Strafrecht: Die Aufgaben des Pflichtverteidigers

Wie unterscheidet sich die Arbeit eines Pflichtverteidigers von der eines klassischen Verteidigers? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Wahl-Pflichtverteidiger und Zwangs-Pflichtverteidiger? Eine kurze Stellungnahme zu den Aufgaben des Pflichtverteidigers im Strafrecht und warum diese einen besonders essentiellen Teil der Rechtspflege darstellen.

Aufgaben des Pflichtverteidigers: Vorurteile und Realität

Fragt man juristische Laien nach der Aufgabe und dem Bild, das diese von einem Pflichtverteidiger haben, so hört man immer wieder ähnliche Vorurteile: Es sei jemand, der trotz doch „ganz klar offensichtlicher Strafbarkeit“ des Täters das Beste für seinen Mandanten herausschlägt und ihn so seiner „gerechten“ Strafe entzieht.

Fragt man einen Juristen, so zeichnet sich jedoch ein ganz anderes, der Aufgabe des Pflichtverteidigers angemessenes, Bild ab. Doch woher kommt diese Bandbreite an Vorstellungen vom Pflichtverteidiger? Der divergierende Eindruck lässt sich zunächst schon damit erklären, dass viele Laien –auch einige Rechtsstudenten – sich nicht bewusst sind, wo eigentlich der Unterschied zum „normalen“ Anwalt besteht, und warum der Pflichtverteidiger zu Recht unter Fachleuten als eigentlicher „Held der Juristerei“ angesehen wird.

Strafrecht & Pflichtverteidigung: Es ist selten wie im Kino

Das Wissen über die Arbeit dieser Juristen wird oft aus den klassisch-amerikanischen Krimis und Anwaltsserien wie Suits gezogen, wo der windige Anwalt mit allen Mitteln versucht seinen Klienten durchzuschlagen oder – genauso beliebt – genervt die Akten auf den Tisch vor den ihm als Pflichtverteidiger zugewiesenen Mandanten knallt, um diesen halbherzig zu verteidigen. Doch wie unterscheidet sich die Arbeit eines Pflichtverteidigers denn nun wirklich von der eines klassischen Strafverteidigers?

Unterschied Wahl-Pflichtverteidiger und Zwangs-Pflichtverteidiger

Zunächst einmal wird einem Angeklagten in den „echten“ Fällen vor Gericht nicht einfach so ein Anwalt zur Verteidigung aufgezwungen, vielmehr kann sich der Angeklagte selbst einen Pflichtverteidiger aussuchen, den sogenannten (Wahl)Pflichtverteidiger. Alternativ kann sich der Angeklagte einen Pflichtverteidiger über das Gericht suchen lassen, der bereit ist den Fall zu übernehmen, den sogenannten (Zwangs)Pflichtverteidiger.

Hintergrund beider Arten der Pflichtverteidigung sind Fälle, in denen eine Verteidigung gesetzlich notwendig ist. Zum Beispiel dann, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird, oder die erste Verhandlung vor dem Landgericht stattfindet, oder wenn es um freiheitsentziehende Maßregeln geht. Egal welche Art der Pflichtverteidigung dem Angeklagten letztendlich zusteht, zum Schutze des Angeklagten wird weiterhin auch festgesetzt, dass ein Pflichtverteidiger nur entpflichtet werden kann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Mandant nachhaltig erschüttert ist.

Verteidigung: Geld spielt keine Rolle?

Der Angeklagte kann also auch nicht während des Prozesses einfach vom Anwalt seines Vertrauens aufgegeben werden, was das Rechtsstaatsprinzip zum Schutz der Freiheit des Einzelnen zusätzlich untermauern soll.

Keine Rolle spielen soll dabei auch das Vermögen des Angeklagten, denn nach dem Rechtsstaatsprinzip steht jedem Beschuldigten unabhängig von Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine wirksame Verteidigung zu.

Ein klarer Unterschied ist dabei lediglich die Bezahlung. Ein Pflichtanwalt ist nämlich eine besondere Form der Indienstnahme öffentlicher Interessen. Folge ist, dass der Statt zunächst für die Kosten des Verteidigers aufkommt und diesen auch aus der Staatskasse entlohnt. Dies soll das bereits erwähnte Rechtsstaatsprinzip unabhängig von Einkommens- und Vermögensverhältnissen unterstützen, um so jedem die Durchsetzung seiner Rechte vor Gericht zu ermöglichen.

Ganz aus dem Schneider ist der Mandant bezüglich der Kosten jedoch dann nicht, wenn er verurteilt wird. Ist dies der Fall, holt sich die Staatskasse das Geld, das dem Pflichtverteidiger zuvor ausgelegt wurde, vom Beschuldigten zurück. Hinsichtlich seiner Aufgaben und Motivation besteht beim Pflichtverteidiger daher grade kein Unterschied zu seinen anderen Kollegen, lediglich die Auswahl und Bezahlung laufen hier nach anderen, vom Staat klar vorgeschriebenen Prinzipien.

Dass der Pflichtverteidiger also nicht nach völlig anderen Regeln als der normale Anwalt läuft, ist nun klar erkennbar. Doch was ist dann das Besondere an ihm, und warum wird er unter Juristen oft als essentielles Organ der Rechtspflege betitelt?

Pflichtverteidiger: Essentielles Organ der Rechtspflege

Das Besondere am Pflichtverteidiger lässt sich von außen immer dann klarer erkennen, wenn die besonders außergewöhnlichen und auch für die Presse interessanten Fälle in den Fokus der Allgemeinheit rücken. Fälle in denen doch ganz klar dieser oder jener der Schuldige sei, und der Pflichtverteidiger doch ganz klar nur noch „das beste für seinen Mandanten rausschlägt“, obwohl dieser eigentlich unverzüglich verurteilt werden müsste.

Denn dann wird die Aufgabe des Pflichtverteidigers als essentielles Organ der Rechtspflege besonders klar sichtbar. Seine Aufgabe ist es nämlich entgegen vieler Vorurteile nicht, den Mandanten mit windigen Mitteln vor der Strafe zu schützen, und seine Tat blind zu verteidigen, sondern den Täter in seiner spezifischen Situation zu verstehen und die Gründe für sein Verhalten darzulegen.

Nicht immer ist die Lage so offensichtlich wie sie von außen möglicherweise scheinen mag, und nicht immer haben die Außenstehende alle Informationen rund um das Tatgeschehen, um ein wirklich in sich geschlossenes Urteil treffen zu können. Der Pflichtverteidiger muss dann sämtliche Emotionen außer Acht lassen, und die Rechte und Stellung des Beschuldigten verteidigen, mag der Fall noch so klar sein.

Pflichtverteidiger: Kontrollinstanz und Sand im Getriebe

An diesem Punkt ist die Aufgabe des Verteidigers besonders wichtig, er muss dafür sorgen, dass die Strafe nicht das zuzuschreibende Maß überschreitet und bereit und fähig sein, die Rechte des Beschuldigten durchzusetzen. Der Verteidiger muss also auch „Sand im Getriebe“ spielen, langwidrige Beweisanträge stellen und Zeugen und Opfer befragen, kurz: Er muss unbequem sein. Denn der Strafverteidiger stellt eine entscheidende Kontrollinstanz dar, um dem Angeklagten die Strafe zu erfechten, die das Gesetz tatsächlich und nach gegebenen Umständen für ihn vorsieht. Nicht ein Strafmaß, das sich andere vielleicht wünschen.

Wer sich auf unser Rechtssystem und auf Urteile nach Recht und Gesetz verlassen will und nicht Emotionen entscheiden lassen möchte, sollte den Pflichtverteidiger daher als besonders essentiell anerkennen. Denn käme man selbst einmal in die Lage eines Angeklagten, hätte sicherlich jeder gerne einen Verteidiger, der das Bestmögliche für seinen Mandanten tut, und der trotz anderer Meinungen genau hinsieht und für das eigene Recht einsteht.

Auch jedem Nicht-Juristen und Verfechter unseres Rechtssystems sollte daher bei einer Gesamtbetrachtung aller möglichen Umstände einer Verurteilung klar werden, dass Vertrauen in das Rechtsstaatsprinzip zwar gut ist, Kontrolle durch Pflichtverteidiger jedoch besser, und dies in unserem Rechtsstaat sogar ein essentielles Recht ist. Nicht umsonst wird dem Strafverteidiger als Kontrollorgan der Rechtspflege daher gerade unter Juristen, die die Schwierigkeit einer solchen Arbeit besonders gut nachvollziehen können, mit höchstem Respekt entgegengetreten. Zu Recht!

IQB Redaktionsteam Karrieremagazin
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