Internationale Finanzierungen für Einsteiger – Finanzrecht

Wenn Unternehmen, Immobilienportfolien oder Flugzeuge ihre Eigentümer wechseln, wird der Kaufpreis oft fremdfinanziert. Bei vielen Transaktionen kommen kreditgebende Finanzierungsparteien wie Banken oder Debt Fonds ins Spiel. Manchmal ist die Verhandlung der Finanzierungsverträge komplizierter als die Verhandlung des Kaufvertrages.

Banking & Finance – einer der spannendsten Bereiche für Einsteiger

Wenn Unternehmen, Immobilienportfolien, Flugzeuge oder Schiffe ihren Eigentümer wechseln, wird der Kaufpreis oft fremdfinanziert. Denn in vielen Fällen ist Eigenkapital in der erforderlichen Höhe nicht vorhanden und außerdem wäre es unter Renditegesichtspunkten unwirtschaftlich, den Kaufpreis voll aus Eigenkapital zu begleichen.

Daher kommen bei vielen Transaktionen, die über den Tisch eines Großkanzleianwalts gehen, kreditgebende Finanzierungsparteien wie Banken oder Debt Fonds ins Spiel. Manchmal ist die Verhandlung der internationalen Finanzierungsverträge komplizierter als die Verhandlung des Kaufvertrages und zahlreiche Großkanzleien – so auch Ashurst – haben einen ihrer Schwerpunkte auf die Beratung bei Finanzierungen gelegt.

Manchmal ist die Verhandlung der Finanzierungsverträge komplizierter als die Verhandlung des Kaufvertrages.

In der Presse wird zumeist nur über große M&A, Projekt- oder Immobilientransaktionen berichtet. Die dahinterstehende Finanzierung, durch die die jeweilige Transaktion überhaupt erst möglich wird, findet sich häufig nur im Nebensatz wieder. Junge Kollegen, die sich nicht schon frühzeitig mit der Fachpresse auseinandersetzen, haben daher wenig Zugang zur Welt der internationalen Finanzierungen. 

Für Referendare und Berufsanfänger ist der Bereich „Banking & Finance“ einer der spannendsten Bereiche, weil er sowohl einen guten Einblick in die ganze Bandbreite einer Transaktion ermöglicht als auch Rechtsgebiete beinhaltet, die jeder aus dem Studium bzw. Referendariat kennt. Darlehensvertragsrecht ist im BGB geregelt (§§ 488 ff. BGB), ebenso allgemeines Schuldrecht und Sachenrecht. Daneben sind Grundkenntnisse des Gesellschaftsrechts relevant. Also alles Rechtsgebiete, die weder „exotisch“ noch „unbeliebt“ sind.

Internationale Finanzierungen: Der Ablauf einer Transaktion

Wie läuft also eine internationale Finanzierung aus Sicht des Großkanzleianwalts ab und was würde üblicherweise auf einen jungen Juristen im Team zukommen? Man kann hier grob gesagt zwischen den folgenden „Phasen“ unterscheiden: (a) Strukturierungsphase, (b) Dokumentationsphase, (c) Verhandlungen, (d) Signing, (e) Closing. In allen Phasen können Referendare und Berufsanfänger eine wichtige Rolle spielen und bestimmte Tätigkeiten selbständig ausüben.

(a) Strukturierungsphase

In der Strukturierungsphase geht es darum, die Struktur der Transaktion zu verstehen und mitzugestalten. Man muss sich also insbesondere den Kaufvertrag anschauen. Daraus kann man schon wichtige Information für die Finanzierung entnehmen, nämlich wer der Käufer und potenzielle Darlehensnehmer ist, ob es eine Zielgesellschaft gibt, die ebenfalls Darlehensnehmerin werden wird und wie die Zahlungsströme sein sollen, wenn der Kaufpreis fällig wird.

Der Berufsanfänger kann diese Informationen selbständig extrahieren und mit dem Team besprechen und so bei der Strukturierung der Finanzierung entscheidend mithelfen. Dasselbe gilt für die Durchsicht eines (oft vorhandenen) Due Diligence Berichts, also eines Berichts, den M&A oder Real Estate Anwälte verfassen und der rechtliche Risiken der Zielgesellschaft (bei einem share deal) bzw. des Kaufobjektes (bei einem asset deal) aufweist. In dieser Phase kommt es häufig zu einem interessanten Austausch mit Steueranwälten oder WP-Gesellschaften, die ebenfalls an der Strukturierung mitarbeiten.

(b) Dokumentationsphase

Steht die Struktur fest und gibt es ein „Term Sheet“, aus dem die Eckpunkte der Finanzierung ersichtlich sind, beginnt die Dokumentationsphase. Üblicherweise wird zunächst der Darlehensvertrag auf Basis eines für den jeweiligen Finanzierungstyp passenden Musters erstellt.

Es gibt Muster, die weit über 100 Seiten umfassen und in englischer Sprache verfasst sind (z.B. die verschiedenen Muster der Loan Market Association (LMA)), aber auch deutliche kürzere und in deutscher Sprache verfasste Muster (z.B. die Muster des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VdP)). Abhängig von der Transaktion und den Parteien entwerfen die Anwälte des Käufers oder der kreditgebenden Partei den Darlehensvertrag und die Anwälte der jeweils anderen Partei kommentieren auf den Entwurf.

Während der Darlehensgeber oft möglichst viele Einschränkungen und Verbote regeln möchte (z. B. das Verbot Sicherheiten an Dritte zu gewähren (negative pledge)), hat der Darlehensnehmer ein Interesse daran, möglichst viel Flexibilität zu erhalten und möglichst wenig Restriktionen beachten zu müssen. Hier kann der Berufsanfänger seine in der Strukturierungsphase gewonnenen Erkenntnisse einfließen lassen und bei der Formulierung entsprechender Klauseln helfen.

Wenn es sich um ein besichertes Darlehen handelt, müssen auch Kreditsicherheiten entworfen werden. Oft werden z. B. die Anteile der Zielgesellschaft an die Bank verpfändet, die Zielgesellschaft tritt Forderungen ab oder übereignet Wirtschaftsgüter zur Sicherheit an die Bank.

Referendare und Berufsanfänger können diese Kreditsicherheiten auf Basis von Vertragsmustern selbstständig entwerfen und etwaige Besonderheiten mit den erfahrenen Teammitgliedern diskutieren. Oft stellen sich bei Kreditsicherheiten gesellschaftsrechtliche Themen (§§ 30, 31 GmbHG) und es müssen unter Umständen Klauseln aufgenommen werden, die die Verwertung dieser Sicherheiten einschränken, soweit sie Verbindlichkeiten von Gesellschaftern besichern (sog. Limitation Language).

Hier kann der junge Jurist sein gesellschaftsrechtliches Know how einbringen. Gleichzeitig stehen ihm auch die Kollegen aus anderen Teams, wie etwa aus den Bereichen des Gesellschaftsrechts, Datenschutzrechts oder der Restrukturierung zur Seite. 

(c) Verhandlungen

In der Verhandlungsphase werden die Finanzierungsverträge mit den Anwälten der „Gegenseite“ diskutiert. Anders als z. B. bei Verhandlungen vor Gericht (Litigation) geht es weniger darum, aggressiv Forderungen durchzusetzen, sondern vielmehr darum, ein für den jeweiligen Mandanten günstiges „Gesamtregelwerk“ zu erreichen. Der Darlehensgeber legt einen besonderen Fokus darauf, möglichst viele Kreditsicherheiten zu erhalten, die möglichst schnell und unkompliziert verwertet werden können. Außerdem soll so wenig Liquidität wie möglich die Finanzierungsgruppe verlassen, damit die erwirtschafteten Mittel zur Rückführung des Darlehens verwendet werden können.

Der Kreditnehmer muss im Interesse aller jedoch ausreichend Flexibilität behalten, das operative Geschäft zu führen und Gewinne erwirtschaften zu können. Dies stellt für die Anwälte einen Balance-Akt während der Verhandlung dar. Aus Sicht des Darlehensnehmers geht es darum, möglichst viel Freiheit zu bewahren und die Gefahr, dass die Bank das Darlehen aufgrund einer Vertragsverletzung kündigen kann, möglichst gering zu halten.

Der Berufsanfänger wird üblicherweise zunächst bei Telefonkonferenzen zuhören, um so einen Einblick zu erhalten, wie die Verhandlungen typischerweise geführt werden. Nach recht kurzer Einarbeitungszeit können Berufsanfänger dann bereits selbst in die Verhandlungen gehen und z. B. einfachere Kreditsicherheiten selbständig mit den Anwälten auf der anderen Seite diskutieren. Selbstverständlich kann man sich jederzeit mit erfahrenen Teammitgliedern austauschen und sich den für die Verhandlungen notwendigen Input holen.

(d) Signing

Nach der Verhandlungsphase kommt die Unterzeichnung der Verträge. Das hört sich einfacher an als es ist. Oft müssen vor Unterzeichnung entsprechende Gesellschafterbeschlüsse oder Gremienbeschlüsse eingeholt werden. Die Beschlussvorlagen werden von den Beratern des Darlehensnehmers erstellt und von den Beratern des Darlehensgebers geprüft.

Referendar oder Berufsanfänger können bei diesem Workstream weitgehend selbständig vorgehen und sich notwendige Informationen aus Handelsregistern oder Satzungen besorgen. Wenn die Satzung beispielsweise Restriktionen in Bezug auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen enthält (sog. Vinkulierungsklauseln), müssen diese Restriktionen beachtet werden, wenn die Anteile im Rahmen der Finanzierung an die Bank verpfändet werden sollen.

Wenn eine Vielzahl von Gesellschaften an einer Finanzierung beteiligt ist, kann alleine die Durchsicht und Auswertung der Satzungen samt Entwurf der Beschlüsse mehrere Referendare oder Berufsanfänger über mehrere Tage beschäftigen. Hier ist dann Teamwork und Organisation gefragt.

(e) Closing

Sind die Verträge unterschrieben (meist erfolgt die Unterzeichnung per pdf und Originale der Unterschriften werden im Nachgang ausgetauscht), fehlt nur noch das Closing, also die Auszahlung des Darlehens und der Übergang der verkauften Anteile bzw. Wirtschaftsgüter an den Käufer. Dieser Prozess verlangt die Erfüllung verschiedener Auszahlungsvoraussetzungen (conditions precedent), wie z.B. die Vorlage von Rechtsgutachten (legal opinions), die die Wirksamkeit der Finanzierungsverträge bestätigen.

Auch in diesem Prozess können sich junge Juristinnen und Juristen einbringen, indem er die relevanten Dokumente prüft oder erstellt und einen Überblick behält über die erfüllten und noch ausstehenden Auszahlungsvoraussetzungen. Bei Finanzierungstransaktionen arbeiten wir stets im Team und der junge Jurist ist dabei ein wichtiges Teammitglied.

Dieser Beitrag zu Internationalen Finanzierungen erschien zuerst im mylawguide 2020, dem Karrierehandbuch für Juristinnen und Juristen.

Sabrina Bremer
Autorin
Sabrina Bremer

Sabrina Bremer hat mehr als sechs Jahre bei führenden internationalen Kanzleien in Frankfurt und in London gearbeitet und ist aktuell Counsel im Bereich Finance bei ashurst. Sie berät nationale und internationale Finanzinstitute, Private Equity Investoren und Unternehmen bei komplexen inländischen und grenzüberschreitenden Finanzierungen, einschließlich Akquisitionsfinanzierungen, syndizierte Darlehen sowie besicherte und unbesicherte Unternehmensfinanzierungen.

Kurkowski Filip
Autor
Filip Kurkowski

Filip Kurkowski ist Partner bei ashurst. Er berät Banken, Private-Equity-Immobilienfonds, Mezzanine-Kreditgeber und Mezzanine-Investoren zu sämtlichen Aspekten von Immobilien- und Assetfinanzierungen einschließlich Mezzanine-Finanzierungen. Zu seinem Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich Immobilienfinanzierungen zählt die Beratung von Private-Equity-Investoren beim Erwerb von Gewerbe- und Wohnimmobilienportfolios sowie die Beratung von Banken bei der Finanzierung gewerblicher Immobilien. Im Bereich Assetfinanzierungen begleitet er Arrangeure, Fremdmittelgeber, Leasinggeber und -nehmer bei der Finanzierung mobiler Wirtschaftsgüter.

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