Art. 21 GG Parteiverbotsverfahren – Erklärung, Beispiel, Prüfungsschema

Das Parteiverbotsverfahren gemäß Art. 21 GG und §§ 43 ff. BVerfGG spielt eine entscheidende Rolle für die demokratische Ordnung in Deutschland.

Verfassungsrechtliche Grundlagen und gesetzliche Regelungen für Parteien

Die politischen Parteien Deutschlands haben eine wichtige Funktion innerhalb des demokratischen Prozesses. Sie stellen das Bindeglied zwischen dem Volk und dem Parlament dar und wirken dabei maßgeblich bei der politischen Willensbildung mit. (1)

Die Rechte und Pflichten politischer Parteien sind sowohl grundgesetzlich (Art. 21 GG) festgeschrieben, als auch einfachgesetzlich (Parteiengesetz) ausgestaltet. Zu nennen ist hier u.a. das Recht der Parteien auf freie Gründung (Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG) oder auf staatliche Finanzierung (§§ 18 ff. PartG). (2)

Obwohl politische Parteien Freiheiten genießen, treffen sie auch gewisse Pflichten. So muss zum Beispiel die innere Ordnung von Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG) und Parteien müssen transparent im Umgang mit Art und Verwendung von Mitteln agieren (Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG). Unter bestimmten Voraussetzungen können Parteien auch verboten werden, nämlich wenn sie nach Art. 21 Abs. 2 GG verfassungswidrig sind.

Art. 21 GG – Gesetzestext

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.

Art. 21 GG – Erklärung

Kernprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung

Wir sehen: Um eine Partei zu verbieten, muss diese also verfassungswidrig sein. Doch was heißt das genau? Zum besseren Verständnis müssen wir uns die im Gesetzestext befindlichen Begriffe etwas näher anschauen.

Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S.d. Art. 21 Abs. 3 Alt. 1 GG wird definiert als “eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.” (3) Oder, etwas griffiger formuliert, “eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind.” (4)

Diesen zentralen und unentbehrlichen Grundsätzen geht die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) voran, die “egalitär” ist und “insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit” umfasst. (5) Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind ebenfalls zu diesen Prinzipien zu zählen. (6)

Verfassungswidrigkeit, Potentialität und das Entscheidungsmonopol

Zudem muss eine Partei “darauf ausgehen”, diese Verfassungsgüter zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Eine Partei ist nicht gleich verfassungswidrig, weil sie der freiheitlich demokratischen Grundordnung ablehnend gegenübersteht. (7) Vielmehr braucht es eine aktiv-kämpferische und aggressive Haltung sowie zumindest die Möglichkeit, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch tatsächlich erreichen könnte (sog. Potentialität). (8)

Der “Bestand der Bundesrepublik Deutschland” i.S.d. Art. 21 Abs. 3 Alt. 2 GG beinhaltet die Staatssouveränität, also die politische Unabhängigkeit von fremden Staaten und die territoriale Unversehrtheit. (9)

Sollte eine Partei die genannten Kriterien des Art. 21 Abs. 3 GG erfüllen, kann die Feststellung der Verfassungswidrigkeit sowie der Ausschluss von staatlicher Finanzierung nur durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. Dieses hat gem. Art. 21 Abs. 4 GG das alleinige Entscheidungsmonopol (sog. Verwerfungsmonopol des BVerfG): Solange also das BVerfG eine Partei nicht als verfassungswidrig bestätigt hat, darf sie auch nicht als verfassungswidrig behandelt werden. (10)

Art. 21 GG – Beispiele

In der Geschichte der Bundesrepublik hat es bisher nur zwei Parteiverbote, und zwar am linken und rechten Ende des politischen Spektrums, gegeben: Zum einen wurde im Jahr 1952 die Nachfolgepartei der NSDAP, die Sozialistische Reichspartei (SRP) und im Jahr 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. (11) Seitdem hat es kein Parteiverbot mehr gegeben. Ein entsprechendes Verfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) scheiterte zweimal aufgrund von Verfahrenshindernissen (2003) oder der fehlenden Potentialität der NPD (2017). (12)

Verfassungswidrigkeit von Parteien

§ 43 – Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG)

(1) Der Antrag auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig (Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen ist (Artikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes), kann von dem Bundestag, dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden. Der Antrag auf Entscheidung über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung kann hilfsweise zu einem Antrag auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, gestellt werden.

(2) Eine Landesregierung kann den Antrag nur gegen eine Partei stellen, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes beschränkt.

Prüfungsschema für ein Parteiverbotsverfahren nach §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz

Das Parteiverbotsverfahren ist in §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.

1 – Zulässigkeit

  1. Antragsberechtigung: Innerhalb eines Parteiverbotsverfahrens sind gem. § 43 Abs. 1 BVerfGG nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung antragsberechtigt. Nach § 43 Abs. 2 BVerfGG kann auch eine Landesregierung einen derartigen Antrag stellen, aber nur, wenn sich die Organisation der Partei auf das Gebiet des Landes beschränkt.
  2. Antragsgegenstand: Gegenstand des Antrags ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei.
  3. Antragsgegner: Der Antragsgegner muss eine politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes (PartG) sein, sowie nach § 3 PartG prozessführungsbefugt und passivlegitimiert sein, also klagen und verklagt werden können. Die Partei wird vor Gericht gem. § 44 BVerfGG i.V.m. § 11 PartG grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten.
  4. Vorverfahren: Der Vertretungsberechtigte der Partei hat gem. § 45 BVerfGG innerhalb eines Vorverfahrens die Möglichkeit, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist gegenüber dem BVerfG zu äußern. Anschließend entscheidet das Gericht, ob der Antrag unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder die Verhandlung durchzuführen ist.
  5. Form: Schließlich ist die in § 23 Abs. 1 BVerfGG vorgeschriebene Form eines schriftlichen und begründeten Antrags und Angabe der Beweismittel einzuhalten.

2 – Begründetheit

I. Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung

1. Freiheitliche Demokratische Grundordnung: Das BVerfG hat dazu aufgeführt: “die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.” (13)

2. Beeinträchtigung oder Beseitigung

3. “Darauf Ausgehen”: Die Partei weist eine aktiv-kämpferische Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung auf und es besteht zumindest die Möglichkeit, dass diese Bestrebungen Erfolg haben könnten (Potentialität).

II. Gefährdung des Bestands der Bundesrepublik Deutschland

Es liegt eine aktiv-kämpferische Haltung gegenüber der territorialen Unversehrtheit und/oder der politischen Unabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland vor sowie die Möglichkeit, dass diese Bestrebungen Erfolg haben könnten (Potentialität).

Rechtsfolgen eines Parteiverbots

Die rechtlichen Folgen eines Parteiverbots sind weitreichend. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit hat gem. § 46 Abs. 3 BVerfGG die Auflösung der Partei und das Verbot von Ersatz- und Teilorganisationen zur Folge. Die Abgeordneten der Partei verlieren ihr Mandat im Deutschen Bundestag, die Listennachfolge ihre Anwartschaft, § 46 Abs. 4 S. 1 BWahlG. Im Falle von Direktmandaten muss die Wahl in dem betreffenden Wahlkreis gem. § 46 Abs. 4 S. 2 i.V.m § 44 Abs. 2 bis 4 BWahlG wiederholt werden.

FAQs

Eine politische Partei kann verboten werden, wenn sie verfassungswidrig ist. Das ist der Fall, wenn sie darauf abzielt, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Diese Voraussetzungen ergeben sich aus Art. 21 Abs. 2 GG.

Über ein Parteiverbot entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht. Es besitzt das sogenannte Verwerfungsmonopol nach Art. 21 Abs. 4 GG. Solange keine Entscheidung des Gerichts vorliegt, darf eine Partei nicht als verfassungswidrig behandelt werden.

Darunter versteht man eine rechtsstaatliche Ordnung, die die Selbstbestimmung des Volkes, die Freiheit und die Gleichheit sichert. Sie ist frei von Gewalt- und Willkürherrschaft. Zu ihren Kernprinzipien gehören die Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Eine Partei muss eine aktiv-kämpferische Haltung gegenüber der Grundordnung einnehmen. Es reicht nicht, ihr bloß ablehnend gegenüberzustehen. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch tatsächlich erreichen kann (sogenannte Potentialität).

Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemäß § 43 Abs. 1 BVerfGG. Eine Landesregierung kann einen Antrag stellen, wenn sich die Partei auf das Gebiet des Landes beschränkt (§ 43 Abs. 2 BVerfGG). Andere Institutionen oder Einzelpersonen sind nicht berechtigt.

Die Partei wird aufgelöst und Ersatz- sowie Teilorganisationen werden verboten (§ 46 Abs. 3 BVerfGG). Ihre Abgeordneten verlieren ihr Mandat, und Listennachfolger ihre Anwartschaft (§ 46 Abs. 4 BWahlG). In betroffenen Wahlkreisen müssen Direktmandate neu gewählt werden.

Es gab zwei Parteiverbote: 1952 die SRP und 1956 die KPD. Weitere Verfahren, z. B. gegen die NPD, scheiterten 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen und 2017 wegen fehlender Potentialität. Seitdem wurde keine Partei mehr verboten.

Das Parteiengesetz definiert, was eine politische Partei ist. Es legt u. a. fest, dass Parteien prozessführungsbefugt und passivlegitimiert sein müssen (§ 3 PartG). Zudem wird geregelt, dass der Vorstand die Partei vor Gericht vertritt (§ 11 PartG i.V.m. § 44 BVerfGG).

Potentialität meint, dass die verfassungsfeindlichen Ziele der Partei tatsächlich verwirklicht werden könnten. Eine bloße Ideologie genügt nicht, es muss ein konkretes Gefährdungspotential bestehen. Ohne diese Möglichkeit ist ein Parteiverbot nicht gerechtfertigt.

Der Parteivorstand hat im Vorverfahren das Recht zur Stellungnahme (§ 45 BVerfGG). Das Gericht entscheidet danach über Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags. Erst bei ausreichender Grundlage wird eine mündliche Verhandlung angesetzt.

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Quellen

(1) BVerfGE 85, 264 (285)
(2) https://www.juracademy.de/staatsorganisationsrecht/stellung-parteien-grundgesetz.html
(3) Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 9. Auflage, § 6 Rn. 90 ; BVerfGE 2, 1 (LS 2)
(4) Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 9. Auflage, § 6 Rn. 90 ; BVerfGE 144, 20 (205)
(5) Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 9. Auflage, § 6 Rn. 90 ; BVerfGE 144, 20 (206)
(6) BVerfGE 144, 20 (208 ff.)
(7) BVerfGE 5, 85 (141)
(8) BVerfGe 144, 20 (225)
(9) Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 9. Auflage, § 6 Rn. 92
(10) https://www.juracademy.de/staatsorganisationsrecht/verfassungswidrige-parteien.html
(11)https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/parteienrecht/parteiverbot/parteiverbot-node.html ; BVerfG, Urteil vom 23.10.1952 – 1 BvB 1/51 ; BVerfG, Urteil vom 17.08.1956 – 1 BvB 2/51
(12)https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/parteienrecht/parteiverbot/parteiverbot-node.html
(13) BVerfGE 2, 1 (LS 2)