Künstliche Intelligenz im Unternehmen: Neue Herausforderungen für das Arbeitsrecht

Künstliche Intelligenz verändert den arbeitsrechtlichen Alltag in Kanzleien und Unternehmen grundlegend. Die neue europäische KI-Verordnung rückt dabei ins Zentrum der Beratung und wirft neue rechtliche Fragen zum KI-Einsatz auf.

Arbeitsrecht – viele denken an Kündigungsschutz, Vertragsgestaltung und Sozialpläne bei Betriebsschließung. Doch in Kanzleien und Unternehmen hat sich der Alltag gewandelt. Mit Programmen wie ChatGPT, Gemini oder Copilot hält Künstliche Intelligenz (KI) Einzug ins Büro. Nun stellen sich neue Fragen: Dürfen Arbeitgeber oder Beschäftigte KI nutzen? Welche Regeln gelten? Früher genügte meist ein Blick ins Arbeits- und Datenschutzrecht. Heute reicht das nicht mehr. Die neue europäische KI-Verordnung drängt ins Zentrum der arbeitsrechtlichen Beratung.

Digitalisierung am Arbeitsplatz: Einsatz von KI aus arbeitsrechtlicher Sicht

Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz von KI verändern die Arbeitswelt grundlegend. Arbeitgeber:innen setzen zunehmend KI-Systeme ein, um Prozesse zu optimieren, Entscheidungen zu automatisieren und die Effizienz zu steigern.

KI kann in Bewerbungsverfahren eingesetzt werden, um Lebensläufe zu analysieren und Bewerber:innen zu bewerten. Systeme, wie Chatbots oder Matching-Algorithmen helfen, geeignete Kandidat:innen schneller zu identifizieren. KI-Systeme können zudem dabei unterstützen, ineffiziente Prozesse zu erkennen und die Arbeitsqualität insgesamt zu verbessern, etwa indem Arbeitnehmer:innen KI zur Erstellung von Texten nutzen oder KI sie bei Routineaufgaben unterstützt.

Arbeitsrechtler:innen sollte aber bewusst sein, dass KI-Systeme mitunter auch erhebliche Risiken bergen, wie die Gefahr von Diskriminierung, bspw. durch voreingenommene Trainingsdaten (bias). So können verzerrte Trainingsdaten bspw. dazu führen, dass eine Software vorwiegend männliche Kandidaten auswählt, und zwar nur deshalb, weil der Algorithmus hauptsächlich mit Lebensläufen trainiert wurde, die von männlichen Kandidaten stammten.

Neue europäische KI-Rahmenbedingungen

Der wichtigste Rechtsrahmen für den KI-Einsatz in Unternehmen findet sich seit August 2024 in der europäischen KI-Verordnung. Die Verordnung findet nach und nach Anwendung und wird durch umfangreiche Guidelines der Europäischen Kommission ergänzt. Wichtig: Die KI-Verordnung ergänzt die bestehenden Rahmenbedingungen, sie ersetzt sie nicht. Das heißt, die datenschutzrechtlichen Grundsätze gelten auch bei KI.

Im Fokus der gegenwärtigen KI-Beratungspraxis stehen vor allem weitreichende Verbote bestimmter KI-Praktiken, wie ein KI-basiertes Social Scoring oder Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Auch werden Berater:innen häufig gefragt, welche Unternehmen die Verordnung überhaupt erfasst. Um hier strategisch klug beraten zu können, müssen sich Arbeitsrechtler:innen mit den Unternehmensstrukturen vertraut machen.

2. August 2026: Neue Compliance-Pflichten für KI im HR-Bereich

Außerdem müssen Arbeitsrechtlicher:innen vor allem den 2. August 2026 im Blick behalten. Ab diesem Tag gelten fast alle im Personalbereich eingesetzten KI-Systeme als hochriskant. Das bedeutet: Wollen Arbeitgeber:innen KI im HR-Bereich einsetzen, müssen sie fortan weitreichende Compliance-Anforderungen beachten, wie bspw. die Pflicht zur menschlichen Aufsicht. Hier heißt es für Arbeitsrechtlicher:innen, geeignete betriebliche Prozesse zu entwickeln, um KI effektiv zu kontrollieren.

An erster Stelle der KI-Beratung steht aber oft, überhaupt erst die nötige Sensibilität für KI-Compliance im Management zu schaffen – besonders bei Mandant:innen mit einer Konzernspitze im außeuropäischen Ausland. Berater:innen sollten ihre Ansprechpartner:innen im Unternehmen eng an die Hand nehmen und sie zu den wichtigsten Pflichten unter der KI-Verordnung schulen.

Besonders hinzuweisen ist auf mögliche Folgen von Verstößen. Denn hier drohen Geldbußen von bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Zugleich ist es wichtig, eine strategische Perspektive zu zeigen: Schaffen wir es, ein KI-System im Personalbereich vor dem 2. August 2026 einzuführen, gelten die erhöhten Anforderungen (wie die menschliche Aufsicht) nicht – und auch nicht nach dem 2. August 2026.

Mitbestimmungsrechte bei Einführung von KI

Betriebsrat und KI: Mitbestimmungspflichten frühzeitig beachten

Arbeitsrechtler:innen müssen ihre Mandant:innen – gerade im internationalen Kontext – jedoch früh darauf hinweisen, dass der Betriebsrat zustimmen muss, um KI in Deutschland einzuführen. Es gibt zwar keine spezifische KI-Mitbestimmung, doch es gelten die allgemeinen Regeln zur Mitbestimmung bei IT.

Diese legen die Arbeitsgerichte seit Jahrzehnten sehr weit aus: Der Betriebsrat muss bereits zustimmen, wenn ein System geeignet ist, Informationen über Leitung oder Verhalten von Arbeitnehmer:innen zu verarbeiten. Das ist fast immer der Fall. Werden die Mitbestimmungsrechte nicht eingehalten, drohen einstweilige Verfügungen und Projekte müssen gestoppt werden.

In der Praxis empfiehlt es sich daher häufig, mit dem Betriebsrat frühzeitig eine Rahmenvereinbarung abzuschließen. Diese enthält typischerweise unterschiedliche Regelungen für die Einführung von Systemen mit einem geringen und mit einem hohen Risiko. Idealerweise gelingt es den Vertreter:innen der Arbeitgeber:innen, Systeme ohne ein nennenswertes Risiko (z. B. KI-basierte Übersetzungssoftware) einzuführen, ohne dass der Betriebsrat zustimmen muss.

Sensibilisierung für KI-Risiken: Arbeitsrechtliche Pflichten der Arbeitgeber

Arbeitsrechtler:innen sollten außerdem darauf hinwirken, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen für die Risiken im Umgang mit KI früh sensibilisieren. Wichtig neben Schulungen ist oft eine KI-Richtlinie. Mit der Richtlinie halten Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen bspw. dazu an, KI-generierte Ergebnisse stets zu prüfen und keine sensiblen Daten gegenüber KI-Assistenten offenzulegen.

Arbeitsrechtler:innen müssen auch hier die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten. Das Arbeitsgericht Hamburg hat zwar entschieden, dass die Arbeitgeberin ihren Mitarbeiter:innen ohne Zustimmung des Betriebsrats Vorgaben zum Umgang mit ChatGPT machen durfte. Das ist aber eine Einzelfallentscheidung. Sie zeichnet sich auch dadurch aus, dass die Mitarbeiter:innen ChatGPT nur auf ihren privaten Accounts nutzen durften und die Arbeitgeberin keine dienstlichen Zugänge bereitstellte.

Fazit: Arbeitsrechtliche Beratung zur KI wird immer wichtiger

Der KI-Einsatz im Unternehmen – ein vielschichtiges, dynamisches Feld. Wer auf diesem Terrain bestehen will, wird sich mit der zunehmenden KI-Regulierung früh auseinandersetzen und ihren Bezug zum deutschen Arbeitsrecht kennen müssen.

Dr. Maurice Heine
Autor
Dr. Maurice Heine, LL.M.

 

Dr. Maurice Heine, LL.M., ist Associate der Praxisgruppe Employment im Berliner Büro von Baker McKenzie. Er berät nationale und internationale Mandanten zu allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, die Beratung bei Unternehmensumstrukturierungen sowie betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere zur Digitalisierung der Arbeitswelt, wie z. B. die Einführung von KI-Systemen in Unternehmen.

 

Matthias Köhler
Autor
Dr. Matthias Köhler, LL.M.

Dr. Matthias Köhler, LL.M. (Sydney), ist Partner der Praxisgruppe Employment im Berliner Büro von Baker McKenzie. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Fragen, wie z. B. bei Kündigungen und der Gestaltung von Arbeitsverträgen. Außerdem berät er Unternehmen bei Fusionen und Übernahmen, Umstrukturierungen und Betriebsratsangelegenheiten. Ein besonderer Schwerpunkt von Matthias Köhler besteht in der Beratung von Unternehmen zur Einführung neuer IT-Systeme, einschließlich Künstlicher Intelligenz.

 

Das Wichtigste in Kürze – KI im Arbeitsrecht

  • Künstliche Intelligenz hält mit Tools wie ChatGPT und Copilot Einzug in den Büroalltag. Damit verändern sich die Anforderungen an arbeitsrechtliche Beratung.
  • Arbeitgeber:innen nutzen KI zunehmend zur Optimierung von Prozessen und zur automatisierten Entscheidungsfindung. Dies betrifft unter anderem Bewerbungsverfahren und die Analyse von Lebensläufen.
  • KI-Systeme können die Effizienz steigern, bergen aber auch Risiken wie Diskriminierung durch voreingenommene Trainingsdaten. Verzerrte Datensätze können zu benachteiligenden Entscheidungen führen.
  • Die europäische KI-Verordnung ist seit August 2024 in Kraft und ergänzt bestehende Regelwerke wie das Datenschutzrecht. Sie enthält klare Verbote und umfangreiche Pflichten für Unternehmen.
  • Besonders verboten sind KI-Praktiken wie Social Scoring und Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Unternehmen müssen klären, ob sie von der Verordnung betroffen sind.
  • Ab dem 2. August 2026 gelten KI-Systeme im Personalbereich als hochriskant. Dies zieht weitreichende Compliance-Anforderungen wie menschliche Aufsichtspflichten nach sich.
  • Unternehmen, die KI-Systeme noch vor dem Stichtag einführen, profitieren von geringeren Anforderungen. Nach dem Stichtag greifen strengere Regelungen dauerhaft.
  • In Deutschland ist der Betriebsrat bei der Einführung von KI zwingend zu beteiligen. Schon Systeme, die Verhalten oder Leistung erfassen können, unterliegen der Mitbestimmung.
  • Frühzeitige Vereinbarungen mit dem Betriebsrat helfen, Verzögerungen zu vermeiden. Systeme mit geringem Risiko lassen sich teils auch ohne Zustimmung einführen.
  • Arbeitgeber:innen sollten Richtlinien und Schulungen zum KI-Einsatz anbieten. Dabei ist auch die Beteiligung des Betriebsrats zu beachten, wie ein Fall aus Hamburg zeigt.