Corona-bedingte Absage von Events: Gibt es das Geld zurück?

Vorfreude weg, Geld auch? Bei Corona-bedingter Absage von Konzerten gilt: Gutschein statt Rückerstattung. Bei geplatzten Reisen sorgt die EU für Ausnahmen.

Noch im Februar war das Ausmaß der Corona-Pandemie in Deutschland kaum absehbar. Doch nur wenige Monate später hat das Virus den Alltag vollständig umgekrempelt. Zudem hat die Wirtschaft mit enormen Einbußen zu kämpfen. Vor allem kleinere Unternehmen bangen um ihre Existenz. Der Arbeitsmarkt muss mit Kurzarbeit zurechtkommen — es muss an allen Ecken und Enden gespart werden.

Gesetzentwurf sieht Gutschein vor

Diese Situation ist alles andere als einfach. Fast jeder Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer muss sich anpassen. Das gilt auch für Verbraucher. Zwar haben vermutlich viele Menschen mehr „freie Zeit“ als sonst, doch es ist schwierig geworden, diese erlebnisreich zu gestalten: Urlaubsreisen werden gecancelt, Festivals können nicht stattfinden, Konzerte werden abgesagt.

Was bedeutet die Corona-bedingte Absage von Konzerten und Reisen für die Verbraucher? Gemäß eines Gesetzesentwurfs der Bundesregierung müssen diese sich oftmals mit einem Gutschein zufriedengeben, anstatt ihr Geld zurückzuerhalten. Aber ist es gerechtfertigt, die Belastung dem Verbraucher zwangsweise aufzubürden – oder wer trägt eigentlich das Ausfallrisiko?

Annahme des Gutscheins ist verpflichtend: Eine rechtliche Einschätzung

Um Veranstalter und Anbieter vor der starken wirtschaftlichen Belastung durch das Virus zu schützen, hat sich Bundesregierung eine sogenannte „Gutscheinlösung“ einfallen lassen. Dabei handelt es sich um eine andere Art der Rückerstattung, bei der die Kunden für Pauschalreisen, Flüge und Veranstaltungen, die aufgrund des SARS-Cov-2-Virus nicht stattfinden können, Gutscheine anstatt Erstattungen erhalten sollen.

Grundsätzlich gilt diese Regelung für alle Tickets, die vor dem 8. März 2020 gekauft wurden. Sollten diese Gutscheine nicht bis Ende 2021 eingelöst worden sein, hat der Veranstalter den Wert zu ersetzen. Im Gesetzesentwurf vom 15.05.2020 wurde festgelegt, dass die Annahme der Gutscheine für kulturelle, wissenschaftliche und sportliche Veranstaltungen sowie für musikalische Events wie Konzerte und Festivals verpflichtend sein wird.

Die Gutscheine werden als Wertgutscheine ausgegeben. Sie können entweder für die vom Veranstalter folgende Nachholveranstaltung oder für eine andere Veranstaltung genutzt werden. Gutscheine mit Sachbezug oder eine Beschränkung auf die Nachholveranstaltung sind jedoch unter dieser Regelung nicht zulässig. Nur ausnahmsweise sollen Härtefallregelungen greifen, durch welche der Kunde auf seinen Rückzahlungsanspruch bestehen kann. Dies sei der Fall, wenn das Versagen der Rückerstattung angesichts der persönlichen Lebensumstände unzumutbar wäre.

Rückerstattung nur im Einzelfall

Vertragsrechtlich ist das ganze einzelfallabhängig zu beleuchten: Die Pandemie als „höhere Gewalt“ kann in Verträgen, in denen die Pandemie als solche die Leistung zum Wegfall bringt, zu einer Unmöglichkeit nach § 275 BGB führen. Folglich entfällt für den Veranstalter auch der Anspruch auf Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 BGB) und von dem Kunden bereits bewirkte Leistungen können von diesem zurückgefordert werden (§ 326 Abs. 4 BGB). Dennoch wird argumentiert, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage durch eine Nutzloswerdung der Leistung angenommen werden kann.

Kritik an der Gutscheinlösung für Konzerte gibt es auch. So wird etwa festgestellt, dass diese grundsätzliche Prinzipien des Zivilrechts auszuhebeln versucht. Der dadurch entstehende Eingriff in die Privatautonomie und das Abwälzen des Insolvenzrisikos des Veranstalters auf den Verbraucher könne nicht gerechtfertigt werden.

Insbesondere die Formulierung „verpflichtend“ hat den Verbraucherschutz auf den Plan gerufen. Die Verbraucherzentrale kritisiert die Maßnahme, proklamiert in den Worten des Vorstands Klaus Müller, die „geplanten Zwangsgutscheine [würden] […] die Lasten […] auf eine unzumutbare und unfaire Weise [verteilen].“

Ausnahmen bei Reisen: Gutscheinlösung entspricht nicht in jedem Fall EU-Recht

Doch vor allem in Bezug auf Pauschalreisen und hinsichtlich der Fluggastrechte hat die Bundesregierung keine alleinige Entscheidungskompetenz. Da die genannten Materien nach EU-Recht entschieden werden, ist somit die Einschätzung Brüssels maßgeblich. Laut dieser ist die Gutscheinlösung weder mit der europäischen Fluggastrechte-Verordnung noch mit der europäischen Pauschalreise-Richtlinie vereinbar.

Art. 12 Abs. 4 Pauschalreisen-Richtlinie (EU) 2015/2301 besagt, dass die Erstattung binnen 14 Tagen vorgenommen werden muss. Hinsichtlich der Fluggastrechte definiert Artikel 8 Abs. 1 a) Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eine Rückerstattung innerhalb von sieben Tagen.

Rückerstattung bevorzugt? Verbraucher haben „rein rechtlich“ die Wahl

EU-Justizkommissar Didier Reynders nimmt zu der Thematik klar Stellung: „Nach EU-Recht haben Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder eine Rückerstattung bevorzugen.“ Die Kommission sieht die Lösung der Bundesregierung also eher kritisch. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dazu erklärt: „Europaweit haben die Menschen rein rechtlich die Wahl, ob sie das Geld oder einen Gutschein wollen. Aber in dieser Krise ist die Solidarität aller gefragt.“

Bei Stornierung von Pauschalreisen hat der Verbraucher – trotz Pandemie – das Recht auf „Geld zurück“ und auch bei den Fluggastrechten ist sich Brüssel einig: Rückerstattung oder Gutschein, das ist die Wahl des Kunden. Gutscheine können und sollen zwar angepriesen werden, sollten vom Kunden aber nicht zwangsläufig gewählt werden müssen.

Akzeptieren des Gutscheins kann Zeichen der Solidarität sein

Der Verbraucherschutz steht durch Corona vor ganz neuen Herausforderungen. Obwohl die Entscheidungen bisher nicht abschließend sind und sich der Bund und Europa hinsichtlich der Ausgestaltung streiten, ist eines offensichtlich: Wie bei allen bereits eingeführten Maßnahmen zur Eindämmung und zum wirtschaftlichen Umgang mit dem Virus ist der maßgebliche Faktor die Solidarität.  

In Bezug auf Flug- und Pauschalreisen gilt: Wer kann (und will), ist dazu angehalten, den Gutschein zu wählen. Dies ist i. d. R. im Sinne des Unternehmens. Denn gerade in Krisenzeiten ist jeder einzelne gefragt und muss im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten abwägen, inwieweit er zur Besserung der Situation beitragen kann. Bei anderen Veranstaltungen muss sich der Verbraucher – wenn auch unter umstrittenen Umständen – nun mit der Gutscheinlösung zufriedengeben.

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Autorin
Sophie Staron

Sophie Staron studiert den Kombinationsstudiengang Unternehmensjurist/-in (LL.B./StEx) an der Universität Mannheim. Nebenbei arbeitet sie als studentische Hilfskraft in einem Verlag für Bau-, Architekten-, Vergabe- und Immobilienrecht.