legal ®evolution Expo gezeigt.

Implementierung von Systemen: Voraussetzungen

Um sog. „eDiscovery-Projekte“ durchführen zu können, bedarf es in der Praxis mehrerer notwendiger Prozess-Schritte. Anhand eines präzise dargestellten Workflows werden der besondere Wert optimierter Arbeitsprozesse und die Bedeutung spezialisierter Projektmanager im juristischen Umfeld deutlicher denn je (B. Sadough, Managing Director EU Operations, UnitedLex, München).

Von dort aus lässt sich dann auch wieder eine Brücke zurückschlagen zur Implementierung eines IT-Compliance-Systems: Risikoanalyse, Folgenabschätzung, das Ganze unter Zuhilfenahme von Legal Tech Tools wie „Blockchain“ und „Smart Contracts“ – disruptive Technologien und Geschäftsmodelle bieten ganz neue Chancen, wobei das größte Risiko für (Anwalts-)unternehmen darin besteht, nichts zu tun (S. Jacobs, Rechtsanwalt Norton Rose, Frankfurt). Umgekehrt bedeutet die Implementierung (sic!) eines wirksamen Innovationsmanagements in der Querschnittsbetrachtung über die Erhebung der Ausgangsbedingungen (Stichwort: Benchmark-Tools) im Rahmen der Entwicklung einer Innovationsstrategie hinaus viel mehr als nur eine punktuelle Reorganisation.

Sie geht einher mit einer besonderen Innovationskultur und einem entsprechen- den innovationsfreundlichen „Mindset“. Dabei hat die Kommunikation rund um den Aufbau eines Innovationssystems oberste Priorität (Prof. Dr. M. Schulz/Prof. Dr. H.-T. Wagner, Hochschullehrer, GGS, Heilbronn). Auch hier schließen sich damit mehrere Kreise.

Interne Kommunikation

Stichwort Kommunikation: Deren Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – und gleichzeitig ist es im juristischen Alltag alarmierend zu beobachten, wie weit hier Selbst- und Fremdeinschätzung entsprechender Kompetenzen auseinanderfallen und wie schadens­trächtig dieser Umstand ist. Gerade in der internen Kommunikation, die in der Praxis mit Abstand die meiste Zeit verschlingt, sind Missverständnisse und Unterlassungssünden gang und gäbe. Gute und zielführende Verständigung setzt zum einen ein gewisses Grundverständnis, zum anderen regelmäßige Übung voraus, notfalls mit Sparringspartnern (Dr. A. Schunder-Hartung, aaO.).

Externe Kommunikation

Nach außen wiederum gilt es, den Kommunikationswettbewerb auf einem zunehmend härter umkämpften, zunehmend vielschichtig bespielten Markt anzunehmen – und danach zu handeln. Hier im „großen Gewimmel“ eine trennscharfe Position zu entwickeln ist insgesamt nicht leicht, das macht die Markenbildung umso wichtiger.

Über Name, Logo und Design hinaus ist ein ganzheitliches Identitätsmanagement gefragt, das jenseits des Dienstleistungsportfolios – einmal mehr – auf die Kanzleikultur zielt. Im Zuge dessen werden alle Faktoren herausgestellt, die eine (hier:) juristische Organisation zur Veranschaulichung ihrer ureigenen Identität einsetzt (N. Hammersen, Inhaber, NM Hammersen & Partner Kommunikationsberatung, Friedberg/M. Cabras, Geschäftsführer, newskontor, Düsseldorf).

Ist eine Kanzlei beispielsweise besonders „Social Media-affin“, kann sie sogar die Frage, inwieweit Sozietäten über neue Medien kommunizieren sollten, in „Twitter-Form“ abarbeiten (S. Schwarz, Partnerin, else.schwarz, Wiesbaden). Wenn Kanzleien diesen Weg wählen, dann müssen sie freilich „dranbleiben“, geht es doch um stetige Kommunikation, darum, dass Reichweite erzielt wird, wenigstens aber um Interaktion.

Um in der Social Media-Terminologie zu bleiben, wird da „geliked“, „geshared“, „retweeted“, kommentiert und „geposted“ – und mit einer bald zweistelligen Zahl an täglichen „Twitter-Posts“ und monatlichen „LinkedIn-Zuträgen“ ist es kaum je getan.

Markenbildung und Branding

Dabei gilt für jedes „Branding“ in der Gesamtschau: Erfolg entsteht aus der Kombination von konsistenter Beratungsqualität, wiedererkennbarem erstklassigem Auftritt, adäquatem „Pricing“, fortwährender Markenbeobachtung und -formung sowie der Marke als Ausgangspunkt aller Geschäftsentwicklung. Erst deren kontinuierliche Wahrnehmung mündet in den Beauftragungsprozess, der viele Details wie Expertise, Servicequalität und Preis klärt (Dr. M. Lichtblau, Executive Director, CMS Legal Services, Frankfurt).

Um den wirtschaftlichen Erfolg von Kanzleien und anderen juristischen Serviceeinheiten insgesamt weiterzuentwickeln, empfiehlt sich zudem eine Betrachtung auf mehreren Ebenen. Neben der strategischen Ebene des „Warum und Wozu“ hat sich insoweit eine Unterteilung nach Lösungs-, Prozess- und Ressourcen-Ebene bewährt. Welche Leistungen (Lösungen) werden wie (Prozesse) mit welchen Mitteln (Ressourcen) erbracht? Insoweit verändert die digitale Transformation das Business Development herkömmlicher Prägung multidimensional – und schafft ein neues „Wissens-Ökosystem” (T. Heining, Director BD & Communications, CMS Deutschland, Berlin). 

Das gilt nicht zuletzt auch für den „HR-Recruiting-Prozess“, schon heute ein heikler Punkt in vielen (besonders:) Wirtschaftskanzleien, Steuerberater- und WP-Büros. Zwar ist in diesem Bereich der Umgang mit KI noch nicht besonders verbreitet. Der Blick auf eine wachsende Zahl von „Chatbots“ oder Anwendungen wie „IBM Watson“ zeigt aber, dass auch hier die Digitalisierung immer weiter voranschreitet.

Gleichzeitig erinnern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und mittlerweile auch die Datenschutz-Grundverordnung daran, dass das Recht seinerseits Entwicklungen begrenzt (Dr. T. Soebbing, Head Legal & Compliance, CRIF Gruppe, Hamburg). Praktisch virulent werden juristische Fragen beispielsweise im Bereich des führerlosen Fahrens – die Haftung bei Unfällen mit selbstlenkenden Fahrzeugen und die vertragliche Risikoallokation in der Wertschöpfungskette beschreiben nur zwei von vielen Problemkreisen (Prof. Dr. B. v. Bodungen, Hochschullehrer, GGS, Heilbronn).

Ganzheitliche Ansätze

Und dennoch: Ebenso wie die Bankenbranche (K. Mehler, aaO.) und die Energiebranche (M. Kistermann, aaO.) ist auch der Automobilbereich ein Wirtschaftszweig in der Transformation. Hier wie überall sonst sind ganzheitliche Ansätze gefragt, um Rechtsdienstleistungen im Wandel nicht auszubremsen.

Fazit: Wir sind mitten in einer digitalen Transformation

Wir befinden uns bereits heute mitten in einer digitalen Transformation, die auch im „Legal Management“ von Kanzleien und Rechtsabteilungen grundlegende Veränderungen mit sich bringt. Dabei ist es sowohl allgemein als auch in den von uns beschriebenen Einzel- und Querschnittsbereichen von entscheidender Bedeutung, dass wir die damit verbundenen technologischen Entwicklungen bereitwillig und sachverständig aufgreifen und sie uns in mandanten- bzw. kundennütziger Weise zu eigen machen.

Im Zuge dessen müssen wir sowohl unsere Arbeitsprodukte als auch unsere Arbeitsprozesse anpassen und last but not least auch als Juristen anders zu arbeiten lernen als bisher. Nicht irgendwann später – jetzt. Denn, um es mit dem israelischen Historiker und Philosophen Yuval Noah Harari zu sagen: Die Geschichte gewährt auf dem Weg in die Zukunft auch uns Juristen keinen Rabatt. Jedes andere Denken ist Hybris.


Dieser Beitrag erschien zuerst im Juracon Jahrbuch 2019

Der Text ist die für das JURAcon-Jahrbuch redigierte Fassung des Abschlusskapitels aus dem Großhandbuch „Recht 2030“ [1]. Dieses Werk aus der Feder von über 35 Autorinnen und Autoren aus Anwaltskanzleien, Unternehmen und Hochschulen ist im Frühjahr 2019 im Deutschen Fachverlag, Frankfurt, erschienen. Es wird herausgegeben von Prof. Dr. Martin Schulz und Dr. Anette Schunder-Hartung und befasst sich mit den grundlegend neuen Anforderungen an ein modernes Legal Management im Allgemeinen ebenso wie in ausgewählten Teilbereichen.

Prof. Dr. Martin Schulz und Dr. Anette Schunder-Hartung
Autorinnen
von Prof. Dr. Martin Schulz und Dr. Anette Schunder-Hartung

Prof. Dr. Martin Schulz ist Professor für deutsches und internationales Privat- und Unternehmensrecht, German Graduate School (GGS)
Dr. Anette Schunder-Hartung ist Rechtsanwältin und Inhaberin der aHa Strategische Kanzleientwicklung, Frankfurt am Main

Zur besseren Zuordnung zentraler Thesen verschiedener Verfasser in diesem Beitrag, haben wir diese in der vorliegenden Fassung mit Klammerzusätzen kenntlich gemacht, die Kapitelverweise aus Übersichtsgründen aber weggelassen.

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