Containern bleibt illegal – eine juristische Betrachtung

Containern bleibt illegal. Die Beschlüsse des BverfG zum sogenannten „Containern“ haben für viel Aufsehen gesorgt (2 BvR 1985/19 u. 2 BvR 1986/19). Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die Relevanz im Zivilrecht, im Strafrecht sowie im Öffentlichen Recht.

Die Beschlüsse des BverfG zum sogenannten „Containern“ haben für viel Aufsehen gesorgt (2 BvR 1985/19 u. 2 BvR 1986/19). Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die Relevanz im Zivilrecht, im Strafrecht sowie im Öffentlichen Recht.

Die Beschlüsse des BverfG zum „Containern“

Die Beschlüsse des BverfG zum sogenannten „Containern“ haben für viel Aufsehen gesorgt (2 BvR 1985/19 u. 2 BvR 1986/19). Zwei junge Frauen haben aus einem Container hinter einem Supermarkt weggeworfene Lebensmittel, deren Verfallsdatum abgelaufen war oder die nicht mehr so aussahen, dass sie verkauft werden konnten, „gerettet“. Allerdings wurden sie dabei erwischt, sodass es schließlich zu einem Strafbefehl und nach dem Einspruch gegen diesen zu einem Urteil wegen Diebstahls kam.

Auch die danach erfolgte Sprungrevision blieb erfolglos, sodass der Fall schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht landete, die Verfassungsbeschwerden dort jedoch als zulässig, aber unbegründet angesehen wurden.

„Containern“ ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema, das immer wieder die Gerichte beschäftigt.

Der gesamte Fall erregte viel Aufsehen, da es nicht nur um die juristische Dimension, sondern auch den Wert von Lebensmitteln an sich und Kritik an der „Wegwerfgesellschaft“ ging.

Diese letztgenannten Punkte, so wichtig sie gesellschaftlich sind, sollen an dieser Stelle ausgeklammert werden und die Relevanz des Falles für das juristische Examen geklärt werden. Für das weitere Verständnis des Beitrages sollte aber die Entscheidung vorher gelesen werden – ihre genaue Wiedergabe an dieser Stelle würde ansonsten jeden Rahmen sprengen.

A. Der Fall im schriftlichen Examen

Im schriftlichen Examen wird man den Fall wahrscheinlich als zu kurz, um fünf Stunden zu füllen, ansehen. Es ist aber durchaus denkbar, dass ein erweiterter Sachverhalt präsentiert wird oder der Fall eine Teilaufgabe darstellen wird.

Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Originalfall stellt keine Schwierigkeit dar. Hier könnte man allerdings daran denken, dass der Klausursteller aus den Antragsstellern Minderjährige macht, sodass man Ausführungen zur Grundrechtsmündigkeit vornehmen muss; ein Punkt, der immer wieder abgeprüft und zum Standardstoff gezählt wird.

Hier ist Vorsicht geboten – ich habe selbst schon Übungsklausuren korrigiert, bei dem im Sachverhalt stand „A ist ein junger Mann“ oder „B ist eine junge Frau“ und schon kamen die Ausführungen zur Grundrechtsmündigkeit von Minderjährigen. Entscheidet sich der Klausursteller für die Formulierung, dass es vorliegend zwei junge Frauen waren, die das Containern vornahmen, sind Ausführungen zur Minderjährigkeit ein Fehler. Im Sachverhalt steht nirgends, dass die Personen minderjährig sind – nur das sie jung sind.

Jung bedeutet aber nicht minderjährig. Solche Ausführungen dürfen nur erfolgen, wenn klar aus dem Sachverhalt ergeht, dass die jeweiligen Personen minderjährig sind. Dies ist beispielsweise bei einer Altersangabe der Fall oder wenn im Sachverhalt steht, dass die betroffenen Personen minderjährig sind. Beispiele dieser Art finden sich zuhauf bei der Korrektur und ein solcher Fehler sollte bei derartigen Sachverhalt vermieden werden. Wenn man diese Hürden umschifft hat, geht es weiter mit der Begründetheit.

Containern: Eigentum wird ungeachtet seines wirtschaftlichen Wertes geschützt

Die Begründetheit ist allerdings von ein paar Fallen gesäumt, die an dieser Stelle angesprochen werden sollen. Zum ersten wird nicht § 242 StGB selbst verfassungsrechtlich geprüft. Vielmehr geht es um das im Gesetzestext angelegte Normverständnis und die Auslegung durch die Verfassungsgerichte, die besagt, dass das Eigentum ungeachtet seines wirtschaftlichen Wertes geschützt wird.

Wer dies richtig erkennt, sammelt sicher Punkte beim Korrektor. Ein weiterer Stolperstein kann sein, dass der Sachverhalt durchaus tatsächliche Fragen aufwerfen kann. War der Container wirklich verschlossen? Wie wurde er tatsächlich geöffnet? Mit einem Werkzeug oder doch ohne eines? Hier kann ein Klausursteller sehr leicht auf eine falsche Fährte locken.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt nämlich keine Beweisaufnahme vor. Eine Superrevisionsinstanz ist das Bundesverfassungsgericht gerade nicht, sondern es prüft ausschließlich spezifisches Verfassungsrecht. Ansonsten bietet es sich an, die Entscheidung aufmerksam zu lesen und im Ernstfall dann parat zu haben. Viel wird es auch auf den Schreibstil ankommen.

Dies liegt daran, dass viele Mitprüflinge die Entscheidung auch kennen werden und daher viele den Fall im Grunde richtig schildern können. Ein guter, klarer Stil hebt dann natürlich von den Mitprüflingen ab. Deswegen gilt hier der Rat besonders – Klausuren üben, um diese gut schreiben zu können.

B. Containern: Der Fall im mündlichen Examen

Im mündlichen Examen zeigen sich für die Prüfer gleich viel mehr Möglichkeiten als im Schriftlichen. Im Prüfungsgespräch kann der Fall gleich in allen drei Fächern ein Aufhänger sein.

I. Containern im Zivilrecht

Im Zivilrecht kann sofort mit der Frage losgelegt werden, was eine herrenlose Sache ist. Dabei wird man dann auch sogleich auf die sogenannte Dereliktion zu sprechen kommen, d.h. die Aufgabe von Eigentum und Besitz durch den Eigentümer einer Sache nach § 959 BGB. Sogleich wird man zivilrechtlich Fragen können, ob dies im Falle des Supermarktes der Fall war, dass der Besitz aufgegeben wurde oder nicht.

Ausgehend von diesen Fragestellungen kann dann ohne weiteres auf den Eigentums- und Besitzschutz eingegangen werden. Hätte beispielsweise der Supermarktinhaber das Recht sich nach § 859 GGB zur Wehr zu setzen? Haben die beiden Frauen im Ausgangsfall tatsächlich verbotene Eigenmacht begangen? Sofern der Supermarkt sein Eigentum nicht aufgegeben hat, besteht das Recht des Inhabers des Supermarktes nach § 859 BGB und es lag tatsächlich verbotene Eigenmacht vor. Sodann kann man über die Grenzen dieses Rechts in der mündlichen Prüfung diskutieren.

Wie man sieht, lässt sich ausgehend vom Ursprungsfall auch im Zivilrecht ein schöner Fall für eine mündliche Prüfung basteln. Wichtig ist in diesen Fällen für die Prüfung auch, dass man sich von dem bekannten Fall im Öffentlichen Recht löst und die Wertungen auf das Zivilrecht übertragen kann. Eigentums- und Besitzschutz sind als Themen an für sich in einer mündlichen Prüfung nämlich gut zu beherrschen.

II. Containern: Relevanz im Strafrecht

Im Strafrecht bietet sich der Fall natürlich auch an. Die strafrechtliche Beurteilung lässt sich in vielen Lehrbüchern nachlesen. Spannender an dieser Stelle sind die Fragen, die der Prüfer neben dem Fall stellen mag. So können z.B. Grundlagen der StPO geprüft werden. Der Prüfer kann z.B. fragen, was ein Strafbefehl ist und wie man sich gegen diesen wehren kann? Hier sollte man dann den § 407 StPO nennen können und erklären, dass dies ein Weg ist, die Rechtsfolgen eines Urteils herbeizuführen, ohne dass eine Hauptverhandlung notwendig ist. Als nächsten Schritt sollte man § 410 StPO und den damit verbundenen Einspruch nennen können, woraufhin es dann doch zur Hauptverhandlung kommt. Wenn man nun den Ausgangsfall nimmt, könnte der Prüfer auch Fragen, was die Sprungrevision ist bzw. im Vorfeld sich erstmal nach dem Instanzenzug erkundigen. Die Sprungrevision ist in § 335 StPO geregelt. Sie kann immer eingelegt werden, wenn auch eine Berufung möglich wäre. Man überspringt quasi eine Instanz (daher der Name „Sprungrevision“), nämlich die Berufungs- bzw. zweite Tatsacheninstanz. In der Revision wird kein Sachverhalt mehr aufgeklärt, sondern es werden nur noch Rechtsfragen behandelt. Man sieht also, im Strafrecht bieten sich neben den materiellen, die jeder Prüfling beherrschen sollte, auch prozessuale Fragen in der Prüfung an.

III. Containern: Relevanz im Öffentlichen Recht

Im Öffentlichen Recht kann natürlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in allen Einzelheiten und mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie z.B. der Frage was Eigentum ist oder was genau die prozessualen Grundrechte sind, dargestellt werden. Diese Fragen werden oft die Grundsätze dieser Punkte berühren bzw. die Entscheidung besprechen. Darauf soll aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Eine ganz andere Frage ist nämlich, wie die einzelnen Abfallgesetze in den Ländern das Containern beurteilen. Ein Prüfer kann nämlich ganz einfach auch mal nach der verwaltungsrechtlichen Wertung fragen. Wichtig ist es dann, dass man sich im Klaren ist, dass man zwar das Kreislaufwirtschaftsgesetz oder Abfallgesetz mal gehört haben sollte, der Prüfer aber keine vertieften Kenntnisse erwarten kann. Vielmehr muss man Zeit bekommen, sich anhand der allgemeinen bekannten Grundsätze, Aufbau eines Gesetzes, Finden einer Ermächtigungsgrundlage zurecht zu finden und eine Lösung zu entwickeln. Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, dass der Fall auch eine verwaltungsrechtliche Dimension haben kann und der Prüfer sieht, dass man sich in einem unbekannten Gesetz zurechtfinden kann. Letzteres zeigt nämlich dann, dass das Handwerkszeug sitzt.

C. Abschließende Gedanken

Der Beitrag kann nur einen groben Überblick über die möglichen Themen im Examen liefern. Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, dass man sich mit der Beherrschung der Grundlagen des juristischen Arbeitens in allen Konstellationen helfen kann und in der Lage sein sollte, eine Lösung zu finden. Auch sollte man sich zumindest für mündliche Prüfungen bewusst sein, dass ein Prüfer eines scheinbar ganz anderen Fachs plötzlich die Entscheidung als Aufhänger für seine Prüfung aufgreifen kann. Davor darf und soll man keine Angst haben – Themen, die Prüfer in der Zeitung lesen, werden gerne aufgegriffen und für eine Prüfung verwertet; mit dem richtigen Handwerkszeug bekommt man dies dann auch sicher hin!

Dr. Michael Hoerdt
Autor
Dr. Michael Hördt

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/ Adelaide) studierte Jura an der Universität Heidelberg mit Praktika in Zürich und Dublin. Danach erwarb er den Master of Comparative Law der Universität Mannheim und der University of Adelaide und promovierte zum Thema „Pflichtteilsrecht und EuErbVO“ an der Universität Potsdam. Sein Referendariat absolvierte er am LG Darmstadt mit Stationen in Dublin und Washington, D.C. Er war Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei in Frankfurt a.M. im Arbeitsrecht und für das Irlandgeschäft der Kanzlei zuständig. Aktuell ist er Syndikusrechtsanwalt bei Infosys Limited im Arbeitsrecht in Frankfurt a.M.

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